Gabriele Hiller-Ohm
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Frage von Jürgen B. •

Frage an Gabriele Hiller-Ohm von Jürgen B. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrte Frau Hiller-Ohm,

die Tageszeitung Zaman - eine gemäßigt oppositionelle Stimme in der Türkei - wurde durch ein Sondergericht in der Türkei unter staatliche Aufsicht gestellt. Dies ist nicht der erste Affront des Präsidenten Erdogan gegen die Pressefreiheit: In der Vergangenheit sind sowohl Zeitungen als auch Fernsehsender unter staatliche Kontrolle gestellt oder gar geschlossen worden.

Zwei Journalisten, die in Untersuchungshaft wegen "Unterstützung von Terrorismus" waren, wurden vom Verfassungsgericht der Türkei freigesprochen. Präsident Erdogan kommentierte die Entscheidung des Gerichts laut Frankfurter Rundschau folgendermaßen ( http://www.fr-online.de/brennpunkt-tuerkei/zaman-erdogan-macht-die-naechste-zeitung-mundtot,23356680,33912244,view,asFirstTeaser.html ): „Ich werde weder der Entscheidung Folge leisten, noch habe ich Respekt vor ihr.“
Man kann hier von willentlichem Verfassungsbruch seitens Erdogan wie auch von einer diktatorischen Aushebelung der Meinungsfreiheit sprechen.

Ganz abgesehen von den eklatanten Menschenrechtsverletzungen gegen Kurd_innen innerhalb und außerhalb der Türkei, wobei ganze Stadtviertel in der Türkei mit etlichen zivilen Opfern zerstört werden.

Ich höre niemanden aus den Regierungsparteien - auch nicht Sie - über die Verletzung von Menschenrechten, der Pressefreiheit, der Verfassungstreue von Präsident Erdogan sprechen.

Möchten Sie mir dies bitte erklären, warum die Bundesregierung dies alles NICHT thematisiert, stattdessen aber Milliarden an Erdogan für die Bewältigung der Flüchtlingskrise zahlen möchte?
Und wie steht es mit Griechenland, das an vorderster Front mit der Aufnahme von Flüchtlingen steht? Griechenland sollen 700 Millionen zukommen. In welchem Verhältnis steht das zur Türkei?

Sie werden verstehen, dass mich die Politik der Ungleichbehandlung und Verachtung der Menschenrechte sehr verstört zurücklassen - und ich den Begriff Bigotterie für diese Handlungsweise nutze.

Mit freundlichen Grüßen

J.Georg Brandt

Gabriele Hiller-Ohm
Antwort von
SPD

Lieber Herr Brandt,

bitte haben Sie Verständnis, dass ich nicht die federführende außenpolitische oder menschenrechtspolitische Sprecherin meiner Fraktion bin, dennoch weiß ich, dass gerade die Menschenrechtsverletzungen in der Türkei einen hohen Stellenwert in unseren politischen Überlegungen einnehmen. Sie können sicher sein, dass dies niemanden von uns kalt lässt und wir uns mit unserem Außenminister Frank Walter Steinmeier auf allen diplomatischen Wegen bemühen zu Lösungen zu kommen.

Vielleicht haben Sie am Sonntagabend die Tagesthemen gesehen. Unsere Generalsekretärin Katarina Barley hat die Situation in der Türkei auf den Punkt gebracht, indem sie sagt: „Wie werden gegenüber der Türkei die Vorfälle in Bezug auf die Pressefreiheit auf jeden Fall thematisieren und kritisieren. Andererseits müssen wir auch sagen, wir können nicht nur mit Staaten verhandeln, die in Bezug auf Menschenrechte absolut lupenrein sind. Dann wären wir am Ende des Tages relativ allein am Verhandlungstisch.“
Ich finde die Position nachvollziehbar und in der momentanen Lage richtig.

Was würden Sie denn vorschlagen? Sollen wir deswegen alle Kontakt zur Türkei kappen? Solange nicht mehr miteinander verhandeln, bis Erdogan genau das macht, was wir uns von ihm wünschen? Sollen wir das dann auch mit anderen Staaten so machen, in denen es zu Menschenrechtsverletzungen kommt? Zum Beispiel mit China? Oder mit der USA, dort gibt es in einigen Bundesstaaten noch die Todesstrafe. Hätten wir dann auch das Atom-Abkommen mit dem Iran hinbekommen?

Manchmal muss man sich auf Gesprächspartner einlassen, deren Verhalten man nicht uneingeschränkt befürwortet, manchmal auch auf Leute, deren Verhalten man weitgehend ablehnt.

Ich erfahre in der Politik, dass Reden meistens mehr hilft, als jemanden zu isolieren oder sich abzuschotten. Bigott finde ich das nicht.

Mit geht es darum, Menschen zu helfen. Dafür muss man manchmal kleine Schritte und oft auch Umwege gehen. Klar ist aber, dass die Türkei (sowie der Libanon und Jordanien) allein schon aus geographischen Gründen viele Flüchtlinge versorgen müssen. Dafür braucht es Hilfe und Unterstützung für die Menschen, die auf der Flucht sind – nicht für die Herren Erdogan und Davutoğlu. Aber diese Herren sind nun einmal die aktuellen Entscheider in der Türkei.

Mit freundlichen Grüßen
Gabriele Hiller-Ohm