Portrait von Eva Bulling-Schröter
Eva Bulling-Schröter
DIE LINKE
Zum Profil
Frage stellen
Die Frage-Funktion ist deaktiviert, weil Eva Bulling-Schröter zur Zeit keine aktive Kandidatur hat.
Frage von Claudia H. •

Frage an Eva Bulling-Schröter von Claudia H. bezüglich Gesundheit

Wie stehen Sie zu der Errichtung einer Pflegekammer in Bayern?

Portrait von Eva Bulling-Schröter
Antwort von
DIE LINKE

Sehr geehrte Frau Hauck,

Vielen Dank für Ihre Anfrage zum Thema Pflegekammer.
DIE LINKE fordert, die Arbeit der Gesundheits- und Pflegeberufe attraktiver zu gestalten. Hierzu gehören für uns einerseits gute Arbeitsbedingungen. Anderseits zählt dazu auch eine bessere gesellschaftliche und finanzielle Anerkennung der nicht-ärztlichen Gesundheits- und Pflegeberufe. Für Pflegeberufe ist eine angemessene Bezahlung unerlässlich. Wir streiten für eine qualitativ hochwertige Aus-, Fort- und Weiterbildung in den Gesundheits-und Pflegeberufen. DIE LINKE setzt sich für eine Neuorganisation der Gesundheits- und Pflegeberufe sowie eine umfassende Reform der Pflegeausbildungen ein. Zentrales Ziel dabei ist, die Versorgungsqualität zu erhalten und auszubauen. Die Anzahl der Ausbildungsplätze muss überprüft und ggf. erhöht, die Qualität der Ausbildung verbessert und die Finanzierung mittels der Einführung eines Umlageverfahrens gesichert werden. Neue Ausbildungsberufe und Weiterbildungsabschlüsse bedürfen auch künftig der staatlichen Regelung, um Mobilität und gegenseitige Anerkennung beruflicher Qualifikationen zu gewährleisten.
Um eine grundsätzliche Aufwertung der Pflegetätigkeit zu erreichen, sind eine eigenständige Vertretung der Berufsinteressen und mehr Mitspracherechte nötig. Neben der Gewerkschaft ver.di existieren ständische Berufsverbände wie der DBfK oder der Deutschen Pflegerat als Dachverband, welche die Aufgaben der Interessensvertretung statt einer etwaigen Pflegekammern wahrnehmen können. Offen bleibt die Frage, inwieweit in den entsprechenden Berufsverbänden und Organisationen mehr gewerkschaftliches Engagement erforderlich ist.
Eine Zwangsverkammerung wird gerade bei den Pflegeberufen nicht zu mehr berufspolitischem Engagement und zur Verbesserung der Grund- und Rahmenbedingungen führen, in der Pflege professionell geleistet wird. Die Attraktivität der Pflegeberufe steht und fällt auf dieser Basis. Durch eine Zwangskörperschaft lässt sich berufspolitisches Engagement nicht erreichen, sondern allenfalls die Finanzbasis hierfür verbreitern. Eine Übertragung gesellschaftlicher Aufgaben, die derzeit durch den Staat übernommen und damit aus Steuermitteln finanziert werden, bedeutet eine Kostenverlagerung, durch welche die Kosten für die Wahrnehmung der gesellschaftlich Aufgaben auf die Berufsangehörigen verlagert würden. Ob der Aufwand für die Errichtung flächendeckender Kammerstrukturen in einem angemessenen Verhältnis zum gesellschaftlichen und berufspolitischen Ertrag steht, bleibt mehr als fraglich.
Bevor überhaupt über Pflegekammern gesprochen wird, sollte das Kammerwesen an sich reformiert werden. Speziell bei den Pflegeberufen muss vor der Bildung von Pflegekammern der Diskurs und der Austausch der Pflegeprofessionen hin zu gemeinsamen Engagement stehen und nicht umgekehrt.
Ohnehin ist Kammerrecht Landesrecht. Folglich obliegt es den Bundesländern, die Zulassung von Pflegekammern politisch voranzutreiben, oder auch nicht. Fakt ist aber dadurch, dass es folglich mindestens 16 verschiedene Regelungen geben würde. Gerade in den Pflegeberufen ist die heute zu verzeichnende Zersplitterung in verschiedenste Berufs- und Fachverbände, Schwesternschaften und auch Gewerkschaften historisch gewachsen. Demnach würde sich – auch bei einem demokratischen Grundverständnis der Kammern – das gesamte Spektrum der verschiedensten Pflegeverbände, Weltanschauungen und Meinungen in den 16 Pflegekammern widerspiegeln, was nichts an der derzeitigen Vielfalt ändert.
Auch der Vergleich von etwaigen Pflegekammern mit der Bundesärztekammer (BÄK e. V.) kann hier als Argument nicht herhalten, zumal diese eben keine Kammer im Sinne des Kammerrechts, sondern ein eingetragener Verein ist. Das vermeintlich hohe Ansehen in der Öffentlichkeit verdankt die Ärzteschaft zudem nicht ihren Kammern, sondern umgekehrt. Vielmehr sind hier Hochschulausbildung, der Rechtsvorbehalt zur Ausübung der Heilkunde und nicht zuletzt die vergleichsweise hohen Verdienstmöglichkeiten ausschlaggebend. Auch die Pflegeberufe haben durchaus ein beachtliches Ansehehen in der Bevölkerung, aber schon allein die Verdienstmöglichkeiten stehen denen der Ärzteschaft deutlich nach.
Insofern wäre die Schaffung von Pflegekammern derzeit abzulehnen. Die Fraktion DIE LINKE. im Bundestag hat sich aber zum heutigen Zeitpunkt nicht abschließend positioniert.

Mit freundlichen Grüßen nach Neuburg

Eva Bulling-Schröter MdB