Bundestagsabgeordnete für Berlin-Mitte
Eva Högl
SPD
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Frage von Thomas S. •

Frage an Eva Högl von Thomas S. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Guten Tag Frau Dr. Högl,

Zitat aus Ihrer Antwort auf eine Fragestellung betreffs Zwangsgebühren öffentlich-rechtlicher Rundfunk:

"Der öffentlich-rechtliche Rundfunk hat den Anspruch, hochwertiges und unabhängiges Programm für alle Menschen anzubieten, politische Willensbildung zu fördern und übergreifende politische Debatten zu ermöglichen. Vor allem in Zeiten gesellschaftlicher Polarisierung ist dies von herausragender Bedeutung."

https://www.abgeordnetenwatch.de/profile/eva-hogl/question/2017-10-08/293830

Zwei Beispiele,
die mich an dem oben von Ihnen benannten Anspruch des öffentlich-rechtlichen Rundfunks zweifeln lassen:

1. In einem Kommentar der Tageschau vom 26.05.2017 behauptet Isabel Schayani, dass die Bundesregierung im März 2017 bekannt gegeben habe, dass etwa sechs Millionen Menschen aktiv Flüchtlingen helfen würden.

https://www.youtube.com/watch?v=U1zKPR7atvQ

Mir erscheint diese Zahl (die ca. 5,5 Helfer pro 1 Flüchtling bedeuten würde) als unrealistisch hoch und erkenne hier eher den Wunsch als Vater des Gedankens. Ich konnte im Internet keine belastbare Quelle finden, welche die von Frau Schayani angestellte Behauptung belegen kann.

Stimmt es, dass die Bundesregierung im März 2017 bekannt gegeben hat, dass etwa sechs Millionen Menschen aktiv Flüchtlingen helfen würden?

Wenn ja, auf welcher Basis (z.B. mit welcher Studie, beteiligte Institute. Auftraggeber, verwendete Methodenstandards) wurden die oben behaupteten Informationen gewonnen?

2. Frau Schayani liefert als bezahlte Journalistin des WDR Infos, wie Asylsuchende in Deutschland die Abschiebung in ihr jeweiliges europäische Ankunftsaland umgehen können:

https://www.youtube.com/watch?v=iUrlA6UhQyw

Wie werten Sie das Vorgehen von Frau Schayani?
Dient deren Vorgehen dem von Ihnen benannten Anspruch des öffentlich rechtlichen Rundfunks?

Viele Grüße T. S.

Bundestagsabgeordnete für Berlin-Mitte
Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr S.,

vielen Dank für Ihre Anfrage auf dem Internetportal abgeordnetenwatch.de zum öffentlich-rechtlichen Rundfunk.

Zu Ihrer ersten Frage bezüglich offizieller Statistiken der Bundesregierung zum ehrenamtlichen Engagement in der Geflüchtetenhilfe:

Leider ist mir die Statistik der Bundesregierung, auf die sich Frau Schayani bezieht, wonach etwa sechs Millionen Menschen in der Geflüchtetenarbeit engagiert sind, nicht bekannt.

Das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend hat Anfang Februar einen Ergebnisbericht einer Untersuchung des Instituts für Demoskopie Allensbach zum Engagement in der Geflüchtetenarbeit veröffentlicht.

Dort heißt es auf Seite 8: „Seit 2015 haben 55 Prozent der Bevölkerung Flüchtlinge in Deutschland in irgendeiner Weise unterstützt, sei es durch Sach- und Geldspenden, durch öffentliche Fürsprache in Leserbriefen und Unterschriftenaktionen oder durch aktive Hilfen. Davon haben 36 Prozent in den zurückliegenden Jahren Hilfe geleistet; aktuell sind noch 19 Prozent der Bevölkerung in irgendeiner Weise unterstützend tätig. Unter den aktuellen Unterstützerinnen und Unterstützern sind 11 Prozent aktive Helferinnen und Helfer. Diese Aktiven unterstützen Flüchtlinge bei Behördenkontakten, begleiten sie zu Arztbesuchen, unterrichten Deutsch oder verbringen Freizeit mit den geflohenen Menschen. Ein Teil der Helferinnen und Helfer hat auch Patenschaften für Flüchtlinge übernommen oder lässt sie bei sich wohnen.“

Es ist gut möglich, dass Frau Schayani sich auf diese Ergebnisse stützt. Dies ist jedoch lediglich eine Mutmaßung meinerseits.

Die weiteren Ergebnisse der Untersuchung ebenso wie das methodische Vorgehen können Sie der online verfügbaren Publikation entnehmen: https://www.bmfsfj.de/blob/122010/d35ec9bf4a940ea49283485db4625aaf/engagement-in-der-fluechlingshilfe-data.pdf

Zu Ihrer zweiten Frage bezüglich der Berichterstattung von Frau Schayani:

Frau Schayani weist in dem WDR-Beitrag auf ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs hin.
Nach europäischem Flüchtlingsrecht ist für den Asylantrag eines Geflüchteten grundsätzlich, der EU-Mitgliedsstaat zuständig, in den der Geflüchtete zuerst eingereist ist. Wenn jedoch ein Geflüchteter in einen anderen Mitgliedsstaat weiterreist und dort nicht innerhalb von sechs Monaten zurückgeführt wird, geht die Zuständigkeit auf diesen Staat über.

Das hat der Europäische Gerichtshof Ende Oktober 2017 entschieden. Mit diesem Urteil hat er jedoch im Grunde lediglich das bestätigt, was bislang geltendes Recht der Dublin-Bestimmungen ist. Dies können Sie Abschnitt VI, Artikel 29, Absatz 2 der EU-Verordnung
zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist – kurz genannt Dublin III-Verordnung – entnehmen, welche Sie hier finden: http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=OJ:L:2013:180:0031:0059:de:PDF

Bei der Berichterstattung von Frau Schayani handelt es sich somit nicht um Informationen, wie geltendes Recht umgegangen werden kann, wie Sie dies andeuten, sondern um einen Sachstand, was derzeit geltendes Recht ist und was dies konkret bedeutet.

Vor diesem Hintergrund sehe ich in der Berichterstattung von Frau Schayani keinen Anlass, an dem von mir dargelegten Anspruch des öffentlich-rechtlichen Rundfunks zu zweifeln.

Mit freundlichen Grüßen
Ihre Eva Högl