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Ewald Schurer
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Frage von Uta S. •

Frage an Ewald Schurer von Uta S.

Sehr geehrter Herr Schurer,

von einem Abgeordneten erwarte ich als Wähler, dass er eine Meinung hat und diese im Sinn seines Mandats vertritt. Bei CETA haben Sie sich enthalten. Warum? Ein Abgeordneter ohne Meinung verliert an Glaubwürdigkeit und ist fehl am Platz. Stimmenthaltungen sind ein Ärgernis und gehören meiner Ansicht nach verboten, denn ein Volksvertreter soll doch bei Abstimmungen das Volk vertreten, das übrigens bei CETA (und TTIP) klar dagegen ist. Wie stehen Sie nun zu CETA und warum haben Sie sich enthalten?

Mit freundlichen Grüssen!
Uta Seier-Maltz

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Antwort von
SPD

Sehr geehrte Frau Seier-Maltz,

vielen Dank für Ihre Nachfrage zu meinem CETA-Abstimmungsverhalten.

Bei der namentlichen Abstimmung am 22. September im Bundestag zum Antrag „Comprehensive Economic and Trade Agreement (CETA): Für freien und fairen Handel“ habe ich mich enthalten. Die Gründe für mein Abstimmungsverhalten möchte ich im Folgenden darstellen.

Zunächst zur grundsätzlichen Klärung: Im besagten Koalitionsantrag ging es nicht um eine abschließende Abstimmung des Deutschen Bundestages zur Ratifizierung des CETA-Freihandelsabkommens der EU mit Kanada. Dem derzeitigen CETA-Vertragstext hätte ich nämlich auf keinen Fall zugestimmt. Zum einen habe ich nach wie vor große Bedenken in Bezug auf verschiedene Aspekte des Vertrags, u.a. beim Investitionsschutz, bei der wirksamen Durchsetzung des Vorsorgeprinzips sowie bei der Einhaltung von Standards für Arbeit, Soziales, Umwelt und Daseinsvorsorge. Zum anderen fühle ich mich dem Beschluss der BayernSPD vom kleinen Landesparteitag in Amberg am 16. Juli 2016 verpflichtet, in dem eine Zustimmung zu CETA ebenfalls abgelehnt wurde.

Wer aber, so wie ich, den Freihandel an sich nicht grundsätzlich ablehnt, befindet sich in einer sehr schwierigen Lage. Denn der strittige CETA-Vertragstext selbst kann nicht mehr geändert werden. Er kann jedoch durch eine Art Zusatzprotokoll ergänzt werden, in dem alle nach wie vor strittigen Punkte klargestellt, eingeschränkt oder sogar außer Kraft gesetzt werden können.

Der Beschluss des SPD-Parteikonvents vom 19. September geht daher meiner Meinung nach in die richtige Richtung. Darin werden die schwerwiegenden Bedenken und Ablehnungsgründe genau benannt und Vorgaben für eine entsprechende Zusatzvereinbarung gemacht. Auch der am 22. September zur Abstimmung eingebrachte Antrag der Koalitionsfraktionen beinhaltete diese Vorgaben. Würden all diese Ergänzungen tatsächlich so umgesetzt, könnte CETA vielleicht sogar für alle noch kritischen Beobachter zustimmungsfähig werden.

Doch genau hier liegt das Problem: Über diese Zusatzvereinbarungen muss nun erst auf europäischer Ebene und danach noch mit der kanadischen Regierung verhandelt werden. Die Verhandlungen könnten noch Monate, wenn nicht sogar Jahre dauern. Darauf möchten die Vertragspartner allerdings nicht warten. Sie planen daher, das CETA-Abkommen wenigstens teilweise bereits im Oktober in Kraft treten zu lassen.

Vorläufig sollen dabei nur die Kapitel des Vertrags Anwendung finden, die in die ausschließliche Zuständigkeit der EU-Kommission fallen, wie beispielsweise der Abbau von Zöllen. Es ist jedoch mit Blick auf den Großteil der Kapitel noch immer nicht verbindlich geklärt, welche Aspekte in die ausschließliche Zuständigkeit der EU-Kommission und welche in die der Mitgliedstaaten fallen. Eine Ausnahme stellt das Kapitel über den Investitionsschutz und die damit verbundenen Schiedsgerichtshöfe dar: die EU-Kommission und die Mitgliedstaaten hatten sich bereits vor einiger Zeit darauf geeinigt, dass für diesen auch in der Öffentlichkeit besonders strittigen Punkt die Nationalstaaten zuständig sein sollen.

Mit einer Zustimmung zum Koalitionsantrag ist auch ein Mandat für Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel verbunden, im Ministerrat der EU das vorläufige Inkrafttreten von CETA zu bewilligen, ohne dass vorher über die Zuständigkeiten entschieden wurde. Damit wird die Möglichkeit der Nachjustierung durch ein Zusatzprotokoll meiner Meinung nach erheblich eingeschränkt. Die Entscheidung darüber, welche Aspekte des CETA-Vertrags vorläufig in Kraft treten und über welche Aspekte im Rahmen der Zusatzvereinbarung nochmals verhandelt werden soll, könnte damit auch erst nach der grundsätzlichen Entscheidung über das vorläufige Inkrafttreten fallen. Eine Beteiligung der nationalen Parlamente ist dabei nicht mehr möglich.

Da für mich nicht erkennbar war, welche Aspekte des Handelsabkommens bei einer vorläufigen Anwendung tatsächlich bereits gelten würden und welche noch mal über eine Zusatzvereinbarung umgestaltet würden, konnte ich dem Antrag von CDU, CSU und SPD nicht zustimmen. Gleichzeitig finde ich den Auftrag, ein solches Zusatzprotokoll zu erarbeiten und damit die von den Delegierten des Parteikonvents beschlossenen Änderungen an CETA herbeizuführen, richtig. Aus diesen Gründen habe ich mich schließlich meiner Stimme enthalten.

Die Anträge der Fraktionen von Grünen und Linken habe ich dagegen abgelehnt, weil diese den Aspekt eines Zusatzprotokolls komplett ignorierten und das Freihandelsabkommen an sich grundsätzlich blockierten. Ich halte nichts davon, etwas grundsätzlich von Anfang an abzulehnen, sondern plädiere dafür, alle Argumente sorgfältig abzuwägen. Die SPD hat sich als einzige Fraktion im Deutschen Bundestag intensiv mit diesem Thema auseinander gesetzt und einen Dialog mit ihren Mitgliedern geführt.

Mein endgültiges Abstimmungsverhalten werde ich deshalb davon abhängig machen, ob in den anschließenden Verhandlungen über das Zusatzprotokoll und die Zuständigkeiten von EU und Mitgliedstaaten die von der SPD geforderten Punkte in rechtsverbindlicher Form vollständig umgesetzt werden.

Mit freundlichen Grüßen
Ewald Schurer