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Fritz Kuhn
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Frage von Rene A. •

Frage an Fritz Kuhn von Rene A. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Guten Tag Herr Kuhn,

da Sie am 29.06.2012 dem ESM zugestimmt haben, gehe ich davon aus, dass Sie mir folgende
Verständnisfragen beantworten:

1. Was bildet Ihrer Meinung nach den Unterschied in den Beweggründen zwischen Ihrer Zustimmung zum ESM, und der Zustimmung der Abgeordneten im Reichstag am 24 März 1933 zum Ermächtigungsgesetz ?

2. In wieweit kam es zu einer Diskussion, bei der Entscheidung für die Zustimmung, auch die Souveränität eines ganzen Volkes über deren/ unseren Haushalt und somit auch der Demokratie, abzugeben?

3. Wem ist mit Ihrer Zustimmung in erster Linie gedient?

Über eine zeitnahe Rückmeldung freue ich mich,

Mit freundlichen Grüßen

René Altenhöfer

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Altenhöfer,

vielen Dank für Ihre Fragen, die ich hier im Zusammenhang beantworte.

Ihr Vergleich mit dem Ermächtigungsgesetz von 1933 ist nicht zutreffend, weder in der Sache noch in den Umständen.

Die Grüne Fraktion steht für ein solidarisches und nachhaltiges Europa. Unsere gemeinsame Währung zur Disposition zu stellen birgt nicht nur große Gefahren für die Stabilität unseres Wirtschaftssystems, sondern stellt auch das europäische Projekt in Frage. Die derzeitigen Maßnahmen müssen jedoch mit nachhaltiger Haushaltspolitik einhergehen. Der ESM steht für eine Vertiefung der europäischen Integration und bietet einen gemeinsamen Schutz vor Spekulationen gegen Mitgliedsstaaten. Er ist ein politisches Zeichen gegen den Zerfall der Eurozone und für die Stabilisierung des Euro.

Meine Fraktion kann den ESM unterstützen, da er das klare Prinzip verfolgt, dass es nur Hilfen gegen Auflagen gibt. Der ESM kommt nur zum Tragen, wenn die hilfeersuchenden Mitgliedsstaaten vorab getroffene Vereinbarungen einhalten. Durch die Schuldentragfähigkeitsanalyse soll sichergestellt werden, dass der Empfänger von Hilfen diese auch in Zukunft zurückzahlen kann und nicht Geld verbrannt wird. Durch das ESM-Finanzierungsgesetz (ESMFinG) wird die haushaltspolitische Verantwortung des Deutschen Bundestages sichergestellt, so dass der ESM kein Fass ohne Boden wird.

Es handelt sich beim ESM nicht um eine Souveränitätsabgabe wie Sie es darstellen. Denn eine Zustimmung des Plenums ist vorgesehen bei:
1. Der Veränderung des Stammkapitals
2. Der Veränderung des maximalen Darlehnsvolumens
3. Einer Änderung der Finanzhilfeinstrumente.

Außerdem ist eine zweimalige Zustimmung des Plenums vorgesehen, bevor ein Land unter den Rettungsschirm kommt. Die erste Abstimmung ist erforderlich, um einem Mitgliedsstaat grundsätzlich Hilfe zu gewähren. Erst nach einem zustimmenden Votum des Bundestages darf der deutsche Vertreter im Gouverneursrat zustimmen, dem Mitgliedsstaat grundsätzlich Stabilitätshilfe zu gewähren. Die zweite Abstimmung ist erforderlich, um dem Land tatsächlich Hilfen zu gewähren. Dafür muss eine Einigung der Troika mit dem Mitgliedsstaat vorliegen.

Die Zustimmung des Haushaltsausschuss ist in folgenden Fällen erforderlich: 1. Bei Änderungen an den Instrumenten innerhalb eines bestehendes Programms; 2. Bei Kapitalabrufen (von genehmigtem aber noch nicht einbezahlten Summen) und 3. Bei Annahme und Änderung von Durchführungsbestimmungen bei Finanzhilfeinstrumenten.

Wir Grüne haben darüber hinaus zwei weitere Forderungen, die wir in unserem Änderungsantrag zum ESMFinG verdeutlichen. Diese sind: 1) Das Minderheitenrecht auf Unterrichtung und Anhörung im Ausschuss soll von einem Viertel der Mitglieder oder zwei Fraktionen genutzt werden können und 2) Das Plenum soll jederzeit die Möglichkeit haben, die Befugnisse des Sondergremiums mit einfacher Mehrheit an sich zu ziehen.

Ab März 2013 kann ein Land nur noch Hilfen aus dem ESM beantragen, wenn es den Fiskalvertrag ratifiziert hat. Diese Verbindung soll verantwortungsbewusstes Haushalten fördern und somit die Wahrscheinlichkeit steigern, dass der betroffene Mitgliedsstaat in der Lage sein wird, seinen Verpflichtungen gegenüber dem ESM nachzukommen.

Im Sinne der parlamentarischen Beteiligung hat meine Fraktion am Juni vor dem Bundesverfassungsgericht recht bekommen. Die Bundesregierung wird in Zukunft den Deutschen Bundestag besser und umfassender beteiligen müssen - so wie es bereits in Artikel 23 Grundgesetz und im EU-Beteiligungsgesetz (EUZBBG) festgeschrieben ist. Mit seinem Urteil hat das Bundesverfassungsgericht klargestellt, dass die Euro-Rettung eine EU-Angelegenheit ist. Egal ob völkerrechtliche Verträge oder sonstige Anbauten an die Europäischen Verträge, innerstaatlich hat die Bundesregierung die Rechte des Bundestages in EU-Angelegenheiten zu wahren. Die Bundesregierung hat mit diesem Urteil eine Niederlage erlitten. Monatelang hat sie dem Parlament wichtige Dokumente vorenthalten. Künftig wird der Bundestag bei der Entstehung von Euro-Rettungsmaßnahmen mitreden können und zwar von Anfang an. Das Urteil ist eine klare Absage an die Hinterzimmerpolitik der Regierung Merkel.

Mit freundlichen Grüßen
Fritz Kuhn