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Gülistan Yüksel
SPD
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Frage von Johann Lambert B. •

Frage an Gülistan Yüksel von Johann Lambert B. bezüglich Jugend

Der geehrte Frau Gülistan Yüksel,

wie heute in der jungewelt.de zu lesen ist hat der Bundestag das Abkommen über »Ghettorenten« ratifiziert. »Der Einsatz von Kindern war bittere Realität« lautet der Artikel und soll die Arbeitsleistung der Kinder würdigen.
Ehemalige Heimkinder, die nach dem zweiten Weltkrieg gefoltert, sexuell missbraucht und Zwangsarbeit leisteten, werden heute mit dem Fond Heimerziehung bedacht. Dies war aber nicht der Wille der fast 50.000 Heimkinder, die sich in Ost und West bei den Anlaufstellen gemeldet haben.
Viele ehemalige haben einen Antrag auf Opferentschädigung gestellt und wurden vom LVR und Sozialgerichten abgewiesen. Die „Amtsermittlungspflicht“ wurde missachtet, wie das Bundesverfassungsgericht gerade festgestellt hat. Der Beschluss aus Karlsruhe (2 BvR 2063/11) ist mehr als ein schwerer Tadel.
Mein OEG-Verfahren wurde nach fünf Jahren beim Sozialgericht Düsseldorf einfach abgewiesen. Alle Ermittlungen, die Kosten, die Qualen, wurden den Opfern überlassen. Sie wurden damit sogar alleine gelassen und bestraft.

Meine Frage: Warum werden wir nicht gleichgestellt und erhalten auch eine Opferrente?

Vielen Dank für eine Antwort.
Beckers
Mönchengladbach

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Beckers,

zunächst möchte ich Ihnen mein herzliches Mitgefühl aussprechen, dass Sie dieses schwere Schicksal als Heimkind erleiden mussten. Es ist klar, dass Menschen, die in Heimen der Bundesrepublik Deutschland oder der Deutschen Demokratischen Republik Leid erfahren haben, dafür entschädigt werden müssen.

Ich möchte allerdings auf folgenden Sachverhalt aufmerksam machen:
Die sogenannten Ghettorenten sind keine Entschädigungen für Opfer. Vielmehr dienen sie dazu, auch den Menschen eine Rentenleistung zuzuerkennen, die während des Zweiten Weltkriegs zur Arbeit gezwungen wurden und dementsprechend später Lücken in ihrer Erwerbsbiographie hatten. Da diese Erwerbslücken zu niedrigeren Rentenzahlbeträgen führten, musste daher eine Korrektur erfolgen. Die Ghettorenten sind also eine Leistung für Zwangsarbeiter, die für ihre Arbeit nicht oder zu niedrig entlohnt wurden und somit keine oder nur sehr geringe Versicherungsbeiträge einzahlen konnten.

Für Heimkinder, die zwischen 1949 und 1975 in Heimen in der BRD schwere und z.T. traumatisierende Erfahrungen machen mussten, wurde der Fonds Heimerziehung West angelegt. Wem hier Leid und Unrecht zugefügt wurde, welches zu Beeinträchtigungen geführt hat, hat ein Anrecht auf Unterstützung. Ein ähnlicher Fonds ist für Betroffene in der DDR in den Jahren 1949 bis 1990 eingerichtet worden.

Es handelt sich somit um zwei unterschiedliche Personenkreise und um einen gänzlich anderen Ansatz der Leistungsbewilligung. Auf der einen Seite wird eine Versicherungsleistung simuliert, um eben den Opferstatus nicht in den Vordergrund zu stellen, sondern eine Gleichbehandlung mit anderen deutschen Arbeitnehmern zu erreichen. Auf der anderen Seite geht es um eine klare Entschädigungsleistung für Opfer. Insofern ist auch die unterschiedliche Behandlung von Zwangsarbeitern aus dem Zweiten Weltkrieg und Heimkindern sinnvoll und rechtlich abgesichert. Weitere Informationen über den Zugang zu dem Fond finden Sie auf der Webseite des „Fonds Heimerziehung“ (http://www.fonds-heimerziehung.de/).

Ich hoffe, dass Ihnen diese Information weiterhilft und wünsche Ihnen alles Gute.

Mit freundlichen Grüßen,

Gülistan Yüksel

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