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Frage von Gerhard S. •

Frage an Frank Zimmermann von Gerhard S. bezüglich Arbeit und Beschäftigung

Sehr geehrter Herr Zimmermann,

welche Strategien verfolgt Ihre Partei, die SPD, in der Arbeitsmarktpolitik für die nächste Legislaturperiode, um die Arbeitslosenquote zu senken?

MfG

Gerhard Steitz

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SPD

Sehr geehrter Herr Steitz,

vielen Dank für die anspruchsvolle Frage, ist doch die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit im Bund wie in den Ländern die größte politische Herausforderung.

Es gibt kein Patentrezept für die Schaffung von Arbeitsplätzen. Zudem kann der Stadtstaat Berlin allein keine Wende auf dem Arbeitsmarkt bewirken, wenn sich die gesamtwirtschaftlichen Daten nicht bessern. Berlin kann aber seinen Teil dazu beitragen, dass die wirtschaftlichen Entwicklungspotenziale der Stadt ausgeschöpft werden - und tut dies auch.

Senat und Abgeordnetenhaus haben in den vergangenen Jahren die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen entscheidend verbessert. Einige Beispiele: Die Verwaltung wird modernisiert und zu einem serviceorientierten Partner für Unternehmen weiterentwickelt. Investoren haben künftig eine Anlaufstelle für Antragsverfahren. Berlin zeichnet sich durch schnelle und großzügige Genehmigungsverfahren in wichtigen Branchen wie etwa der Medienwirtschaft aus. Viele investitionshemmende Vorschriften sind gestrichen worden.

Zahlreiche Unternehmensansiedlungen zeigen, dass sich die Attraktivität des Wirtschaftsstandorts Berlin deutlich erhöht hat. MTV, Universal, SAP, Sparten von Bertelsmann, BASF, Kraft Foods sowie die Zentralen von SONY, Toll Collect und Bombardier haben tausende neue Arbeitsplätze in der Stadt geschaffen. Traditionsunternehmen wie Schering, Berlin Chemie, Siemens, Lufthansa und die Deutsche Bahn haben sich hervorragend entwickelt. Diese positven Tendenzen haben den Arbeitsplatzabbau in der Industrie zwar noch nicht kompensieren können, aber sie beweisen, dass Berlin auf dem richtigen Weg ist. Der Bau des neuen Flughafens BBI wird weitere Impulse für die Wirtschaft geben.

In der Kreativindustrie der Branchen Kommunikationstechnologie, Kulturwirtschaft, Medien, Design und verwandten Bereichen ist Berlin auch international Trendsetter. Diese Branchen wachsen und schaffen zusätzliche Arbeitplätze. Der Senat arbeitet gemeinsam mit Fördereinrichtungen an dem Profil als Standort der vernetzten Branchen, der für neue Unternehmen und damit für neue Investitionen hochattraktiv ist.

In seinen bekannten und ausgewiesenen Kompetenzfeldern der Medizintechnik, der Gesundheitswirtschaft, der Biotechnologie und der Verkehrswirtschaft ist Berlin führend. Die Forschungs- und Wissenschafts- netzwerke schaffen als Partner von Mittelstand und Industrie Arbeitsplätze für die Region.

Nicht zuletzt der boomende Tourismus ist ein wichtiger Wirtschaftsfaktor für Berlin, dessen Bedeutung zunimmt.

Die Wirtschaftspolitik, die auf die Stärken Berlins setzt, muss ergänzt werden durch eine aktive Arbeitsmarktpolitik, die alle wirksamen Instrumente der Beschäftigungsförderung nutzt. Gezielte Hilfen für ältere und jugendliche Arbeitssuchende, Qualifizierung, Lohnkostenzuschüsse, Investitionsförderung und günstige Kredite insbesondere für kleinere Unternehmen sind nur einige Beispiele dafür. Ein öffentlich geförderter Beschäftigungssektor ist gerade für Berlin unverzichtbar. Er ist für gering Qualifizierte oftmals die einzige Chance auf Beschäftigung.

Eine nachhaltige Bekämpfung der Arbeitslosigkeit kann jedoch nicht auf Landesebene erzwungen werden. Dazu bedarf es vielmehr einer Neuausrichtung der Wirtschafts- und Finanzpolitik auf Bundes- und Europaebene:

1.Lohnverzicht benden

Die deutsche Wirtschaft ist in den vergangenen fünfzehn Jahren im Durchschnitt um 270 Mrd. € jährlich gewachsen. Davon ist bei den Arbeitnehmern jedoch kein Cent angekommen. Die Realeinkommen der abhängig Beschäftigten sind gegenüber 1990 um knapp 1% gesunken, während sie in allen anderen EU-Ländern gestiegen sind. Doch der Lohnverzicht war vergebens. Er hat den Anstieg der Arbeitslosigkeit nicht verhindert. Die Reallöhne müssen wieder steigen. Großbritannien und Frankreich haben mit gesetzlichen Mindestlöhnen gute Erfahrungen gemacht.

