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Eva Bulling-Schröter
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Frage von Stephan G. •

Frage an Eva Bulling-Schröter von Stephan G. bezüglich Umwelt

Sehr geehrte Frau Bulling-Schröter,

bezüglich der fehlgeschlagenen Einführung der Benzinsorte mit bis zu 10% Bioethanol hätte ich einige Fragen.

1. Wer ist für die Verhängung der Strafzahlung bei Nichterreichung des gesetzten Zieles zuständig?
2. Welche Kontroll- und Einflussfunktion hat der Deutsche Bundestag in dieser Angelegenheit?
3. Wie wird sichergestellt, dass diese Zahlung auch von denjenigen geleistet wird, die damit bestraft werden sollen und nicht von den Verbrauchern? oder
4. Nehmen Sie billigend in Kauf, dass die Zeche am Ende vom Verbraucher gezahlt wird? Ist es eventuell von vornerein vorgesehen gewesen, die Bürger über Strafzahlungen zu mehr Klima- und Umweltschutz anzuhalten?
5. Welche Mitschuld tragen Politik und Verwaltung bei der nicht geglückten Einführung. Laut Ergebnisse des "Benzin-Gipfels" vom 8. März 2011 hat sich die Bundesregierung verpflichtet, die Aufklärung der Öffentlichkeit über den Beitrag von E10 zum Umwelt- und Klimaschutz sowie zur Ressourcenschonung zu verstärken und entsprechende Informationsangebote bereitzustellen.

Vielen Dank für die Beantwortung der Fragen, auch und vor allem an Ihre Mitarbeiter.

Mit freundlichem Gruß
Stephan Gurke

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Antwort von
DIE LINKE

Sehr geehrter Herr Gurke,

herzlichen Dank für Ihre Fragen.

zu 1.
Für die Verhängung der Strafzahlung bei Nichterreichung des gesetzten Zieles ist die Biokraftstoffquotenstelle beim Hauptzollamt Frankfurt/Oder mit Dienstsitz in Cottbus zuständig.

zu 2.
Der Deutsche Bundestag hat in dieser Angelegenheit Einflussmöglichkeiten vor allem über das Gesetzgebungsverfahren, welches in dieser Legislaturperiode bekannterweise von einer Koalition aus Union und FDP dominiert wird. Bezüglich der Biokraftstoffe findet sich die Gesetzgebung im Bundesimmissionsschutzgesetz (§ 37a bis f) und im Energiesteuergesetz sowie in entsprechenden Verordnungen zur Durchführung.

Zur Kontrolle der Bundesregierung besteht die Möglichkeit, sich von der Bundesregierung über die Wirkung der gesetzlichen Regelungen sowie über den Vollzug Bericht erstatten zu lassen. Eine regelmäßige Berichterstattung erfolgt etwa über den jährlich erscheinenden Biokraftstoffbericht der Bundesregierung, der entsprechend den Forderungen des Finanzausschusses des Deutschen Bundestages aus der jährliche Überkompensationsberichterstattung gegenüber der Europäischen Kommission weiterentwickelt wurde und dem Bundestag jährlich bis zum 1. September vorzulegen ist (siehe hierzu § 50 Absatz 6 EnergieStG). Der letzte Biokraftstoffbericht erschien im September 2010, siehe: http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/17/028/1702861.pdf

Darüber hinaus besteht die Möglichkeit zu parlamentarischen Anfragen an die Bundesregierung. Davon hat die LINKE in Sachen Agrokraftstoffen mehrmals Gebrauch gemacht.

zu 3.
Diese Frage wäre an die Bundesregierung zu richten, nicht an eine Oppositionspartei. Im Übrigen wird die Ankündigung des Ölmultis BP, Strafzahlungen für die Nichterfüllung der Agrokraftstoffquote auf die Kunden umzulegen, bereits von der Agrokraftstoffbranche kritisiert. Die Mindestquote von 6,25 Prozent (Bioethanol und Biodiesel) könne problemlos durch eine Übererfüllung bei Biodiesel erfüllt werden – trotz der Absatzprobleme mit E10, meint laut dpa etwa der Chef des Verbandes der Deutschen Biokraftstoffindustrie (VDB), Frank Brühning.

