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Franz Thönnes
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Frage von Arne H. •

Frage an Franz Thönnes von Arne H. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Thönnes,

in der taz lese ich im Artikel "Gabriel und die Vorratsdatenspeicherung" ( http://taz.de/Gabriel-und-die-Vorratsdatenspeicherung/!157661/ ) das Herr Gabriel behauptet, das die NSU-Morde mit Vorratsdatenspeicherung nicht passiert, bzw. früher gestoppt und aufgeklärt worden wären.

Wie stehen sie zu der Aussage?

Glauben sie, das Vorratsdatenspeicherung ein wirksames Mittel zur Bekämpfung von Kriminalität allgemein ist?

Bei der Vorratsdatenspeicherung werden ohne Anlass Daten über uns Bürger gesammelt. Wie passt ihrer Ansicht nach die Unschuldsvermutung mit der Vorratsdatenspeicherung zusammen?

Mit freundlichem Gruß

Arne Hofmann

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Hofmann,

vielen Dank für Ihre Anfrage auf Abgeordnetenwatch.de.

Ob die NSU-Morde mit Hilfe der Vorratsdatenspeicherung hätten verhindert werden können, kann ich nicht bewerten. Auch Sigmar Gabriel schränkt seine Aussage mit dem Wort „vermutlich“ ein.

Grundsätzlich hatten CDU/CSU und SPD im Koalitionsvertrag beschlossen, dass Deutschland die Vorratsdatenspeicherung entsprechend der europäischen Richtlinie und nach den strengen Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) umsetzen sollte.

Nachdem die EU-Kommission angekündigt hat keine neue Vorlage zu erarbeiten, wurde das Thema nochmals intensiv diskutiert und am 15. April hat Bundesjustizminister Heiko Maas Leitlinien zur Einführung einer Speicher- sowie einer Höchstspeicherfrist für Verkehrsdaten vorgelegt.

Mit dem Vorschlag wird eine eng begrenzte Pflicht für alle Telekommunikationsanbieter (TK-Anbieter) zur Speicherung von wenigen, genau bezeichneten Verkehrsdaten unter Ausnahme von Diensten der elektronischen Post – also E-Mail – eingeführt. Oberste Richtschnur aller Überlegungen sind für uns die strengen Vorgaben des BVerfG sowie des Europäischen Gerichtshofes (EuGH). Der aktuelle Entwurf ist viel restriktiver für die Behörden als das vom BVerfG aufgehobene, ehemalige Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung, sowie als die aufgehobene europäische Richtlinie und auch viel restriktiver als CDU/CSU es wollen.

Die Vorratsdatenspeicherung wird aber auf dieser Grundlage in Zukunft einen Beitrag bei der Verfolgung schwerster Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit und die sexuelle Selbstbestimmung leisten. Es steht hierbei außer Frage, dass mit ihr zunächst einmal sogenannte „Ersttaten“ wohl nicht unbedingt verhindert werden können. Sie ist so angelegt, dass auf die Daten per Richterbeschluss erst im Ermittlungsverfahren, also nach einer Straftat, zugegriffen werden darf. Wenn es uns auf diese Weise aber gelingt schwere Delikte aufzuklären sowie Unterstützer und Mitwisser ausfindig zu machen, können eventuell weitere kriminelle Aktionen verhindert und die Strafverfolgung befördert werden.

In den Leitlinien des Bundesjustizministers ist folgendes konkret vorgesehen:

- Gespeichert werden müssen nur genau bezeichnete Verkehrsdaten, die bei der Telefonkommunikation anfallen (Rufnummer, Beginn und Ende des Telefonats, im Fall von Internet-Telefondiensten auch die IP-Adressen). Diese Daten sollen zehn Wochen gespeichert werden.

- Für die Bezeichnung der Funkzellen, die durch den anrufenden und den angerufenen Anschluss bei Beginn der Verbindung genutzt werden, gilt eine deutlich kürzere Speicherfrist von vier Wochen. Diese kurze Frist ist vorgesehen, weil über Funkzellendaten der Aufenthaltsort des Mobilfunknutzers bestimmt werden kann und wir nicht wollen, dass Bewegungs- und Persönlichkeitsprofile erstellt werden können. Zusätzlich muss im richterlichen Anordnungsbeschluss einzelfallbezogen begründet werden, warum der Abruf erforderlich und angemessen ist. Anders als etwa in Frankreich dürfen Kommunikationsinhalte und aufgerufene Internetseiten nicht gespeichert werden.

- Um die Grundrechte der Betroffenen auf Datenschutz und Schutz ihrer Privatsphäre zu wahren, ist der Datenabruf nur zur Verfolgung von schwersten Straftaten möglich. Daten von Berufsgeheimnisträgern wie Journalisten, Anwälten oder Ärzten unterliegen einem Verwertungsverbot. Dies gilt auch bei Zufallsfunden.

- Wichtig ist, dass der Zugriff auf die gespeicherten Daten transparent und restriktiv geregelt ist: Es gibt einen strengen Richtervorbehalt, d.h. nur auf richterlichen Beschluss hin dürfen

Ermittlungsbehörden die Daten abrufen und es gibt keine Eilkompetenz der Staatsanwaltschaft oder der Polizei. Im Vergleich zu der vom BVerfG verworfenen Regelung zur Vorratsdatenspeicherung ist der von Minister Maas vorgelegte Straftatenkatalog deutlich reduziert worden. Darüber hinaus müssen die Betroffenen grundsätzlich über jeden Abruf informiert werden. Nach Ablauf der Speicherfrist von zehn bzw. vier Wochen müssen die gespeicherten Informationen gelöscht werden. Verstöße dagegen oder die Weitergabe von Daten haben strenge Sanktionen für die Diensteanbieter zur Folge.

- Die Leitlinien enthalten zudem eine datenschutzrechtliche Verbesserung zur geltenden Rechtslage: Das Gesetz wird die Befugnis der Ermittlungsbehörden zum Abruf der genannten Daten abschließend regeln. Speichert ein TK-Anbieter die Daten über den verpflichtend vorgegebenen Zeitraum auf Grund einer anderen Rechtsgrundlage, z.B. zu Zwecken der Vertragserfüllung, weiterhin, so ist der Abruf nach diesem Gesetz dennoch nach Ablauf der 10 bzw. 4 Wochen untersagt.

- Um die Sicherheit der gespeicherten Daten zu gewährleisten, werden die Diensteanbieter zudem verpflichtet, diese zu schützen. Auch müssen die hierfür genutzten Server in Deutschland stehen. Wenn ein TK-Anbieter mit den gespeicherten Daten Handel treibt und diese unbefugt an Dritte weitergibt, ist dies zukünftig eine Straftat nach dem neu zu schaffenden Tatbestand der Datenhehlerei.

Die Vorlage ist eine akzeptable Grundlage für die weitere Debatte und das anstehende parlamentarische Verfahren. Die SPD-Bundestagsfraktion wird dafür Sorge tragen, dass sich die obigen Grundsätze ohne Ausnahmen und Abstriche auch in den gesetzlichen Detailregelungen wiederfinden. Wir arbeiten daran, dass am Ende ein ausgewogener Kompromiss steht. Deutschland hätte damit zugleich die strikteste Regelung zur Speicherung von Verkehrsdaten in ganz Europa.

Mit freundlichen Grüßen
Franz Thönnes