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Friedrich Ostendorff
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Frage von Jürgen Peter K. •

Frage an Friedrich Ostendorff von Jürgen Peter K. bezüglich Landwirtschaft und Ernährung

Sehr geehrter Herr Ostendorf,

da Sie ja mit der Landwirtschaft verwurzelt sind meine Frage, sind Sie auch für eine Lockerung des § 35 LBO Bauen im Außenbereich für Jedermann ?

Mit freundlichen Grüßen
Jürgen Kilthau
Weingut
Neustadt Weinstraße

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Kilthau,

wir gehen davon aus, das Sie den § 35 BauGB (Bauen im Außenbereich) meinen und es überrascht uns sogleich, dass sie diese Frage ausgerechnet an uns stellen, denn als Grüne sind wir sicher nicht für eine Lockerung des Bauens im Außenbereich.

Der Gesetzgeber hat privilegierte Vorhaben planmäßig dem Außenbereich zugewiesen. Das ist für bestimmte Bauvorhaben, wie z.B. Bauernhöfen auch sinnvoll. Aber die primäre Zielsetzung des § 35 BauGB dient in erster Linie dem Schutz des Außenbereichs als vielleicht wichtigste umweltpolitische Regelung im Baugesetz, um eine Zersiedelung zu vermeiden. Das heißt allerdings nicht, dass es kein Verbesserungsbedarf beim § 35 BauGB gibt.

Wie Sie vielleicht wissen, setzen wir uns schon seit langem gegen eine weitere Privilegierung von Intensivtierhaltungsanlagen, die regelmäßig nach § 35 Absatz 1 Nr. 4 baurechtlich im Außenbereich genehmigt werden, ein.
Die Einzelheiten hierzu können Sie gerne in unserem Gesetzentwurf ( http://dipbt.bundestag.de/dip21/btd/17/015/1701582.pdf ) nachlesen, der im Deutschen Bundestag keine Mehrheit fand (Abstimmungsverhalten siehe: http://dipbt.bundestag.de/dip21/btp/17/17093.pdf , Top 9). Zur Vertiefung empfehle ich Ihnen zwei Papiere ( http://f-ostendorff.de.ds0203.hostingschmie.de/fileadmin/datensammlung/dateien/AH-Massertierhaltung-1_0-UW.pdf und http://f-ostendorff.de/fileadmin/datensammlung/dateien/AH-BewertungVonVorschlaegen_35BauGB_MTH-UW.pdf ), die sich intensiv mit dieser Thematik auseinandersetzen.

Sicher haben Sie auch davon gehört, dass die Bundesregierung im Rahmen der anstehenden Novellierung des BauGB (Gesetz zur Stärkung der Innenentwicklung in den Städten und Gemeinden und weiteren Fortentwicklung des Städtebaurechts) den § 35 Absatz 1 Nr. 4 wie folgt ändern will:

Nach dem Absatz 1 soll im § 35 BauGB ein neuer Absatz 1a eingefügt werden: „1a Die Errichtung eines Betriebes nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 4, der Tierhaltung betreibt, ist unter den übrigen Voraussetzungen des Absatzes 1 im Außenbereich nur zulässig, wenn der Betrieb nicht der Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung nach dem Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung unterliegt.“

Der Vorschlag bedeutet, dass Massentierhaltungsanlagen weiterhin nach Absatz 1 Nr. 4 privilegiert genehmigt werden dürfen, wenn die „übrigen Voraussetzungen“ erfüllt sind. Die übrigen Voraussetzungen sind nur dann erfüllt, wenn die „öffentlichen Belange nicht entgegenstehen“ und „die ausreichende Erschließung gesichert ist“.
Neu hinzu kommt die Einschränkung, dass nur noch Anlagen privilegiert sind, die nicht der obligatorischen UVP-Pflicht (§ 3b (1) UVPG) unterliegen. Unterliegt eine Anlage also der UVP-Pflicht, verliert sie die Privilegierung und kann baurechtlich nur noch über den Weg eines Bebauungsplans (B-Plan) genehmigt werden.

Da sich der Änderungsvorschlag der Bundesregierung in der Praxis so gut wie ausschließlich auf die obligatorische UVP-Pflicht bezieht, ist davon auszugehen, dass der Gesetzentwurf kaum Wirkung entfalten wird, weil die UVP-Schwellenwerte der gültigen Fassung des UVPG viel zu hoch sind. Damit bleibt der Gesetzentwurf in der Symbolpolitik stecken, die lediglich den betroffenen Bürgerinnen und Bürgern zeigen soll: „Die Bundesregierung kümmert sich.“

Der Investor wird sich an die hohen Schwellenwerte „herantasten“ und seine Anlage so beantragen, dass sie mit den Tierplatzzahlen knapp unter dem Schwellenwert bleibt (z.B. 84.000, statt 85.000 Mastgeflügelplätze), um einen B-Plan zu verhindern.

Zur UVP-Pflicht kann es auch nach § 3 c UVPG (allgemeine oder standortbezogene Vorprüfung des Einzelfalls) kommen, was vereinfacht bedeutet, dass ausschließlich die Genehmigungsbehörde nach einem festgelegten Verfahren entscheidet, ob eine Anlage auf der Grundlage bestimmter Vorgaben UVP-pflichtig ist. Es ist keine Intensivtierhaltungsanlage bekannt, die über diesen Weg UVP-pflichtig geworden ist und die Praxis zeigt, dass diese Regelungen viel zu schwach ausgeprägt sind um zumindest im Hinblick auf Intensivtierhaltungsanlagen Wirkung entfalten zu können.

Wir halten diesen Änderungsvorschlag für eine schwaches Schwert und fordern stattdessen, die Schwellenwerte der 1. und 2. Spalte der 4. BImSchV mindestens zu halbieren, so dass bei Überschreitung dieser so geänderten Tierplatzzahlen die Privilegierung entfällt und ein B-Plan erforderlich würde. Das gilt auch für die Schwellenwerte des UVPG für Tierhaltungsanlagen, die ebenfalls halbiert werden müssen.

Mit freundlichen Grüßen

Udo Werner
Wissenschaftlicher Mitarbeiter
MdB-Büro Friedrich Ostendorff