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Gabriele Katzmarek
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Frage von Tobias F. •

Frage an Gabriele Katzmarek von Tobias F.

Sehr geehrte Frau Katzmarek,

Sie haben am Freitag für einen Bundeswehreinsatz in Syrien gestimmt. Ich persönlich bin gegen so einen Einsatz, da die Vergangenheit gezeigt hat, dass man eine Terrororganisation wie den IS durch solche Angriffe eher stärkt und nicht schwächt. Im Bundestag waren sich alle einig, dass der IS kein Staat ist, bei dem militärischen Gegenschlag behandeln Sie ihn aber wie einen. Es werden Ölraffinerien, Tanklaster und Ausbildungslager von der Luft aus bombadiert. Es sollte aber jedoch offentsichtlich sein, dass in den Raffinerien Zivilisten arbeiten, die Tanklaster möglicherweise auch von Zivilisten gefahren werden und sich in den Ausbildungslager ebenfalls Zivilisten aufhalten werden. Ebenfalls sollte klar sein, dass sich IS Kämpfer nicht alle schön auf einem Fleck versammeln um sich bombadieren zu lassen, sondern generell Schutz zwischen der Zivilbevölkerung suchen. Und diese Zivilisten sind eben kein Teil des IS. Da Sie dem Einsatz zugestimmt haben, können Sie ausschließen, dass das nicht der Fall sein wird? Können Sie ausschließen, dass die getöteten Zivilisten keine neuen Terroristen erzeugen werden? Und sind Sie der Meinung, dass diese Strategie den IS aus Syrien verdrängen wird?

Angenommen durch den internationalen Einsatz wird der IS tatsächlich aus Syrien verdrängt. Wie soll es Ihrer Ansicht mit dem Land weitergehen, wenn Russland an Assad festhält? Wird der Bundeswehreinsatz dann beendet oder weitergeführt?

Der Einsatz wird im ersten Jahr mindestens 134 Mio. Euro kosten, in den Flüchtlingslagern um Syrien fehlt es aber schon seit Ewigkeiten an Essen und Trinken. Wieso kann für einen Militäreinsatz so einfach Geld locker gemacht werden, für die mangelhafte humanitäre Hilfe vor Ort, die nur ein Bruchteil davon kosten würde aber nicht?

Mit freundlichen Grüßen
Tobias Fettig

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Sehr geehrter Herr Fettig,

vielen Dank für Ihre Anfrage vom 6. Dezember 2015 zur Abstimmung des Bundestages über den Einsatz der Bundeswehr in Syrien. Es ist richtig, dass ich nach reiflicher Überlegung für den Einsatz der Bundeswehr in Syrien gestimmt habe. Leicht gefallen ist mir diese Entscheidung jedoch nicht.

Mit großer Sorge blicke ich auf die Lage in Syrien. Seit Beginn der friedlichen Proteste syrischer Oppositionsgruppen im Zusammenhang mit dem Arabischen Frühling Anfang 2011 hat das Assad-Regime auf eine militärische Eskalation gesetzt. Die syrischen Regierungstruppen haben systematisch zivile Ziele angegriffen und im Laufe des Krieges sogar chemische Waffen eingesetzt. Im Zusammenhang mit dem völkerrechtswidrigen Giftgaseinsatz Syriens ist es den Vereinten Nationen gelungen, auf der Grundlage eines Sicherheitsratsbeschlusses die chemischen Waffenbestände Syriens zu sichern und diese unter maßgeblicher Hilfe auch von deutscher Seite zu vernichten. Der syrische Bürgerkrieg eskalierte mittlerweile zu einem regional und international beeinflussten Krieg, in dem insbesondere die aus dem Irak stammende terroristische Gruppe ISIS seit 2014 mehr und mehr an Macht und Einfluss gewann und in den von ihr kontrollierten Gebieten im Irak und in Syrien ein Terrorregime errichtet hat. Nachdem sich die terroristischen und militärischen Aktivitäten von ISIS zunächst ausschließlich auf den Irak und Syrien konzentrierten, wurde vor einiger Zeit ein Strategiewechsel vollzogen. Die Terrorgruppe ISIS und ihr nahestehende Gruppen und Einzelpersonen tragen ihren Terror vermehrt und konzentriert in die Nachbarländer und sogar bis nach Europa. Die Terroranschläge im tunesischen Badeort Sousse, in Beirut, Ankara, über der Sinai-Halbinsel und zuletzt in Paris mit Hunderten von Toten und Verletzten sind brutaler Ausdruck dieses Strategiewechsels.

Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen hat mit der Resolution 2170 vom 15. August 2014 und der Resolution 2199 vom 12. Februar 2015 sowie mit der Resolution 2249 vom 20. November 2015 wiederholt festgestellt, dass von der Terrororganisation ISIS eine Bedrohung für den Weltfrieden und die internationale Sicherheit ausgeht.

