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Florian Toncar
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Frage von Katharina B. •

Frage an Florian Toncar von Katharina B. bezüglich Arbeit und Beschäftigung

Sehr geehrter Herr Toncar,

wie ist Ihr Standpunkt zu Leiharbeit, Zeitarbeit und Werkverträgen?

Mit freundlichen Grüßen
Katharina Borsi

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Antwort von
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Sehr geehrte Frau Borsi,

vielen Dank für Ihr schreiben zu dem Themen Leiharbeit, Zeitarbeit und Werkverträge.

Da Leiharbeit und Zeitarbeit den selben Sachverhalt bezeichnen, werde ich im folgenden den Begriff Zeitarbeit verwenden.

Für die Unternehmen ist sie ein wichtiges Instrument, um bei einer unsicherer Auftragslage Kapazitätsanpassung vornehmen zu können und flexibel auf Konjunkturentwicklungen reagieren zu können. Für die Arbeitnehmer bietet die Zeitarbeit gerade denjenigen eine Einstiegschance am Arbeitsmarkt mit einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung, die es sonst sehr schwer hätten. In der Frühphase des letzten Aufschwungs sind bis zu 75 Prozent der neuen Arbeitsplätze in der Zeitarbeit entstanden. Viele zunächst entliehene Arbeitnehmer werden in der Folge vom Entleiher übernommen und finden dort eine Festanstellung. Rund zwei Drittel derjenigen, die in der Zeitarbeit einen Job finden, kommen direkt aus der Arbeitslosigkeit. Auch für gering Qualifizierte bietet die Zeitarbeit daher eine wichtige Chance: Rund 40 Prozent der in der Zeitarbeit Beschäftigten haben keine Berufsausbildung. Diese Menschen hätten es ohne Zeitarbeit am Arbeitsmarkt sehr schwer. Zwischen 2005 und 2008 hatte die Zeitarbeit am Aufbau sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung einen Anteil von 20 Prozent. Auch aktuell erweist sich die Zeitarbeit im Aufschwung einmal mehr als Jobmotor: Jede dritte Stelle am ersten Arbeitsmarkt kommt aus der Zeitarbeit. Deshalb wollen wir die Zeitarbeit als flexibles Instrument am Arbeitsmarkt und als Beschäftigungsmotor erhalten.

Zeitarbeit darf aber auf der anderen Seite kein Mittel zur Ersetzung von Stammbelegschaften oder für Lohndifferenzierung nach unten sein. Beispiele wie im Fall Schlecker, wo ganze Stammbelegschaften durch Zeitarbeitskräfte allein aus Gründen der Kostenersparnis ersetzt werden sollten, haben wir in dem Gesetz zur Verhinderung von Missbrauch der Arbeitnehmerüberlassung in der sogenannten „Anti-Schlecker-Klausel“ untersagt, um Missbrauch bei konzerninternen Überlassungen auszuschließen. Damit wird verhindert, dass Arbeitnehmer entlassen werden und als Leiharbeitnehmer wieder in ihrem ehemaligen Unternehmen oder einem anderen Unternehmen desselben Konzerns zu schlechteren Arbeitsbedingungen eingesetzt werden (sog. Drehtürklausel).

Desweiteren haben wir uns mit dem Koalitionspartner darauf verständigt, in der Zeitarbeit eine Lohnuntergrenze im Arbeitnehmerüberlassungsgesetz einzurichten. Dort gilt bereits der Gleichstellungsgrundsatz (Equal Pay, Equal Treatment), wonach Zeitarbeitnehmern die gleichen wesentlichen Arbeitsbedingungen zu gewähren sind wie vergleichbaren Mitarbeitern der Stammbelegschaft des Einsatzbetriebes. Von diesem Grundsatz kann nur aufgrund eines Tarifvertrags abgewichen werden. Neu ist, dass auch dieses Abweichen nur bis zu einer bestimmten Lohnuntergrenze erlaubt sein soll, die von den Tarifvertragsparteien ausgehandelt wird. Erst vor kurzem haben sich die Tarifvertragsparteien ab dem 1. Januar 2014 auf einen Mindestlohn von 8,50 Euro im Westen und 7,80 Euro im Osten geeinigt. Wichtig war uns Liberalen dabei die Regelung, dass auch ausländischen Zeitarbeitnehmern mindestens diese in Deutschland geltenden Lohnuntergrenze gezahlt werden muss.

Die Tarifpartner haben sich zudem eigenständig auf sogenannte "Branchenzuschläge" geeinigt. Das bedeutet, dass in vielen Branchen wie zum Beispiel der Metall- und Elektro-, Chemie-, Textil und Bekleidungsbranche jeder Zeitarbeitnehmer einen Zuschlag auf sein Gehalt erhält, gestaffelt nach seiner Verweildauer im Einsatzunternehmen. So findet eine Angleichung an Equal Pay statt. Zudem haben wir uns erfolgreich dafür eingesetzt, dass die Gesetzeslage in Deutschland 1:1 an die EU-Leiharbeitsrichtlinie angepasst wird.

Heute gelten für Erwerbstätige in der Zeitarbeit die gleichen Regeln zum Kündigungsschutz, zum Urlaubsanspruch oder im Krankheitsfall wie bei jeder anderen sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung auch. Außerdem besteht auch in verleihfreien Zeiten das Beschäftigungsverhältnis und es wird natürlich auch das Gehalt gezahlt, wenn die Arbeitnehmer selber gar nicht zur Arbeit gehen. Darüber hinaus gibt es in der Zeitarbeitsbranche viele Weiterbildungsangebote, damit die Mitarbeiter sich in ihrer einsatzfreien Zeit qualifizieren können - z. B. mit einem Gabelstaplerführerschein. Die Kosten für diese Qualifizierungen werden komplett von dem Zeitarbeitgeber übernommen.

Zum Thema Werksverträge ist zu sagen, dass dies eine weitverbreitete Vertragsform ist, die in unserer arbeitsteiligen Wirtschaft von großer Bedeutung ist. Mit einem Werkvertrag kauft eine Privatperson oder ein Unternehmen eine vertraglich festgelegte Leistung extern ein. Für die Zulieferbranche der Automobilindustrie ist der Werkvertrag zum Beispiele eine gängige und standartmäßige Vertragsform. Die Unternehmen müssen entscheiden, welche Leistungen sie selbst erbringen wollen und welche sie sich durch externe Expertise in den Betrieb holen wollen.

Der Missbrauch dieser Vertragsform zum Beispiel über Scheinselbstständige ist bereits heute gesetzlich verboten. Arbeitnehmer über einen Werksvertrag in ein Unternehmen zu holen, die dann dieselbe Arbeit wie die Festangestellten verrichten und dabei genauso weisungsgebunden sind, ist nicht zulässig. Ich sehe daher hier keinen weiteren Gesetzgebungsbedarf.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Florian Toncar, MdB

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