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Felix Martin
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Frage von Frederik S. •

Frage an Felix Martin von Frederik S. bezüglich Arbeit und Beschäftigung

Sehr geehrter Herr Martin,
wieso setzen Sie sich gegen das Logistikgebiet in Neu-Eichenberg ein? Gerade mit der Flüchtingspolitik der Grünen ist es doch nötig mehr Arbeitsplätze zu schaffen, oder sehen Sie das anders?
Mit freundlichen Grüßen
F. Schenk-Hadenberg

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Bündnis 90/Die Grünen

Lieber Herr S.,

das in Neu-Eichenberg geplante Logistikgebiet wird von vielen Seiten als Jobgarant angepriesen. Es wird von bis zu 1000 Arbeitsplätzen gesprochen. Wir Grüne kämpfen seit den ersten Planungen im Jahr 2002 gegen diese Pläne und haben zum Beispiel auch einen viel zitierten Bürgerentscheid seinerzeit mit organisiert. Ich will einige Gründe exemplarisch nennen:

- Schlecht für die Landwirtschaft
Das Logistikgebiet kann sich auf eine Fläche von bis zu 80 Hektar erstrecken, es wäre damit riesig und eines der größten in ganz Deutschland. Die geplante Fläche ist im Moment hochwertiger Ackerboden mit 85 Bodenpunkten. Diese würde vollkommen versiegelt und wäre als landwirtschaftliche Fläche nie wieder zu gebrauchen sein.

- Schlecht für die Umwelt
Geplant ist ein Logistikgebiet, das bedeutet: jede Menge Verkehr. Wir Grüne wollen Logistik endlich wieder mehrheitlich auf die umweltfreundlichere Schiene verlagern, nicht aber bis zu 2000 LKW's am Tag in Neu-Eichenberg sehen.

- Schlecht für die Bevölkerung
Das geplante Logistikgebiet würde teilweise sehr nah an den Wohnhäusern vor Ort stehen. Konkret bedeutet das: Bis zu 16 Meter hohe Hallen, Lärm, Schmutz, ununterbrochen Verkehr.
Im Gemeindeparlament versucht unsere Fraktion gerade, einerseits das Logistikgebiet zu verhindern, andererseits aber auch Verbesserungen für die Bevölkerung zu erreichen. Ganz anders SPD und CDU: Hier wiegen offenbar die Interessen der Bevölkerung geringer als die des Investors. Auf einmal darf fast die gesamte Fläche bebaut werden, einen Sicht- und Lärmschutzwall braucht es plötzlich nicht mehr, eine Umgehungsstraße wird es ebenso nicht mehr geben und auch der 24/7 Logistikbetrieb scheint kein Problem mehr zu sein.

- Schlecht geplant
Mit bis zu 2000 LKW's täglich die sich alle durch eine einzelne Einfahrt zwängen ist ein Verkehrschaos vorprogrammiert. Durch die Streichung der Umgehungsstraße aus dem Bundesverkehrswegeplan wird sich das in absehbarer Zeit auch nicht ändern. Alle LKW's müssen auf die B27 abbiegen und Vorfahrt gewähren. Das dauert mit einem PKW häufig schon länger, LKW's werden sich stauen und auch die B27 blockieren. Ein Radweg, der die Orte Hebenshausen und Eichenberg Bahnhof verbindet, fällt ersatzlos weg.

- Schlecht für die Region
Viele Bürgerinnen und Bürger aus Neu-Eichenberg haben Existenzängste. Sie wollen ihre Kinder nicht in einem Ort großziehen, der von einem riesigen Logistikgebiet dominiert wird. Gleichzeitig befürchten sie, dass ihre Immobilien deutlich an Wert verlieren und sie diese im Zweifel auch nicht verkauft bekommen würden. Die Lebensqualität der Menschen würde stark beeinträchtigt werden. Aber auch die, von Menschen aus der Umgebung, denn viele der LKW's würden auf ihrem Weg weitere Gebiete des Kreises durchqueren.

- Schlecht für den Tourismus
Der Werra-Meißner-Kreis ist für seine schöne Landschaft und seinen Umwelt-Tourismus bekannt. Verkehrschaos und natürlich auch eine verbaute Natur machen den in der entsprechenden Region zu Nichte.