Ich bin überzeugt, dass es für den zugrundeliegenden Syrienkonflikt letztlich nur eine politische Regelung geben kann. Hierfür hat sich die Bundesregierung und insbesondere Außenminister Frank-Walter Steinmeier seit Amtsübernahme mit ganzer Kraft eingesetzt. Ziel war und ist es, den Vereinten Nationen und ihrem Sonderbeauftragten, Staffan Domingo de Mistura, eine führende Rolle in diesem Konflikt zu verschaffen. Eine erste Konferenz zur Bündelung der Kräfte zur humanitären Hilfe wurde auf deutsche Initiative im November 2014 in Berlin durchgeführt. Im Rahmen des politischen Prozesses zur Konfliktregelung (Konferenzen in Wien) hat sich die Deutsche Bundesregierung mit Nachdruck für die Einbeziehung unter anderem von Iran und Saudi Arabien eingesetzt. Beide Länder spielen jeweils eine wichtige Rolle in diesem Krieg.

Ich unterstütze den politischen Ansatz des UN-Sondergesandten de Mistura, auf dessen Initiative vier Arbeitsgruppen unter Einbeziehung der Konfliktparteien (ohne ISIS) zu Kernfragen des Konflikts gegründet wurden. Eine Arbeitsgruppe wird vom deutschen Nahost-Experten Prof. Volker Perthes geleitet. Aus den Ergebnissen der vier Arbeitsgruppen könnte die Grundlage für eine Vereinbarung geschaffen werden, um einer politischen Konfliktregelung näher zu kommen.

Mit den Erklärungen der Wiener-Konferenzen vom 30. Oktober und 14. November 2015 wurde den Vereinten Nationen eine zentrale Rolle zugewiesen und der Weg für eine politische Konfliktregelung vereinbart.

Dieser wichtige politische Prozess bezieht nicht die Terrorgruppe ISIS ein, die weder Verhandlungspartner sein will noch sein kann. Daher hat der Bundestag auch im letzten Jahr entschieden, die kurdische Regionalregierung im Nordirak in Abstimmung mit der irakischen Zentralregierung mit militärischer Ausbildung und Ausrüstung in ihrem Abwehrkampf gegen ISIS im Irak zu unterstützen. Dieses Engagement hat sich als sinnvoll und notwendig erwiesen. Mehrere von ISIS besetzte Gebiete im Norden Iraks konnten zurückerobert werden – die aus den Dörfern und Städten geflüchteten Menschen beginnen, in ihre Heimat zurückzukehren.

Nach den Terroranschlägen am 13. November 2015 in Paris hat Präsident Hollande die Bundesregierung gebeten, neben ihrem politischen Engagement zur Regelung des Syrienkonfliktes und dem militärischen Beitrag zur Zurückdrängung von ISIS im Nordirak sich auch mit militärischen Mitteln zur Unterstützung Frankreichs, des Irak und der internationalen Allianz in ihrem Kampf gegen ISIS zu beteiligen. Die Bundesregierung hat nach intensiver Prüfung Frankreich militärische Fähigkeiten im Kampf gegen ISIS angeboten. Hierzu gehören sowohl Aufklärungs- und Luftbetankungsflugzeuge sowie eine Fregatte zum Schutz eines französischen Flugzeugträgers.

Die Anschläge vom 13. November galten nicht nur Frankreich, sondern uns allen. Sie richteten sich gegen unsere Werte und unsere Art zu leben. Deshalb ist jetzt auch die Solidarität aller Europäer gefordert.

Trotz meiner großen Skepsis gegenüber einem militärischen Engagement gegen die Terrorgruppe ISIS habe ich nach intensiven Diskussionen und einem schwierigen Abwägungsprozess mich entschieden, dem Mandat der Bundesregierung zuzustimmen.

Diese Zustimmung fiel mir nicht leicht. Ich weiß jedoch, dass die Bundesregierung ihr Engagement nicht auf das Militärische konzentriert, sondern das militärische Engagement im und über dem Operationsgebiet der Terrororganisation ISIS nur als ein Teil ihres gesamten Engagements in der Region betrachtet. Mit dem Wiener-Prozess hat sich eine Chance für eine politische Regelung des Syrienkrieges eröffnet, die die Bundesregierung zusammen mit ihren Partnern nutzen will und muss.

