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Frage von Aniko K. •

Frage an Frank Henkel von Aniko K. bezüglich Soziale Sicherung

Sehr geehrter Herr Henkel,

seit einiger Zeit beschäftige ich mich mit dem SGB II und der damit verbundenen beabsichtigten Absicherung des menschenwürdigen Existenzminimums. Mich interessiert dabei besonders die Auswirkung auf den Einzelnen und auf die Gesellschaft. In diesem Zusammenhang habe ich einige Einzelschicksale kennengelernt und studiere seit 2005 Statistiken, die auf eine starke Verunsicherung einer breiten Bevölkerungsmasse schließen lassen. Dauerhafte Existenzängste wirken nicht aktivierend, sondern sehr schädlich auf das menschliche Gehirn.

Am 9. Februar 2010 gab es zum SGB II ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts bzgl. der Berechnungsgrundlage der Hartz4-Regelsätze.
http://www.bundesverfassungsgericht.de/entscheidungen/ls20100209_1bvl000109.html

Aus dem Urteil resultierte eine Neuberechnung der Regelsätze. Aus den Leitsätzen des Gerichts geht hervor, dass das Grundrecht auf ein menschenwürdiges Existenzminimum eigenständige Bedeutung hat. Deshalb sind aus meiner Sicht § 31, SGB II, Absenkung und Wegfall des Arbeitslosengeldes II und § 32, SGB II, Absenkung und Wegfall des Sozialgeldes ebenfalls verfassungswidrig. Das Grundrecht auf ein menschenwürdiges Existenzminimum wird ganz klar verletzt, da eine praktizierte Absenkung des Existenzminimums die eigenständige Bedeutung unzulässig aufhebt. Auch wenn das damalige Verfahren die Sanktionsparagrafen (§ 31 und 32, SGB II) nicht beleuchtet hat, kann die Argumentation leicht abgeleitet werden.

Ich manchen Fällen wurden bereits Lebensmittelkarten ausgegeben, wenn durch Sanktionen das Existenzminimum auf Null gesetzt wurde. Dies stellt ebenfalls kein menschenwürdiges Existenzminimum im Sinne des Grundgesetzes dar. Ganz zu schweigen von der Bedrohung durch Obdachlosigkeit. Außerdem stellt sich die Frage, wie die ständige negative Nachrichtenlage auf die Bevölkerung insgesamt wirkt.

Ist Ihnen bewusst, dass die Sanktionsparagrafen einen starken existenzbedrohenden Charakter besitzen?

MfG

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Antwort von
CDU

Sehr geehrte Frau Kleehammer,

die von Ihnen angesprochenen Sanktionsparagrafen des SGB II sind hundertfach ausgeurteilt, so dass mir die von Ihnen vermutete Verfassungswidrigkeit nicht recht schlüssig erscheint. Aber auch inhaltlich kann ich Ihre Auffassungen hinsichtlich des § 31 ff SGB II nicht teilen. Sanktionen sind ein Aspekt des Forderns und Förderns. Sie sollen die Betroffenen dazu bewegen, ihre Mitwirkungspflichten, die übrigens ein bewährtes Prinzip im deutschen Sozialrecht sind, ernst zu nehmen. Vor diesem Hintergrund ist der § 31 auch so formuliert, dass flexibel auf den Einzelfall eingegangen werden kann und auch der Hilfeempfänger die Möglichkeit hat, dazu beizutragen, dass Sanktionen gar nicht erst in Kraft treten. Das zeigt auch die gängige Praxis. So wurden nach dem Arbeitsmarktbericht der Bundesagentur für Arbeit im Jahr 2010 mehr als 800.000 Versäumnisse festgestellt, davon wurden jedoch nur 17% mit Sanktionen belegt. Das ist eine Sanktionsquote von 4,5% bezogen auf alle Arbeitslosen aller Bundesländer. Wer sich bewusst und wiederholt aller Mitwirkungspflichten entzieht, kann nicht auf die anhaltende Solidarität der Allgemeinheit setzen.

Meine Eindrücke von den Ansichten der „breiten Bevölkerungsmasse“ sind übrigens ganz andere. Da wird nämlich auch die Frage nach dem Verhältnis des Regelsatzes zum Erwerbseinkommen gestellt. Das möchte ich Ihnen am Beispiel einer Berliner Durchschnittsfamilie mit zwei Kindern von 5 und 7 Jahren vorrechnen: Eine solche Familie verfügt durch die Regelsätze monatlich über 1.122 Euro netto. Dazu kommt die Miete von bis zu 542 Euro sowie Hilfen über das Bildungspaket und Ermäßigungen über den Berlinpass und das 3-Euro-Kulturticket. Um den Gesamtnettobetrag von 1.664 Euro erzielen zu können, muss ein Erwerbstätiger ein Brutto von rund 2.600 Euro verdienen, das bedeutet mehr als 15 Euro Stundenlohn Brutto in Vollzeit. Für die entsprechende Existenzsicherungsleistung der Allgemeinheit kann die Allgemeinheit auch die Erledigung einiger Pflichten verlangen.

Die Regelsätze sind übrigens innerhalb von 4 Jahren durch die CDU-geführte Bundesregierung 3-mal erhöht worden, die nächste Erhöhung steht noch dieses Jahr bevor. Das ist eine Leistung, die uneingeschränkt Anerkennung anstatt Kritik verdient, denn sie wird von allen Bürgerinnen und Bürgern mitfinanziert.

Mit freundlichen Grüßen

Frank Henkel