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Gerhard Zickenheiner
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Frage von Edgar F. •

Frage an Gerhard Zickenheiner von Edgar F. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen

Sehr geehrter Herr Zickenheiner,

anlässlich des Zapfenstreichs für die ehemalige Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen am 15.08.2019 hat die Bundeskanzlerin die Wiederaufnahme der staatlichen Seenotrettung angeregt.

Am folgenden Morgen (16.08.2019) hat im Rahmen von Gabor Steingarts Morning Briefing (Podcast)
https://www.gaborsteingart.com/der-podcast/
Gerald Knaus, der 2016 den EU-Türkei-Flüchtlingsdeal konzipiert hat und auch Mitinitiator der Resettlement- und Relocationsprogramme der UNO ist, unmissverständlich klargemacht, dass es einen Zusammenhang gibt zwischen Seenotrettung und Toten im Mittelmeer. Je mehr Rettungsschiffe vor der libyschen Küste kreuzen, desto mehr Menschen besteigen die Schlepperboote. Die Folge ist, dass mehr Menschen, die sich diesen anvertraut haben, sterben. Für Knaus besteht ein nachgewiesener Zusammenhang: Je mehr Menschen Europa erreichen, desto mehr machen sich auf den Weg, desto mehr ertrinken.

Knaus hat in diesem Interview auch anhand schlüssiger Argumente eine andere Studie wiederlegt, die angeblich nachweisen will, dass es einen solchen Pull-Effekt nicht geben soll.

Meine Fragen an Sie:

Wie stehen Sie persönlich zu einer staatlichen Seenotrettung unter Berücksichtigung o. e. Aussagen.
Wie steht Ihre Partei zu einer staatlichen Seenotrettung unter Berücksichtigung o. e. Aussagen.

Besten Dank im Voraus für die Beantwortung der Fragen.

Mit freundlichen Grüßen

E. F.

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Frank,

vielen Dank für Ihre Frage.

Herr Knaus ist der Ideengeber des EU-Türkei-Abkommens und mit seinem Thinktank sehr engagiert in der Migrationspolitik. Das Abkommen besagt im Kern, dass die Türkei sich verpflichtet Geflüchtete, die illegal und nachgewiesener Maßen aus der Türkei in die EU eingereist sind, von dieser wieder zurückgenommen werden. Gleichzeitig soll für jede Person, die die Türkei zurücknimmt eine geflüchtete Person, die sich in der Türkei aufhält legal in die EU ausreisen und hier ihren Asylantrag stellen dürfen. Darüber hinaus leistet(e) die EU eine Zahlung von 6 Milliarden Euro an die Türkei zur Aufnahmeunterstützung von Geflüchteten. Herr Knaus schlägt vor mit diversen afrikanischen Staaten ähnliche Verträge abzuschließen: Im Gegenzug für die Rücknahme der Staatsbürger*in, sollen jährliche Kontingente an Visa ausgestellt werden und somit legale Migrationswege eröffnet werden. Das Signal an die Ausreisewilligen soll sein, dass es sich nicht lohnt ohne Visum auszureisen und so will man die Migration kontrollieren.

Sowohl ich als auch meine Partei begrüßen und fordern die Öffnung legaler Migrationswege sowie eine staatliche Seenotrettung im Mittelmeer. Jedoch- unabhängig voneinander!

Selbst wenn wir uns als EU einig wären und beginnen würden Rücknahmeabkommen zu schließen, würde es noch Jahre dauern, bis wir diese mit allen Staaten Nordafrikas/Subsaharas geschlossen hätten. Darüber hinaus wird es auch danach noch Personen geben für die auch der legale Weg nicht infrage kommt. Es kann nicht sein, dass wir diese im Mittelmeer ertrinken lassen. Aus humanen Gründen nicht, aus historischen Gründen nicht, aus angeblichen Kapazitätsgründen nicht!

Aber wir können ihnen anbieten angstfrei und legal einzureisen, es würden bestimmt viele Personen einige Jahre auf ein Visum warten, anstatt das Risiko einzugehen im Mittelmeer zu ertrinken.