2. Konjunkturfeindliche Umverteilung stoppen

Die Einkommens- und Vermögensverteilung in Deutschland wird ein immer größeres Hindernis für die notwendige Belebung der Binnenkonjunktur. Die Armut nimmt zu. 13,5% oder 12 Millionen Menschen in Deutschland gelten als arm, Tendenz steigend. Gleichzeitig haben die privaten Vermögen im Jahre 2004 erstmals die Gesamtsumme von vier Billionen € überschritten. Davon entfällt auf die oberen 10% der Bevölkerung die Hälfte, auf die unteren 50% ein Anteil von 4%. Die wachsenden Geldvermögen treiben die Sparquote in die Höhe. Die Ersparnisse fließen überwiegend in Bankeinlagen und Versicherungsprodukte und sind damit dem Konsum dauerhaft entzogen. Wird die Umverteilung von unten nach oben nicht wenigstens gestoppt, so schwächt dies weiter die Massenkaufkraft.

3.Finanzgrundlagen des Staates erhalten - Kleine und mittlere Unternehmen stärken

Die Unternehmensteuerreform von 2000 hat die Kapitalgesellschaften von 2001 bis 2004 um insgesamt 50 Mrd. € entlastet. Das Aufkommen aus der Körperschaftsteuer 2001 war null. Unterdessen bringen es die Kapitalgesellschaften auf versteuerte Rücklagen von 180 Mrd. € (2005). Ziel der Steuerentlastung für die großen Unternehmen war es, ihre Wettbewerbsfähigkeit zu stärken in der Hoffnung auf zusätzliche Arbeitsplätze. Diese Hoffnung hat sich nicht erfüllt. Eine erneute Senkung der Körperschaftsteuer würde erneut Milliarden kosten. Eine positive Wirkung auf den Arbeitsmarkt ist nach den Erfahrungen der letzten Jahre äußerst fraglich. Die "Erosion der Kapitalbesteuerung" (EU-Kommission) muss beendet werden, indem auf eine weitere Senkung der Steuersätze bei der Körperschaftsteuer verzichtet wir und stattdessen die Betriebe gestärkt werden, die allein zusätzliche Arbeit schaffen können: Kleine und mittlere Unternehmen. Öffentliche Investitionen mit Aufträgen für mittelständische Betriebe, halber Mehrwertsteuersatz für das Handwerk und günstige Betriebsmittelkredite gepaart mit einer gestärkten Binnennachfrage (s.o.) könnten für Bewegung am Arbeitsmarkt sorgen.

4. Wachstumsprogramm für Bildungsinfrastruktur

Die EU und die OECD stellen fest: Deutschland investiert im internationalen Vergleich zu wenig in die Bildung. Die Befürworter höherer staatlicher Investitionen in Bildungsinfrastruktur werden zu Recht immer lauter. Dabei müssen bildungspolitische und arbeitsmarktpolitische Zielen miteinander verknüpft werden. Der riesige Investitionsbedarf der Städte für die Sanierung, den Ausbau und die qualitative Verbesserung der öffentlichen Bildungseinrichtungen muss erfüllt werden, zum Beispiel bei der Ganztagsbetreuung für Kinder. Die positiven Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt sind in Frankreich zu besichtigen. Ziel muss es sein, Kinder von Geburt an in Krippen, Kitas und Grundschulen ganztägig betreuen zu können und - wie in Frankreich - den Müttern eine schnellere Rückkehr in den Beruf zu ermöglichen. Die Kosten für ein solches Programm von bundesweit 12 Mrd. € jährlich sind Zukunftsinvestitionen nicht nur in die Bildung der Kinder. Wenn alle Frauen, die dies wünschen, nach der Geburt ihres Kindes wieder arbeiten würden, könnten die öffentlichen Haushalte nach Berechnungen des DIW 15 Mrd. € mehr Steuern und Sozialabgaben einnehmen. Ein solches Programm hätte also nicht nur positive bildungs-, sondern auch arbeitsmarkt-, gleichstellungs- und finanzpolitische Effekte.

Mit freundlichen Grüßen
Frank Zimmermann