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Frage von Matthias P. •

Frage an Gesine Meißner von Matthias P. bezüglich Verbraucherschutz

Die EU-Kommission will den Markt für die Privatisierung der Wasserrechte freigeben. Monitor hat darüber am 13.12.2012 eine Sendung ausgestrahlt : "Geheimoperation Wasser - Wie die EU-Kommission Wasser zur Handelsware machen will." Die EU will also den Markt für eine Privatisierung der Wasserrechte öffnen. Privatisierung bedeutet, der Wasserpreis kann zukünftig vom Börsenkurs abhängen, Wasser könnte ein Exportschlager werden, die Qualität wird nicht mehr nach gängigen Richtlinien bestimmt, Großkonzerne kontrollieren den Markt, wenn´s drauf ankommt.

Wie stehen Sie zu diesem Vorhaben?

Danke für eine klare Antwort.

Matthias Pätsch

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Antwort von
FDP

Sehr geehrter Herr Pätsch,

danke für Ihre Nachricht. Ich unterstütze nicht die Privatisierung der Wasserversorgung. Diese Befürchtung ist nach dem jetzigem Stand der Diskussion in Brüssel aber auch unbegründet. Daher lassen Sie mich kurz die Hintergründe der aktuellen Mediendebatte über die drohende Privatisierung der Trinkwasserversorgung erklären bzw. aufklären.

Hintergrund der Diskussion ist ein Richtlinien-Entwurf über die Konzessionsvergabe, der gerade im Europäischen Parlament und im Ministerrat verhandelt wird. Ziel dieses Entwurf ist es, bei der Vergabe von Konzessionen (darunter auch die Übertragung von staatlichen und kommunalen Aufgaben an private Akteure) durch die öffentliche Hand mehr Rechtssicherheit und Transparenz herzustellen. Salopp gesprochen: Es soll weniger "gemauschelt" werden, wenn es darum geht, dass eine öffentliche Stelle eine Konzession - zum Beispiel für das Betreiben eines städtischen Parkhauses - vergibt. Unternehmen sollen einen fairen Zugang zu Geschäftsmöglichkeiten auch in anderen Mitgliedstaaten haben und die öffentlichen Behörden ein optimales Kosten-Nutzen-Verhältnis bekommen. Angesichts der hohen Haushaltsdefizite in Europa ist das bei der Vergabe öffentlicher Gelder auch dringend notwendig. Darum unterstützt die FDP im Europaparlament die grundsätzlichen Ziele dieser Richtlinie.

Vor dem Hintergrund der weit verbreiteten Sorgen in der Bevölkerung um mögliche Auswirkungen dieser Richtlinie auf die Wasserversorgung hat die FDP im Europäischen Parlament jedoch bei der Abstimmung im Binnenmarktausschuss kürzlich gegen die Einbeziehung des Wassersektors gestimmt - leider wurden wir überstimmt. Dennoch ist die von den Medien erregte Verunsicherung fehl am Platz. Entgegen anders lautenden Berichten in der Presse bleibt die Wahlfreiheit der Kommunen ausdrücklich gewahrt. Öffentliche Auftraggeber müssen die Wasserversorgung nicht an die Privatwirtschaft abgeben. Es besteht kein Zwang zur Privatisierung, auch nicht "durch die Hintertür". Ein rein öffentlicher Auftraggeber kann frei entscheiden, ob er die betreffende Leistung selbst oder in Zusammenarbeit mit anderen öffentlichen Stellen erbringen oder diese als Konzession an die Privatwirtschaft abgeben möchte. Nur in diesem Fall besteht eine Pflicht zur Ausschreibung, damit alle interessierten Anbieter eine faire Chance haben.

Auch für Stadtwerke, die ja oft eine private Rechtsform und private Beteiligungen haben, wurde im Europarlament eine Lösung gefunden. Sie sind weiterhin als "verbundene Unternehmen" von der Ausschreibungspflicht ausgenommen und können den Auftrag zur Wasserversorgung direkt von der Kommune erhalten, wenn sie ihre Dienstleistungen im Wesentlichen für die Gemeinde erbringen, die einen beherrschenden Einfluss auf sie ausübt. Dafür müssen sie sich innerhalb einer Übergangsfrist bis 2020 umstrukturieren und die Energiesparte von der Wasserversorgung buchhalterisch trennen. Im Gegensatz zum Wassermarkt ist der Energiemarkt in Deutschland nämlich vollständig liberalisiert und die Stadtwerke könnten sich mit Hilfe ihres Wassermonopols Vorteile gegenüber ihren privaten Konkurrenten in der Energiesparte verschaffen. Die Besorgnis, dass es durch die Konzessionsrichtlinie zu einer "zwangsweisen Privatisierung" der Wasserversorgung in unseren Städten und Gemeinden kommen könnte, ist also unbegründet. Die Kommunen können weiterhin darüber entscheiden, wie sie die Wasserversorgung organisieren möchten.

Trotz der im Europaparlament erzielten Verbesserungen haben wir weiterhin Zweifel insbesondere über Auswirkungen dieser Richtlinie auf die interkommunale Zusammenarbeit und behalten uns vor, gegebenenfalls in der Endabstimmung gegen die Stellungnahme des Parlaments zu stimmen.

Ich hoffe diese Informationen helfen Ihnen, die aktuelle Diskussion einzuordnen und verbleibe mit freundlichen Grüßen aus Brüssel,

Gesine Meißner