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Elisabeth Scharfenberg
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Frage von Jörg L. •

Frage an Elisabeth Scharfenberg von Jörg L. bezüglich Gesundheit

Sehr geehrte Frau Scharfenberg,

würde man nicht mit einer Positivliste bei Medikamenten, einem Abbau von Bürokratie im Gesundheitswesen (u.a. durch Einsatz von Software) sowie einer wirkungsvollen Kooruptionsbekämpfung ( sh. Transp. Int.) nicht mindestens 15 bis 20 Milliarden Euro für eine bessere Pflege (mehr und besser bezahlt) in den Krankenhäusern und Pflegeheimen gewinnen können ?

Für Ihre Antwort ganz herzlichen Dank im Voraus.

MfG
Jörg L. aus München

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Lindeholz,

haben Sie vielen Dank für Ihre Frage vom 4. September! Sie haben völlig Recht, dass es im Gesundheitswesen wie auch in der Pflege Einsparpotenziale gibt, die bisher zu wenig oder gar nicht genutzt werden. Deshalb gehen Ihre Vorschläge in die richtige Richtung. Damit lassen sich auch finanzielle Mittel einsparen, wenngleich ich die von Ihnen genannten Zahlen doch für deutlich zu optimistisch halte. Nichtsdestotrotz müssen wir natürlich mehr gegen Korruption im Gesundheitswesen unternehmen, eine Positivliste einführen, Bürokratie abbauen und uns natürlich für eine bessere Pflege und für die Bekämpfung des Personalmangels einsetzen. Denn es geht vor allem darum, die Qualität und Unabhängigkeit der Behandlung/Pflege im Sinne der Patientinnen, Patienten und Pflegebedürftigen zu fördern!

Wir Grüne fordern schon seit vielen Jahren die Einführung einer Positivliste, auf der verordnungsfähige Arzneimittel verzeichnet sein sollen. Zuletzt hat die bündnisgrüne Bundestagsfraktion im April 2010 einen Antrag in den Bundestag eingebracht, in dem auch diese Forderung enthalten ist. Danach soll der Gemeinsame Bundesausschuss – das höchste und zentrale Selbstverwaltungsgremium – auf Grundlage einer Schnellbewertung bzw. einer Kosten-Nutzen-Bewertung darüber entscheiden, ob ein Arzneimittel auf eine Positivliste aufgenommen werden kann oder nicht: „Ergibt die Schnellbewertung, dass ein Arzneimittel keinen Nutzen hat, so ist es nicht verordnungsfähig. Arzneimittel, für die ein vergleichbarer Nutzen wie bei der Standardtherapie, jedoch kein Zusatznutzen aber auch kein höheres Nebenwirkungsrisiko festgestellt werden konnten, können dann aufgenommen werden, wenn sie kostengünstiger als bisherige Alternativen sind.“ (BT-Drucksache 17/1418, Web: http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/17/014/1701418.pdf )

Wieviele Finanzmittel sich durch eine solche Maßnahme einsparen lassen, kann man nur annäherungsweise schätzen. Die Gesamtausgaben der Gesetzlichen Krankenversicherung für Arzneimittel liegen derzeit bei etwa 29,2 Mrd. Euro. Laut Arzneimittelreport 2012 der Barmer GEK entfallen auf die Verordnung „umstrittener“ Arzneimittel etwa 660 Mio. Euro jährlich, bzgl. der Verordnung von Analogpräparaten geht der Report von einem theoretischen Einsparvolumen von bis zu 2,8 Mrd. Euro aus. Das ist viel Geld, aber doch weit entfernt von den Summen, die Sie vermuten.

Auch zum Thema Korruption erklären sich Bündnis 90/ DIE GRÜNEN in ihrem Wahlprogramm eindeutig: „Die Bekämpfung von Korruption braucht eine klare Gesetzgebung mit konsequenter Durchsetzung, um die Manipulation im Gesundheitssystem durch nicht am Patientenwohl orientierte Einflüsse, u.a. Bestrebungen von Pharma- und MedizinprodukteherstellerInnen, endlich zu beenden. Hierzu gehört die Einführung eines Straftatbestandes für Korruption durch die LeistungserbringerInnen im Gesundheitswesen, der Ausbau unabhängig finanzierter medizinischer Forschung und ein Weiterbildungswesen frei von wirtschaftlicher Beeinflussung.“ (Zeit für den grünen Wandel. Bundestagswahlprogramm 2013von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. S. 126f.)

