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Florian Toncar
FDP
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Frage von Marko N. •

Frage an Florian Toncar von Marko N. bezüglich Recht

Dem Programm Ihrer Partei kann man schön deren politische Zielsetzung entnehmen. Mit der Verhinderung gesetzlicher Mindestlöhne (die angeblich die Kaufkraft einschränken sollen) und der gesetzlichen Öffnung der Flächentarifverträge und eines Abbaus des Kündigungsschutzes schafft Ihre Partei den Arbeitgebern die Voraussetzungen dafür, die Arbeitnehmer mit drohender Kündigung oder Verlagerung in den Billiglohnsektor zu drängen. Gleichzeitig verlangen Sie von den Bürgern mehr private Altersvorsorge. Die 10% deutscher Bürger, die über 90% des Deutschen Kapitals verfügen, haben für ihr Alter (zumeist seit Generationen) bereits vorgesorgt. Die 10.000.000 Deutschen, die statistisch zu den Armen zählen, sowie weitere 50% der Deutschen, die nahezu ihr gesamtes Einkommen in die Kosten für die Lebenshaltung investieren müssen, werden mit diesen Maßnahmen ärmer, als sie es jetzt schon sind. In keinem Fall aber werden sie auch nur einen Cent mehr in der Tasche haben. Was glauben Sie wohl, wie sich das auf die Kaufkraft auswirken wird. "Autos kaufen keine Autos", sagte Henry Ford, als er den Lohn seiner Mitarbeiter deutlich erhöhte. Von solchen Weisheiten ist Ihre Partei weit entfernt. Ihre Partei fordert eine längere Lebensarbeitszeit. Einer längeren Wochenarbeitszeit stehen Sie sicher auch positiv gegenüber. Doch egal, wie man die Arbeitszeit auch immer verlängert, es kommt doch immer dasselbe dabei heraus. Es werden entweder noch mehr Produkte durch dieselbe Zahl von Arbeitnehmern gefertigt, oder die gleiche Zahl von Produkten durch weniger Arbeitnehmer. Jedenfalls gibt es keinen nachvollziehbaren Anlass für den Irrglauben, die Wirtschaft würde, von solchen Maßnahmen beflügelt, noch mehr Arbeitsplätze schaffen und die Produktion damit verstärken. Wer um alles in der Welt soll die ganzen Produkte noch kaufen und mit welchem Geld überhaupt? Diejenigen, die Sie mit der Wiederherstellung des Bankgeheimnisses, der Reduzierung der Arbeitgeberanteile an den Lohnnebenkosten, der Senkung der Untenehmenssteuern, der Abschaffung von Gewerbe- und Vermögenssteuer für ihre Investitionszurückhaltung belohnen, werden die vielen Produkte sicher nicht kaufen. Man kann nunmal immer nur ein Auto fahren, egal wieviel Geld man hat! Auch kann man immer nur so viel essen, bis das Essen von selbst wieder raus kommt. Hat Ihre Partei (wie die anderen großen Volksparteien) denn immer noch nicht kapiert, dass in Deutschland allein der Binnenmarkt kränkelt und man diesen nur damit stärken kann, dass man die Kaufkraft anhebt? Mit den geplanten Maßnahmen Ihrer Partei geht das sicher nicht. Diesen Weg geht Deutschland nun schon seit 20 Jahren. Besser geworden ist dabei gar nichts. Daran wird sich auch nichts ändern, wenn man diesen Weg noch schneller beschreitet!

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Antwort von
FDP

Sehr geehrter Herr Neuwirth,

vielen Dank für Ihre Frage und das Interesse an meinen Positionen. Ich will kurz abschnittsweise auf die angesprochenen Themen eingehen:

