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Franz Untersteller
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Frage von randy s. •

Frage an Franz Untersteller von randy s. bezüglich Umwelt

Sehr geehrter Herr Untersteller,

seit kurzem geistern Gerüchte umher, dass die EU-Kommission plant, das Wasser zu privatisieren. Da das Wasser aber alle brauchen - daher meine Frage: ist die Privatisierung des Wasserhandels ein weiterer Versuch, den Geldbeutel des Bürgers für das vermeintliche Allheilmittel "Wirtschaftswachstum" zu beanspruchen, da der Bürger gegenwärtig die Binnenkonjunktur durch den Verzicht auf einen permanenten neuen Autokauf nicht gerade ankurbelt? Was ist der Hintergrund der Überlegung, das Wasser zu privatisieren?

In diesem Zusammenhang erlauben Sie mir noch eine letzte ironische Frage: Wann kommt auch "endlich" eine Geldabgabe für jeden getätigten Atemzug?

Gruß randy scholz

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrte Frau Scholz,

vielen Dank für Ihre Nachfrage bezüglich des von der EU Kommission vorgelegten Entwurfs einer Richtlinie über die Konzessionsvergabe.

Die bisherigen Beratungen und Ergebnisse verfolge ich im Hinblick auf die weiterhin vorgesehene Einbeziehung der Wasserversorgungsdienste sehr besorgt.
Bereits im März 2012 hat der Bundesrat seine Bedenken vorgebracht (BR-Drs. 874/11). Im Beschluss heißt es: "Der hohe und europaweit führende Qualitätsstandard des Trinkwassers in Deutschland ist in hohem Maße auf die von den Kommunen verantwortete Wasserversorgung zurückzuführen. Die Trinkwasserversorgung ist als wesentlicher Teil der Daseinsvorsorge nicht dem grenzüberschreitenden Dienstleistungsverkehr zugänglich; bei einer europaweiten Ausschreibung stünde vielmehr zu befürchten, dass die Qualität dieser Versorgung zum Nachteil der Versorger signifikant sinkt."

Aus meiner Sicht wird die Richtlinie bestenfalls bürokratischen Aufwand bedeuten, im schlimmsten Falle würde aber eine Entwicklung zur Beherrschung der Wasserversorgung durch wenige internationale Großunternehmen begünstigt.

Das Anliegen der EU-Kommission, einen internationalen Markt und Wettbewerb für Wasser als frei handelbare Ware einzuführen, steht konträr zur bisher auch auf der europäischen Ebene erfolgten Einstufung der Wasserversorgung als Teil der Daseinsvorsorge. Im Rahmen der Wasserrahmenrichtlinie hat die EU in Erwägung 1 festgeschrieben: „Wasser ist keine übliche Handelsware, sondern ein ererbtes Gut, das geschützt, verteidigt und entsprechend behandelt werden muss.“ Damit besteht ein eklatanter Widerspruch zwischen der Wasserrahmenrichtlinie und der vorliegenden Initiative.

Zudem räumt der Vertrag von Lissabon den nationalen, regionalen und lokalen Behörden einen weiten Spielraum bei der Erbringung, Auftragsvergabe und Organisation von Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse bei der Daseinsvorsorge für die Bürgerinnen und Bürger ein. Traditionell ist die Wasserversorgung daher auch eine kommunale Aufgabe im Rahmen der in Deutschland nach Artikel 28 Absatz 2 des Grundgesetzes besonders geschützten kommunalen Selbstverwaltung. In Baden-Württemberg gibt es ca. 980 rein kommunalen Wasserversorgungsunternehmen (entsprechend einem Anteil von 74%).

Auch bei der Betrachtung der Kosten für die Verbraucher finden sich keine Argumente, die für eine De-Kommunalisierung sprechen. Der Wasserpreis (ohne Grundgebühr) liegt in Baden-Württemberg bei durchschnittlich 1,81 €/m³, bei rein kommunal geführten Unternehmen bei 1,76 €/m³, bei Unternehmen in privater Rechtsform mit bis zu 50% privater Beteiligung bei 2,01 €/m³.

Wenn die Konzessionen künftig ab einem bestimmten Schwellenwert europaweit ausgeschrieben werden müssten, würden auch vorgesehene Ausnahmeregelungen bei den derzeit in Deutschland üblichen Strukturen der Mehrsparten-Stadtwerke und auch bei den kommunalen Zweckgesellschaften nicht greifen. Die Konsequenz wäre eine Auflösung der bewährten kommunalen Strukturen.

Im Grundsatz stimme ich dem Ansatz der EU Kommission zu, auf EU-Ebene eine Konzessionsrichtlinie einzuführen. Durch die Richtlinie sollen einheitliche Ausgangsbedingungen sichergestellt werden, um einen freien Waren- und Dienstleistungsverkehr in allen 27 Mitgliedsstatten zu garantieren.
Da Wasser aber wie ausgeführt keine Handelsware ist, setze ich mich weiterhin dafür ein, dass der Wassersektor aus dem Anwendungsbereich der Richtlinie heraus genommen wird.

Mit freundlichen Grüßen
Franz Untersteller