Ihr Ziel einer besseren Pflege in Krankenhäusern, im ambulanten Bereich wie auch in stationären Pflegeeinrichtungen unterstütze ich als pflegepolitische Sprecherin der grünen Bundestagsfraktion natürlich ausdrücklich! Das erfordert umfassende Reformschritte, um die Situation der Pflegebedürftigen, ihrer Angehörigen und natürlich auch der Pflegekräfte wirksam zu verbessern. Die schwarz-gelbe Bundesregierung hat es in den letzten vier Jahren trotz vieler Ankündigungen versäumt, auch nur ansatzweise Fortschritte zu erzielen. Bündnis 90/DIE GRÜNEN erklärt sich auch zu ihren Zielen in der Pflegepolitik sehr ausführlich im Wahlprogramm (S. 131ff.). Darin spielen natürlich auch die erforderlichen Verbesserungen für Pflegekräfte eine wesentliche Rolle: „Für eine steigende Zahl an pflegebedürftigen Menschen brauchen wir genügend gut qualifizierte und engagierte Pflegekräfte. Um den Pflegekräften die Anerkennung entgegenzubringen, die sie verdienen, und einem Fachkräftemangel entgegenzuwirken, wollen wir den Pflegeberuf besser anerkennen und bezahlen sowie die Arbeitsbedingungen verbessern. Wir setzen uns für angemessene Personalschlüssel und den Abbau unnötiger Bürokratie ein. Um allen Pflegekräften Aufstiegschancen zu geben, wollen wir ein modernes, durchlässiges Aus- und Weiterbildungssystem schaffen, das Pflegeausbildung auch an Hochschulen ermöglicht. Zudem brauchen wir mehr Ausbildungsplätze in der Pflege. Wir wollen eine dauerhafte Regelung zur Finanzierung des dritten Umschulungsjahres. Die Pflege muss sich auf die zu versorgenden Personen und ihre Lebenswelt einlassen. Dazu braucht sie spezielles Wissen, das bereits in der Ausbildung vermittelt werden muss. In der Pflegeausbildung plädieren wir für eine Ausbildungsumlage in allen Bundesländern. Wir möchten, dass Pflegekräfte und andere Gesundheitsberufe selbständiger arbeiten können.“ (ebd. S. 133)

Alternativ darf ich Sie auch auf ein Konzept der bündnisgrünen Bundestagsfraktion hinweisen, in dem wir unsere Vorstellungen zur Reform der Pflegeausbildung vorstellen (mehr dazu unter: www.gruene-bundestag.de/fileadmin/media/gruenebundestag_de/fraktion/beschluesse/pflegeausbildung.pdf). Gestatten Sie mir noch den Hinweis, dass die Arbeitssituation der Pflegekräfte im Krankenhaus und im Altenpflegebereich einer differenzierten Betrachtung bedarf und im Übrigen auch unterschiedlichen Finanzierungsmechanismen unterliegt. Daher möchte ich noch auf ein Papier der Bundestagsfraktion zur grünen Krankenhauspolitik hinweisen, in dem wir auch unsere Vorstellungen zur Verbesserung der Personalsituation in der Pflege im Krankenhaussektor skizzieren (s. Seite 6f., 9 des Papiers unter: http://www.gruene-bundestag.de/fileadmin/media/gruenebundestag_de/fraktion/beschluesse/Beschluss_Krankenhauspolitik.pdf ). Zentral ist auch hierbei unsere Forderung nach der Entwicklung und Einführung eines Personalbemessungsinstruments im Klinikbereich.

Bei diesen kurzen Anmerkungen möchte ich es an dieser Stelle belassen, wenngleich damit das große Feld der Reformerfordernisse im deutschen Gesundheitswesen und der Pflege natürlich bei weitem noch nicht abgedeckt ist. Bei Interesse können Sie aber weitere Informationen zu grünen Positionen in der Gesundheits- und Pflegepolitik erhalten unter:
http://www.gruene-bundestag.de/themen/pflege_ID_207044.html
http://www.gruene-bundestag.de/themen/gesundheit_ID_127758.html

Ich danke nochmals für Ihre Anfrage und verbleibe
mit freundlichen Grüßen

Elisabeth Scharfenberg