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Florian Bernschneider
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Frage von Martin W. •

Frage an Florian Bernschneider von Martin W. bezüglich Wirtschaft

Sehr geehrter Herr Bernschneider,

ich habe ihre Rede zum Schlussbericht der Enquete Kommission „Wachstum, Wohlstand, Lebensqualität“ verfolgt. Ich bin sehr verwirrt darüber, wie weit ihre Position von haltbaren wissenschaftlichen Standpunkten entfernt ist.

Sie geben zu Protokoll: „Längst prägt aber der Aufbau von Wissen und nicht der Abbau von Ressourcen die wirtschaftliche Entwicklung in Deutschland.“

Wachstum und Energieversorgung, vor allem die Förderung von konventionellem Erdöl, sind eng gekoppelt. Ohne eine ständig wachsende Fördermenge ist ein Wachstum ausgeschlossen. Wachstum ist nicht Folge der „Folge von millionen Einzelentscheidungen“ oder die Folge des Aufbaus von Wissen, es ist im Wesentlichen ein Produkt des Umsatzes von Energie und Ressourcen in Produkte und Dienstleistungen durch die Wirtschaft.

Der „Hirsch Report“ des Energieministeriums der Bush Regierung (2005), die „Peak Oil“ Studie der Bundeswehr, die Veröffentlichungen der Internationalen Energie Agentur (IEA) und zahlreiche andere Veröffentlichungen wie z.B. der Kommentar in der „Nature“ von James Murray und David King vom 26.1.2012 weisen alle auf diese Problematik hin.

Wachstum bleibt nicht deshalb aus, weil Wachstumsskeptiker diese Entwicklung bevorzugen, sondern weil fundamentale physikalische Schranken uns ein Ende des Wachstums aufzwingen werden. Dies kann durch Marktmechanismen, Effizienzsteigerung oder Innovation nicht ausgeglichen werden ohne rechtzeitig Weichenstellungen durchzuführen, darin sind sich alle genannten Studien einig.

Sie beschreiben in Ihrer Rede eine Zukunft des Wachstums, die physikalisch nicht Möglich ist. Wie solle eine vernünftige Politik gestaltet werden wenn man diese Zusammenhänge ignoriert?

Warum konnten Sie trotz dreijähriger Beschäftigung mit diesem Thema keine Position finden die eine realistische Einschätzung der Zukunft wiederspiegelt und uns eine Chance gibt die Probleme der Zukunft zu bewältigen?

Gruß
Martin Weger

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Antwort von
FDP

Sehr geehrter Herr Weger,

ich möchte zunächst voranstellen, dass es uns in der rund dreijährigen Arbeit der Enquete-Kommission sehr wohl gelungen ist, „eine realistische Einschätzung der Zukunft“ zu finden. Wir sind uns in der Enquete-Kommission fraktionsübergreifend einig, dass wir zu einer absoluten Entkopplung von wirtschaftlichem Wachstum und Ressourcenverbrauch kommen müssen - und die Kollegin Judith Skudelny hat in ihrer Rede zum Enquete-Abschlussbericht diesen Konsens auch explizit erwähnt.

Wenn Sie sich insbesondere die Ergebnisse der mit diesem Thema speziell befassten Enquete-Projektgruppe 3 anschauen, werden Sie jedoch feststellen, dass es dabei nicht in erster Linie um die Entkopplung von Ressourcen im Sinne von Quellen (also Öl, Metalle, seltene Erden, etc.) geht. Vielmehr stehen wir vor der Herausforderung, wirtschaftliches Wachstum von der steigenden Inanspruchnahme von Ressourcen im Sinne von Senken (also Atmosphäre, Gewässer, etc.) zu entkoppeln. Das ist im Übrigen nicht nur die Haltung der FDP-Fraktion, sondern über die Fraktionsgrenzen hinweg deutliche Mehrheitshaltung in der Enquete gewesen: Nicht etwa die Knappheit einzelner Ressourcen sind die Kernherausforderung, sondern viel mehr die Schäden an Atmosphäre und Weltmeeren, die durch ihre Nutzung entstehen können.

Die von Ihnen zitierten Berichte und Kommentare stellen insofern bereits längst nicht mehr den Stand der Forschung zu diesem Thema wieder und verharren auf einer Annahme aus den 70er Jahren, in denen der Club of Rome die vermeintliche Endlichkeit der Ressourcen mit der Endlichkeit des Wachstums gleichsetzte. Diese Gleichung war jedoch bereits zu ihrer Entstehung fehlerhaft, was der Hauptautor der damaligen Studie „Die Grenzen des Wachstum“ Dennis Meadows in der Enquete-Sitzung vom 24.10.2011 selbst einräumen musste.

Allein der angenommene „Peak Oil“ musste in jeder Folgeauflage der Studie erneut verschoben werden - und es ist anzunehmen, dass dies durch die fortwährende Entdeckung neuer Öl- und Gasvorkommen sowie verbesserter Fördertechnologien auch bei zukünftigen Auflagen der Fall sein wird.

Es lassen sich unzählige Beispiele aufführen, die allesamt belegen, dass wir heute mit weniger Ressourceneinsatz mehr leisten können als noch vor einigen Jahren. Nehmen Sie als Beispiel nur die IT-Branche und ihre gestiegenen Leistungskapazitäten bei wesentlich geringerem Materialaufwand. Abfälle von gestern sind heute Rohstoffe für neue Produkte. Deswegen bleiben wir Liberale bei der Überzeugung: Die einfache Formel, dass begrenzte Rohstoffen begrenztes Wachstum ergeben, mag logisch klingen - sie ist aber falsch, weil sie einen wesentlichen Teil vergisst: Die Kreativität und den Fortschrittswillen des Menschen.

Die Positionen der FDP-Bundestagsfraktion und unserer Sachverständigen in der Enquete finden Sie auch im Positionspapier „Vielfalt, Fortschritt, Aufstiegschancen - Nachhaltiges Wachstum in der Sozialen Marktwirtschaft“
( http://www.fdp-fraktion.de/files/1228/Pos.Papier-Enquete_WachstumWohlstandLebensqualitaet.pdf ).
Die Lektüre dieses Papiers wird Ihnen zusätzlich verdeutlichen, dass wir Liberale keineswegs die Augen verschließen vor den Herausforderungen, die vor uns liegen, aber dabei zukunftsweisendere Antworten geben als viele Wachstumskritiker.

Mit freundlichen Grüßen

Ihr Florian Bernschneider