Elvan Korkmaz-Emre
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Frage von Andreas H. •

Frage an Elvan Korkmaz-Emre von Andreas H. bezüglich Soziale Sicherung

Erwerbsminderung und Rentenpaket:

Gibt es noch Chancen, dass das Rentenpaket auch auf bereits Erwerbsgeminderte ausgeweitet wird? Würden Sie dafür eintreten ?
Als Erwerbsgeminderter fühlt man sich von der Politik vergessen. Auch das neue Rentenpaket beinhaltet keine Verbesserungen für bereits heute Erwerbsgeminderte. Ich empfinde es dabei als extrem ungerecht, dass sich für Menschen, die bereits in Erwerbsminderung sind, nichts verbessert, während Neuzugänge mehr Rente bekommen. Dies ist eine unglaubliche Ungleichbehandlung. Ich hätte mir bisher nicht vorstellen können, dass so eine große Ungerechtigkeiten und Ungleichbehandlung möglich ist.
Im Prinzip profitiert ein großer Teil der Bevölkerung von dem Rentenpaket, nur bereits Erwerbsgeminderte sind vollständig ausgenommen. Dabei haben Erwerbsgeminderte ein überdurchschnittlich hohes Armutsrisiko. Ausgerechnet diese Gruppe von kranken und armen Menschen aber ist vom Rentenpaket ausgenommen.
Wenn es finanziell für den Staat nicht anders möglich ist, würde auch schon eine kleine Verbesserung Erwerbsgeminderten helfen, aber es sollte dann für alle gelten, und nicht nur für Neuzugänge.
Als Erwerbsgeminderter ist man in unserer Gesellschaft besonders hart getroffen. Im Gegensatz zu anderen finanziell schwachen Gruppen hat man wirklich gar keine Chance und Hoffnung mehr, aus eigener Kraft seine Situation zu beeinflussen oder zu verbessern, weil die Behinderung einem das nicht mehr ermöglicht. Oft gibt es keinerlei Hoffnung auf Besserung. Und finanziell steht man sehr schlecht da.
Für mich wurde 2012 die Erwerbsminderungsrente ermittelt. Der Betrag wird später als Altersrente in gleicher Höhe weitergezahlt. Alle Teile des Rentenpakets haben bei mir auf die Höhe der Erwerbsminderungsrente und vor allem der Altersrente überhaupt keine Auswirkungen. Somit gehöre ich als Erwerbsgeminderter zu der Minderheit, die vom Rentenpaket überhaupt nicht profitieren.

Gruß
A. H.

Elvan Korkmaz-Emre
Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr H.,

haben Sie vielen Dank für Ihre Frage, die ich Ihnen hiermit sehr gerne beantworte.
Wie viele andere Menschen kritisieren Sie, dass die Regelungen zur Verbesserung der Situation von Erwerbsminderungsrentnern/innen nur für sogenannte Neurentner gelten. Ich kann gut verstehen, dass diese Situation für diejenigen, die bereits vorher in Rente waren, wirklich unbefriedigend ist und ihr Gerechtigkeitsempfinden verletzt.

Ich möchte versuchen, Ihnen die Hintergründe darzulegen:

Aus der kontinuierlich schlechter werdenden Situation von Erwerbsminderungsrentnern – über 10 Prozent der Neurentner sind auf ergänzende Leistungen der Grundsicherung angewiesen – hatte die SPD bereits im Wahlprogramm zur vorletzten Wahl Konsequenzen gezogen und sich für deutliche Verbesserungen bei den Erwerbsminderungsrenten eingesetzt.

In der letzten Wahlperiode konnten wir eine zweimalige Erhöhung der Zurechnungszeit für neue Erwerbsminderungsrenten durchsetzen. Durch die sogenannte Zurechnungszeit werden EM-Renten so berechnet, als ob die betroffenen Menschen nach Eintritt der Erwerbsminderung wie bisher weitergearbeitet hätten. Dabei handelt es sich um eine sozialpolitisch sehr positiv wirkende Regelung. Denn die gesetzliche Rentenversicherung gleicht damit aus, dass die Betroffenen nicht mehr oder nur noch eingeschränkt arbeiten und Beiträge zahlen konnten. Es ist jedoch kein Geheimnis, dass wir uns für die Betroffenen weitere Verbesserungen gewünscht hatten. Dies war mit CDU/CSU leider nicht umsetzbar.

