Franziska Brychcy
Franziska Brychcy
DIE LINKE
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Frage von Anja M. •

Frage an Franziska Brychcy von Anja M. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen

Hallo Frau Brychcy,

in den letzten Wochen konnte man immer wieder von antisemitischen Tendenzen in der Partei Die Linke lesen und es gab in Ihrer Partei breite Diskussionen zu diesem Thema. Mich würde interessieren:

1. Wie stehen Sie zum Existenzrecht Israels?
2. Wie ist Ihre Meinung zur Gaza-Flotille?
3. Wie ist Ihre Haltung zur Hamas?

Vielen Dank schon mal für Ihre Antworten.

Gruß A.Meyer

Franziska Brychcy
Antwort von
DIE LINKE

Sehr geehrte Frau Meyer,

vielen Dank für Ihre Frage, die ich auf Grund meines Familienurlaubs erst jetzt beantworten kann.

Zunächst möchte ich anmerken, dass die Art und Weise der Diskussionsführung in den Medien über „Antisemitismus in der LINKEN“ gut verdeutlicht, wie weit wir leider in Deutschland von einer unabhängigen, fundierten und anspruchsvollen Medienberichterstattung entfernt sind. Flache Schlagzeilen und bloße Auflagesteigerung und damit verbundenes Profitinteresse scheinen den meisten etablierten Medien wichtiger zu sein als gründliche Recherche und differenzierte Sachverhaltsdarstellungen, die wirklich einem journalistischen Anspruch gerecht werden und zur umfassenden Meinungsbildung der Menschen beitragen könnten...

Nun zur Beantwortung Ihrer Fragen:

Zu 1.: Diesbezüglich möchte ich mich auf das Positionspapier der Linksfraktion im Bundestag vom 20.04.2010 beziehen (siehe http://www.linksfraktion.de/positionspapiere/position-fraktion-linke-nahost-konflikt/ ), in dem auf unsere besondere Verantwortung als Deutsche, welche aus den furchtbaren Verbrechen an den Jüdinnen und Juden während des Nationalsozialismus erwächst, hingewiesen wird. Diese Verantwortung schließt einerseits die Garantie des Existenzrechts des Staats Israel wie auch das Bemühen um einen palästinensischen Staat mit ein.

Zu 2.: Palästina ist derzeit wirtschaftlich und sozial nicht überlebensfähig. Daher ist es auf weltweite humanitäre Hilfe angewiesen, um die teilweise katastrophalen Zustände wie extremen Mangel an Nahrungsmitteln, Brennstoffen, elementaren technischen Mitteln und medizinischer Versorgung abzufedern.
Israel blockiert völkerrechtswidrig die Zufahrtswege nach Palästina. Die Gaza-Flotille ist meiner Meinung nach ein legitimer friedlicher Versuch, einerseits überlebenswichtige Hilfsgüter nach Palästina zu liefern und andererseits öffentlichkeitswirksam auf die Zustände im Gaza-Streifen und das teilweise grausame militärische Handeln Israels (letztes Jahr wurden neun Menschenrechtsaktivisten bei der friedlichen Aktion von der israelischen Armee getötet) aufmerksam zu machen. Je mehr international bekannte Persönlichkeiten aus Politik, Literatur, Sport etc. an der Aktion teilnehmen, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass die israelische Armee nicht militärisch eingreift und desto höher ist die mediale Aufmerksamkeit für die extremen Lebensbedingungen der palästinensischen Bevölkerung (ca. 50% Arbeitslosenquote, Hunger, extreme Armut, schlechte medizinische Versorgung). Die Kritik an der Handlungsweise Israels im Konflikt mit Palästina ist nicht automatisch Antisemitismus und muss legitim sein! Dies tastet die besondere Verantwortung für Israel und Palästina (siehe 1.) nicht an.

Zu 3.: Die Wahl der rechtsextremen Hamas 2006 ist ein Rückschlag bei den Bemühungen um einen unabhängigen Staat Palästina. Die Handlungsweise der Hamas (Selbstmordanschläge und Granatenangriffe auf israelische Zivilisten) verurteile ich. Ich kann nachvollziehen, wie es dazu gekommen ist, dass die Hamas auf Grund der Unzufriedenheit der palästinensischen Bevölkerung mit dem gescheiterten Friedensprozess und der vorherrschenden Korruption an Unterstützung gewonnen hat. Das bedeutet jedoch keinesfalls, dass die palästinensische Zivilbevölkerung auf Grund des Wahlerfolgs der Hamas kollektiv mit einer israelischen Blockade bestraft werden darf!
Ich schließe mich hier den Forderungen der Linksfraktion (siehe Dokument oben) für eine friedliche Lösung an.

Schließlich möchte ich noch darauf hinweisen, dass die LINKE keine „Einheitspartei“ ist!, sondern wie in den anderen Parteien auch Mitglieder vieler verschiedener Strömungen und politische Gruppen vereint. Daher kann es unterschiedliche Nuancen in der Auffassung verschiedener Personen zu einem Thema geben. Gerade das macht ja die Lebendigkeit und Diversität der neuen Partei Die LINKE aus! Das oben genannte Positionspapier bezüglich des Israel-Palästina-Konfliktes basiert auf einem breiten demokratischen Konsens in der LINKEN und spiegelt diese Nuancen treffend wider.

Mit freundlichem Gruß

Franziska Brychcy

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