Ich unterstütze die Bundesregierung ausdrücklich darin, ihre Aktivitäten gegen den internationalen Terrorismus im Allgemeinen und gegen ISIS im Besonderen zu verstärken. Hierzu gehören vor allem die bereits in der UN-Sicherheitsratsresolution 2170 vom 15. August 2014 unter Kapitel VII der UN-Charta beschlossenen Maßnahmen gegen ISIS, Al Qaida und mit ihnen verbündeten Terrorgruppen. Insbesondere die Anwerbung und Ausreise von ausländischen terroristischen Kämpfern nach Syrien muss unterbunden werden. Ebenso müssen die in der Resolution aufgeführten Maßnahmen zur Unterbindung der Finanzierung des Terrorismus konsequent und von allen Staaten angewendet werden. Der illegale Verkauf von Öl und anderen Ressourcen sowie der ungehinderte Finanzzufluss an ISIS – oftmals durch staatliche Institutionen geduldet oder gar organisiert – muss mit allen Mitteln unterbunden werden. Darüber hinaus ist es unabdingbar, dass ISIS-Kämpfern der unkontrollierte Zugang zu anderen Staaten in der Region verwehrt wird. Hier kommt der Türkei eine maßgebliche Rolle zu.

Die deutschen Behörden arbeiten in der Terrorismusbekämpfung bereits sehr eng und in einem breiten Spektrum von Maßnahmen mit Frankreich zusammen. Diese enge Kooperation gilt es auf alle EU-Staaten und darüber hinaus auszudehnen.

Wir dürfen nicht zulassen, dass sich der IS-Terror zu einem „Kampf der Kulturen“ entwickelt. Nach wie vor sind die meisten Opfer von ISIS selber Muslime. Die Anschläge von Paris dürfen nicht dazu instrumentalisiert werden, um hierzulande gegen Flüchtlinge zu hetzen und Muslime auszugrenzen. Im Gegenteil: Unsere Anstrengungen zur Integration insbesondere junger Muslime müssen gesteigert werden, um Parallelgesellschaften und Ghettobildungen zu verhindern. Ebenso müssen sogenannte „Ausländische Kämpfer“ daran gehindert werden, in die Kriegsgebiete ein- und auszureisen. Es ist Aufgabe des Rechtsstaates, mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln dagegen vorzugehen.

Nur durch diesen gesamtpolitischen Ansatz wird es möglich sein, das terroristische Treiben von ISIS einzudämmen und künftige Terroranschläge in der Region und darüber hinaus wirkungsvoll zu unterbinden. Auf dieser Grundlage wird es hoffentlich möglich sein, endlich einen Weg zu finden, den brutalen Bürgerkrieg in Syrien mit über 250.000 Toten zu beenden und eine politische Regelung zu ermöglichen.

Nun zu Ihrer Frage, warum mit den Geldern, die der Syrien-Einsatz kostet, nicht stärker in den Flüchtlingslagern um Syrien investiert wird. In Anbetracht der über 6 Millionen Binnenflüchtlinge und über 4 Millionen Flüchtlinge in den Nachbarländern und in Europa werden wir weiterhin humanitäre Hilfe und die sogenannte Übergangshilfe leisten. Seit 2012 haben wir hierzu über 1,1 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt. 505 Millionen Euro für humanitäre Hilfe waren im Haushaltsentwurf für 2016 vorgesehen. Angesichts der vielen Krisen und Kriege in der Welt und der extrem hohen Flüchtlingszahl wurde der Titel jetzt um 228,5 Millionen Euro aufgestockt. Auch die UN-Hilfsorganisationen UNHCR, UNWRA und OCHA erhalten 5,5 Millionen Euro mehr.

Mindestens genauso wichtig wie die Mittel für humanitäre Hilfe sind Investitionen in die Krisenprävention, damit humanitäre Katastrophen erst gar nicht entstehen können. Hier gab es eine Steigerung von 95 auf 248 Millionen Euro. Gemeinsam mit den Mitteln für mehr Personal, das im Flüchtlingsbereich tätig sein soll, summiert sich der Gesamtbetrag für humanitäre Hilfe und Krisenprävention auf 400 Millionen Euro. Diese von Außenminister Frank-Walter Steinmeier vorangetriebene Erhöhung ist ein wichtiges Signal, dass Deutschland zu seiner humanitären Verantwortung in der Welt steht. Dieses Signal sollten auch andere Staaten wahrnehmen, vor allem die reichen Golfstaaten. Die Vereinten Nationen beziffern den humanitären Bedarf für 2015 allein für die syrischen Flüchtlinge auf 7,4 Milliarden US-Dollar. Fest steht aber auch, dass weltweit 17 Milliarden US-Dollar benötigt werden. Beim nächsten Syrien-Gipfel im Februar 2016 muss die finanzielle Unterstützung für die syrischen Flüchtlinge massiv ausgebaut werden. Ihre Frage, wie der Nahe Osten nach der IS aussieht, darüber kann man wirklich nur spekulieren. Ich bin jedoch der Überzeugung, dass wir mit allen Staaten der Weltgemeinschaft die barbarischen Terroristen aufhalten müssen. Gerade in den letzten Tagen haben 34 Staaten unter Führung Saudi-Arabiens ebenfalls eine islamische Allianz gegen den Terrorismus geschmiedet.

Ich hoffe, ich konnte Ihre Fragen beantworten.

Mit freundlichen Grüßen

Gabriele Katzmarek

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