zu 4.
Die LINKE im Bundestag hat sich stets gegen die Agrokraftstoffquoten ausgesprochen. Allerdings nicht deshalb, weil damit der Umweltverbrauch verteuert werden würde (was aus Klimaschutzgründen unter bestimmten Bedingungen gerechtfertigt wäre), sondern weil Agrokraftstoffe in der Regel keinen Beitrag zum Klimaschutz leisten. Im Gegenteil gibt es zahlreiche Konflikte beim Anbau von Energiepflanzen. Sie kennen vielleicht die Debatte um „Tank oder Teller“ oder die skandalöse Abholzung von Tropenwäldern für den Anbau von Zuckerrohr (für Bioethanol) bzw. Palmöl-Pflanzen (für Heizöl und Biodiesel). Bei der gegenwärtigen Debatte um E10 geht also unter, was Wissenschaftler, etwa der Sachverständigenrat für Umweltfragen, seit langem fordern: Angesichts der Konkurrenz um Böden und der Probleme mit der Biodiversität, vor allem bei Importen, muss Biomasse dort eingesetzt werden, wo sie je Hektar am meisten CO2-vermeidet. Agrosprit schneidet da deutlich schlechter ab als die gekoppelte Produktion von Strom und Wärme aus Biogas. Insofern sind die Agrokraftstoffziele der Bundesregierung und der EU zu hoch.

zu 5.
Die Politik der Bundesregierung (auch ihr Wirken in der EU) hat dazu geführt, dass auf Teufel komm raus Agrokraftstoffziele festgesetzt wurden, für die keine gesellschaftliche Akzeptanz vorhanden ist. Zudem wurde das Ganze von einem Kommunikations-Desaster begleitet, was die technische Verträglichkeit von E10 für die verschiedenen Motoren- bzw. Fahrzeugtypen betrifft.

Was die technische Seite betrifft, so gibt es mittlerweile entsprechende Verträglichkeitslisten, auch von der Branche selbst, siehe: http://www.dat.de/e10liste/e10vertraeglichkeit.pdf

Über die Umwelt- und Sozialverträglichkeit von E10 wird jedoch nur fabuliert und auf entsprechende Zertifizierungen verwiesen. Die LINKE meint: solche Zertifizierungen sind Augenwischerei. So werden etwa in Brasilien neue Zuckerrohrfelder zur Ethanolproduktion nur selten direkt auf Neurodungsflächen angebaut. Sie werden (auch aus klimatischen Gründen) eher auf älteren Agrar- oder Weideflächen in Zentralbrasilien angelegt. Die zuvor darauf angebauten Pflanzungen, beispielsweise Soja-Plantagen, oder die Rinderherden wandern jedoch allzu oft in den Regenwaldgürtel im Norden oder in den ebenso wertvollen Cerrado und führen dort zu neuen Abholzungen. Ferner führt die Vertreibung von Kleinbäuerinnen und Kleinbauern durch Großagrarier nicht nur zu massiven Menschenrechtsverletzungen, sondern vielfach auch dazu, dass diese Menschen sich neues Land suchen. Nicht selten sind es Waldgebiete, die dann der Brandrodung und anschließenden Besiedlung zum Opfer fallen. Insofern bestehen zurzeit kaum Erfolgsaussichten für ein wirksames Zertifizierungssystem. Den Tropenwäldern, den darin lebenden Menschen sowie den von Vertreibung bedrohten Kleinbäuerinnen und Kleinbauern wird vielmehr am meisten geholfen, wenn das Grundproblem angegangen wird: Der rasant ansteigenden Nachfragedruck der Industriestaaten nach Agrartreibstoffen. Als wichtigste Maßnahmen muss daher zunächst ein Importstopp für biogene Treib- und Kraftstoffe in die EU verfügt und die Nachfrage auf ein akzeptables Maß reduziert werden.

Weitere Informationen zur Haltung der LINKEN zu E10 und zu Agrokraftstoffen finden Sie unter:
http://www.nachhaltig-links.de/index.php/mobilitaet/52-aktuelles-mobilitaet/610-e10

Ferner verweise ich auf einen Artikel zu E10 und das Versagen der Politik unter:
http://www.klimaretter.info/mobilitaet/hintergrund/8108-e10-und-das-versagen-der-politik
Dort ist auch ganz gut erklärt, warum Deutschland im Interesse der Automobilindustrie in der EU auf Agrokraftstoffe gesetzt hat, statt auf Emissionsobergrenzen, also sparsame Autos.

Mit freundlichen Grüßen

Eva Bulling-Schröter MdB