1.) Arbeitsmarkt
Sie setzen sich mit den Positionen der FDP zu Kündigungsschutz, Flächentarifvertrag und Mindestlohn auseinander. Dabei unterstellen Sie, es ginge darum, Menschen in den Billiglohnbereich zu drücken. Das Gegenteil ist richtig. Es geht darum, Menschen aus der Arbeitslosigkeit rauszuholen und es geht darum, Menschen vor Arbeitslosigkeit zu bewahren.
Kündigungsschutz führt in mittelständischen Betrieben dazu, dass oft von vornherein auf Neueinstellungen verzichtet wird. Stattdessen greifen Betriebe zu Überstunden oder Rationalisierung. Daher ist der bestehende Kündigungsschutz ein Jobvernichtungsprogramm. Die Schweiz hat keinen Kündigungsschutz und eine wesentlich niedrigere Arbeitslosigkeit.
Der Flächentarifvertrag kann heute nur ein grobes Raster für die Arbeitsbedingungen in den Betrieben sein. Auch Betriebe innerhalb einer bestimmten Branche sind höchst unterschiedlich - in Abhängigkeit etwa von Umsatz, Zahl oder Altersstruktur der Beschäftigten, geografischer Lage, Kundenstamm und vielem mehr. Die Wettbewerbsbedingungen sind nie die gleichen. Daher kommt es oft vor, dass Unternehmen durch Bestimmungen in Tarifverträgen vor große Probleme gestellt und Arbeitsplätze gefährdet werden. Was spricht also dagegen, dass man auf betrieblicher Ebene vom Tarifvertrag abweicht, wenn 75 % der Arbeitnehmer der Vereinbarung zustimmen? Wer heute stur am Korsett des Flächentarifvertrags festhält, der bewirkt doch nur eines: Dass Unternehmen aus ihren Arbeitgeberverbänden ausscheiden, um der Tarifbindung zu entgehen. Die Gewerkschaften werden sich fragen müssen, ob ihnen das lieber ist als ein flexibler, dezentrale Entscheidungen begünstigender Flächentarifvertrag.
Der Mindestlohn ist deshalb schädlich, weil er den Unternehmen einen Preis für die vom Arbeitnehmer geleistete Arbeit diktiert, den diese Arbeit nicht wert ist. Daher wird diese Arbeit auch nicht nachgefragt. Wir wollen aber möglichst viele Arbeitsplätze schaffen. Und auch eine Beschäftigung im Niedriglohnbereich trägt zum Einkommen bei. Außerdem hilft es dabei, im Arbeitsleben wieder Tritt zu fassen.
Die FDP hat jedoch ein überzeugendes Konzept, um sicherzustellen, dass die Betroffenen auch im Falle von gering bezahlter Arbeit ein auskömmliches Einkommen haben: Das Bürgergeld. Wenn dieses innovative sozialpolitische Konzept umgesetzt wäre, hätte sich jede Debatte um einen Mindestlohn ohnehin schnell erledigt.

2.) Lebensarbeitszeit und Rente
Ich will so viel private Altersvorsorge wie möglich. Sie sichert die Freiheit aller Bürger, mit ihrem Einkommen so umzugehen, wie sie es für richtig halten. Und sie ist die einzige Möglichkeit, angesichts einer sinkenden Zahl von Erwerbstätigen und einer drastisch steigenden Zahl von Rentnern eine stabile Altersversorgung aufrecht zu erhalten. Von mehr privater Altersvorsorge profitieren übrigens gerade Arbeitnehmer. Denn sie sind es doch, die mit ihren Beiträgen das Umlagesystem füttern, um am Ende als Rentner weniger ausbezahlt zu bekommen, als wenn sie all das Geld einfach auf einem Sparbuch angelegt hätten. Insofern ist jeder Euro, den Menschen in private Altersvorsorge anlegen, eine sinnvolle Investition und keine Zumutung. Damit mehr private Altersvorsorge möglich ist, kämpfen wir im übrigen darum, dass die Menschen mehr netto in der Tasche haben. Und diejenigen, die kein eigenes Einkommen haben, müssen zukünftig im Rahmen der Sozialhilfe bzw. des Bürgergeldes einen angemessenen Betrag erhalten, um Altersvorsorge betreiben zu können.
Eine Verlängerung der Lebensarbeitszeit ist richtig - durch kürzere Ausbildungszeiten, Wegfall der Wehrpflicht, höhere Wochenarbeitszeit und Rückführung der Frühverrentungspraxis. Zum einen ermöglicht dies die Vermögensbildung und schafft mehr Zeit für die Altersvorsorge. Zum anderen trägt es dazu bei, dass es sich wieder lohnt, Menschen zu beschäftigen. Denn die Investition in die Ausbildung von Menschen rentiert sich umso mehr, je länger diese Menschen tatsächlich arbeiten. Daher schafft die Verlängerung der Lebensarbeitszeit zusätzliche Arbeitsplätze und entlastet unsere Sozialsysteme enorm.

3.) Kaufkraft
Dass hohe Abgaben und andere investitionsfeindliche Maßnahmen auch nur einen Euro zusätzliche Kaufkraft hervorbrächten, ist ein Trugschluss, der nur mit Baron Münchhausens Versuch, sich am eigenen Schopf aus dem Sumpf zu ziehen, vergleichbar ist. Denn Vermögen vermehrt sich nicht durch Umverteilung - es bleibt allenfalls konstant.
Die FDP setzt sich dafür ein, dass die Menschen wieder mehr Kaufkraft haben: Durch niedrige Steuern und Abgaben bleibt den Bürgern mehr Geld in der Tasche - sowohl zum Investieren als auch zum Konsumieren. Und durch günstige Investitionsbedingungen und mehr privaten Konsum entstehen neue Jobs, die allesamt ihrerseits mit Kaufkraft ausgestattet sind. So wird ein Schuh draus!

Mit freundlichen Grüßen
Florian Toncar

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