In den Verhandlungen zum Koalitionsvertrag konnten wir nun weitere Verbesserungen für die Erwerbsminderungsrenten erreichen, die nun mit dem sogenannten „Rentenpakt“ umgesetzt werden: Zum einen wird die bereits in der letzten Legislatur beschlossene Erhöhung der Zurechnungszeiten vorverlegt und zum anderen werden die Zurechnungszeiten insgesamt deutlich verlängert. Die Zurechnungszeit wird für neu beginnende EM-Renten bis zur Regelaltersgrenze verlängert: zunächst im Jahr 2019 in einem Schritt direkt auf 65 Jahre und 8 Monate, anschließend bis 2031 schrittweise weiter auf das dann geltende Renteneintrittsalter. Im Jahr 2031 wird die Absicherung bei Erwerbsminderung im Vergleich zu der bis Ende Juni 2014 geltenden Rechtslage damit um mehr als 17 Prozent verbessert sein.

Es wäre sozialpolitisch wünschenswert, auch die bereits laufenden EM-Renten zu verbessern. Leider gelten Veränderungen in der gesetzlichen Rentenversicherung in der Regel nur für Neurentner. Die Einbeziehung des Rentenbestands hätte die Kosten – insbesondere in der Anfangszeit – um ein Vielfaches erhöht. Dies wäre vor dem Hintergrund der Finanzierbarkeit der gesetzlichen Rentenversicherung schwierig darzustellen gewesen.

Es trifft zu, dass dies für Versicherte, die kurz vor dem Zeitpunkt des Inkrafttretens der neuen Regelungen oder generell früher in Rente gingen, persönlich sehr ärgerlich ist. Würde man die Regelungen auch auf den Bestand übertragen, so müsste eine komplette Neuberechnung auf Grundlage des jetzt geltenden Rechts vorgenommen werden; dies wäre nicht nur mit einem enormen Verwaltungsaufwand verbunden, sondern könnte im Einzelfall – durch andere zwischenzeitlich erfolgte Rechtsänderungen – auch zu Verschlechterungen führen.

Diese Problematik, die unter dem Problem „Stichtage in der Rentenversicherung“ gefasst werden kann, war schon häufig Gegenstand gerichtlicher Überprüfungen, bis zum Bundesverfassungsgericht. Stichtage sind im Recht der gesetzlichen Rentenversicherung notwendig, gerade um „willkürlichen“ Entscheidungen zu begegnen. Ohne sie wären die Möglichkeiten zu Gesetzesänderungen mit dem Ziel der Weiterentwicklung des Sozialversicherungsrechts und seiner Anpassung an geänderte Verhältnisse sehr begrenzt. Das Bundesverfassungsgericht hat in ständiger Rechtsprechung bekräftigt, dass der Gesetzgeber Stichtage setzen kann, sofern diese nicht als völlig willkürlich erscheinen. Rechtfertigungen für Stichtage können in versicherungs- und rentensystematischen Gründen liegen, aber auch in finanziellen Erwägungen oder in Erfordernissen der verwaltungsmäßigen Durchführbarkeit. Dies bedeutet, der Gesetzgeber muss verfassungsmäßige Grundsätze wahren und darf nicht in bereits laufende Ansprüche verschlechternd eingreifen.

Es liegt auf der Hand, dass diejenigen, die die Voraussetzungen eingeführter Vertrauensschutzregelungen nicht erfüllen, hierüber enttäuscht sind. Dies ist für Vertrauensschutzregelungen jedoch nie zu vermeiden. Jede andere Abgrenzung würde von anderen Personengruppen, die dann nicht in den Vertrauensschutz einbezogen sind, wiederum als Härte empfunden. Insofern ist jede Regelung, die aus sozialpolitischen Gründen einen bestimmten Personenkreis begünstigt, für diejenigen „nachteilig“, die nicht zu diesem Personenkreis gehören.

Würde das Gesetz solche Stichtagsregelungen nicht kennen, wären auch Verschlechterungen durch neue Gesetzgebung möglich. Stichtage sind insofern auch ein Schutz für bereits laufende Renten.

Gleichwohl ist Ihre Erwartung, gleichzeitig etwas für die Menschen zu tun, die bereits eine Erwerbsminderungsrente beziehen, sehr nachvollziehbar. Künftig kommt es darauf an, Lösungen zu finden, wie wir auch Menschen im Bestand eine Verbesserung ihrer Situation ermöglichen können. Bei der jüngsten Gesetzesänderung für Erwerbsminderungsrentner/innen war das leider noch nicht möglich.

Abschließend kann ich Ihnen versichern, dass wir das Thema Erwerbsminderung-Bestandsrentner auf dem Schirm haben. Wir setzen uns weiter dafür ein, dass wir in dieser Legislatur – auch wenn es kein Auftrag aus dem Koalitionsvertrag ist – Verbesserungen für den Bestand hinbekommen, wohlwissend, dass das mit der Union sehr schwer wird.

Ihnen wünsche Ich alles Gute!

Mit freundlichen Grüßen

Elvan Korkmaz