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Frage von Thomas B. •

Frage an Elke Hoff von Thomas B. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen

Sehr geehrte Frau Hoff,

in einem Artikel im Magazin FOCUS (online-Ausgabe vom heutigen Tage) kritisieren Sie den Ihrer Meinung nach "besorgniserregenden Konsum" von Alkohol im Feldlager. Im gleichen Artikel wird der Pro-Kopf-Konsum von Bier in DEU mit dem Pro-Kopf-Konsum von Bier des Bw-Kontingentes verglichen. das bedeutet Äpfel mit Birnen zu vergleichen. Der statistische Konsum der Gesamtbevölkerung betrachtet alle Menschen in DEU - vom Baby bis zum Greis. Der statistische Konsum im Kontingent betrachtet hauptsächlich Männer, die meisten davon unter 30 Jahre.
250 Liter / Soldat/ 365 Tage (ausgehend davon, dass die Anzahl von 3600 Soldaten an 365 Tagen im Einsatz vor Ort ist und ausschließlich die Bw-Soldaten für den Bierkonsum verantwortlich sind) macht 0.68 Liter je Mann am Tag, das passt doch prima zur "Two-Can-Rule", dass jedem Soldaten maximal zwei Dosen Bier am Tage zustehen. Die Soldaten vor Ort haben nämlich keine Freizeit, sondern Dienstunterbrechung. Haben Sie mit Patrouillen-Soldaten gesprochen, die nach stundenlanger Fahrt mit ständiger Angst vor Sprengstoffattentaten ins Lager zurückkommen. Die trinken dann nach dem technischen Dienst noch schnell ein oder zwei Bierchen, um danach einigermaßen schlafen zu können, das halte ich nicht für verwerflich. Die genannten Zahlen aus der Marketendermeldung so unreflektiert zu verwenden, um die Vorgesetzten vor Ort madig zu machen, halte ich für ungeeignet.

Haben Sie sich schon persönlich in den Feldlagern vor Ort umgesehen? Sehen Sie selbst Möglichkeiten, die "Freizeitgestaltung" innerhalb der Feldlager zu verbessern? Da fällt mir spontan nur folgende Handlungsfelder ein: Sportmöglichkeiten / Fitnessgeräte, Internetangebot, Telekommunikation zu den Familien.

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Antwort von
FDP

Sehr geehrter Herr Beinfohr,

vielen Dank für Ihre Frage, auf die ich gerne antworten möchte.

Mit der Veröffentlichung der Beantwortung meiner Frage an die Bundesregierung zur Menge an Alkohol, die in das Einsatzgebiet Afghanistans geliefert wird und meinen Kommentar dazu, daß ich diese Menge besorgniserregend empfinde, habe ich erwartungsgemäß ein sehr breites und gegensätzliches Echo ausgelöst. Dies reicht von großer Empörung bis hin zu einer Zustimmung und der Schilderung persönlicher Eindrücke vor Ort über hohen Alkoholkonsum.

Ich habe jedoch zu keinem Zeitpunkt und an keiner Stelle öffentlich mit dem Finger auf die betroffenen Soldaten gezeigt, geschweige denn gefordert, den Soldaten ihr wohlverdientes Feierabendbier vorzuenthalten. Da aber genau das zumeist unterstellt wurde, war es wohl ein ziemlicher Stich ins Wespennest. Ich kann die Angst der Patrouillensoldaten bis zu einem gewissen Grad persönlich nachvollziehen, insbesondere nach meinen Aufenthalten bei den amerikanischen Verbündeten in Ghazni, bei den britischen Kollegen in Lashkar Gah in Helmand und nach viertägigem ununterbrochenem Raketen- und Mörserbeschuß auf meinen Aufenthaltsort in Baghdad Ostern dieses Jahres. Auch dort haben wir über Streß, Angst und Alleinsein gesprochen, ohne Alkohol.

Mir ging es darüber hinaus auch darum, mehr Nachdenklichkeit darüber zu erzeugen, ob das Freizeitangebot für unsere Soldaten stimmt und ob es wirklich klug ist, in ein Einsatzgebiet, das zudem noch in einem schwierigen muslimischen Umfeld liegt, derartige Mengen an Alkohol einzuführen. In vielen Gesprächen mit Leuten, die vor Ort waren und sind - auch mit Afghanen - habe ich den Eindruck gewonnen, daß dies durchaus auch negativ registriert wird und nur weitere Argumente liefert, Selbstmordattentäter durch religiöse Führer ideologisch aufzuwiegeln.

Ich finde, daß wir trotz einer sehr entspannten und selbstverständlichen Einstellung zum Thema Alkohol in unserer Gesellschaft darauf achten sollten, welche Wahrnehmung wir in unseren Gastländern damit auslösen. Wir Parlamentarier müssen dann natürlich besonders darauf achten, daß im Rahmen des Möglichen ein gutes Freizeitangebot vor Ort aufgebaut wird. Ich weiß, daß dies in Afghanistan sehr schwer ist, da ich das Land selbst mehrfach bereist habe. Ich bin Ihnen daher sehr dankbar für Ihre Anregungen und werde diese gerne in meine weiteren Aktivitäten aufnehmen. Ich bin hier für jeden konkreten Tip dankbar.

Was mich allerdings bei den vielen Kommentaren - insbesondere bei den sehr negativen, die teilweise heftig unter die Gürtellinie gingen - sehr nachdenklich gemacht hat, ist die darin enthaltene Botschaft, daß man kein "Verteidigungsexperte" sein darf und sein kann, wenn man das Thema Alkohol nicht als einen selbstverständlichen Teil bei der Berufsausübung eines Soldaten anerkennt. Diese Einstellung kann ich nur schwer akzeptieren.

Wir (d.h. die verbündeten NATO-Partner) wundern uns bezogen auf ganz Afghanistan und Pakistan häufig darüber, es mit einem sehr fähigen und entschlossenen Gegener zu tun zu haben, der mit unserem hochtechnologisierten Militärpotenzial einfach nicht zu besiegen ist. Ich glaube, daß ein wesentlicher Teil dieser Fähigkeiten auch darin liegt, in einem festen ideologischen Bezugsrahmen, auch wenn wir diesen überhaupt nicht nachvollziehen können, verankert zu sein und mit sehr wenig in einem sehr schwierigen Terrain auszukommen, und Alkohol gehört dabei sicher nicht zu der Grundausstattung paschtunischer oder muslimischer Kämpfer.

Ich finde, wir sollten deshalb nicht vergessen, den Gegner "zu achten" und zu verhindern, daß der Gegner uns "mißachtet".

Trotz der zumeist negativen Heftigkeit bei den Reaktionen hoffe ich, dennoch den einen oder anderen zum Nachdenken angeregt zu haben.

Mit freundlichem Gruß

Elke Hoff