- Unklare Zukunft
Der Investor, die Dietz AG, betreibt selbst keine Logistik. Er will das Gelände ausschließlich bebauen und dann an einen oder mehrere Betriebe vermieten. Ob und wer sich ansiedelt ist also vollkommen unklar. Auch, in welchem Gebiet der Logistik sich Betriebe bewegen. Klar ist nur: es wird kein produzierendes Gewerbe sein. Damit ist auch unklar, ob das Gebiet nicht nach der Bebauung mangels Nachfrage leer steht und der Ackerboden auch noch umsonst bebaut wurde.

Auf der Pro-Seite stehen vorrangig die Arbeitsplätze. Aber auch hier ist unklar, wie viele es werden könnten und vor allem, welche. Die potenziellen Logistikbetriebe die sich einmieten könnten würden voraussichtlich einen großen Teil ihrer Belegschaft mitbringen. Der Wohnungsmarkt in Neu-Eichenberg als kleine Gemeinde ist stark eingeschränkt, so dass viele der potenziellen Beschäftigen nicht nur nicht in der Gemeinde wohnen würden, sondern voraussichtlich im nahegelegenen Göttingen, also Niedersachsen. Von diesen Arbeitsplätzem hätte die Gemeinde deshalb kaum einen Vorteil. Über die Arbeitsplätze die dadurch wegfallen und die Einwohnerinnen und Einwohner die Neu-Eichenberg potenziell verlassen würden wird nicht gesprochen. Das Logistikgebiet ist und bleibt schlecht geplant und vor allem eine große Unbekannte.

Deshalb stehe ich Seite an Seite mit der Bürgerinitiative und vielen Engagierten, die vor Ort, teilweise seit Jahren gegen die Planungen kämpfen. Vor kurzem war ich zum Beispiel mit Martin Häusling aus dem europäischen Parlament vor Ort um noch mehr Öffentlichkeit für das Thema zu erreichen.

Auf unserem Sommerfest war eine Delegation der Bürgerinitiative um das Gespräch zu Wirtschaftsminister Tarek Al-Wazir zu suchen. Das Land hat schon vor Jahren eine verbindliche Zusage an die Gemeinde erteilt, die Fläche zu übertragen. Damals waren wir Grüne nicht Teil der Landesregierung. Die einzige Ebene, die das Logistikgebiet noch verhindern kann ist das Gemeindeparlament von Neu-Eichenberg. Hier haben SPD und CDU die Mehrheit. Ich hoffe sehr, dass sich unser unermüdlicher Kampf lohnt und bin überzeugt davon, auf der richtigen Seite zu stehen.

Was unsere Geflüchtetenpolitik angeht: Wir Grüne werben für Humanität. Geflüchte, die unserer Hilfe brauchen weil sie zum Beispiel in ihrer Heimat nicht sicher sind, die müssen wir aufnehmen. Wir wollen sie unterstützen, ausbilden, usw. Entweder können Sie damit ein gutes Leben in Deutschland beginnen, oder aber sie sind gut gerüstet, wenn sie in ihr Heimatland zurückgehen.

In Deutschland mangelt es uns hauptsächlich doch gar nicht an Arbeitsplätzen, sondern an Fachkräften. Dafür muss man sich nur einmal anschauen, wie viele Ausbildungsstellen jedes Jahr in unserer Region unbesetzt bleiben. Auch darauf wollen wir Geflüchte gut vorbereiten. Hilfreich wäre es hier, wenn der Bund Geflüchteten auch gestatten würde zu arbeiten, das ist häufig ein langer und schwieriger Prozess. Mangel im Handwerk, Pfelgenotstand und Co würden es uns aber danken.

Ein absoluter Irrsinn entsteht aber dann, wenn gut integrierte Geflüchte, die eine Arbeit oder einen Ausbildungsplatz haben, abgeschoben werden - das hat leider meist nur populistische Gründe. Bundesinnenminister Seehofer sagt: Die Migration sei die Mutter aller Probleme in Deutschland. Ich behaupte: Populistische Debatten sind die Mutter vieler Probleme in Deutschland. Das wir uns tatsächlich einmal darüber streiten, ob wir Menschen helfen oder sie im Meer ertrinken lassen - das das überhaupt zur Debatte steht - das macht mich ziemlich wütend und fassungslos.

Und fassungslos machen mich auch die Planungen zum Logistikgebiet in Neu-Eichenberg. Nach meinem Empfinden wird hier Politik gegen die Interessen der Bevölkerung gemacht.

Beste Grüße
Felix Martin

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