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Dietmar Nietan
SPD
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Frage von Janek R. •

Frage an Dietmar Nietan von Janek R. bezüglich Arbeit und Beschäftigung

Sehr geehrter Hr. Nietan,

Fr. Andrea Nahles hat kürzlich Ihre Vorstellungen der Solidarrente angerissen. Kleine Selbstständige, die zur Zeit die Möglichkeit haben aus der DRV auszuscheiden, sollen künftig gezwungen werden Mitglied in der DRV zu werden.

Meine Fragen

1. Durch die prekären Beschäftigungen mit Subunternehmerstruktur (Vertrieb, Logistik, Bau, Einzelhandel), die maßgeblich durch die SPD Reformen ermöglicht wurden, werden viele kleine Selbstständige durch Zwangsbeiträge an Ihr Existenzminimum gedrängt. Wie wollen Sie da eine gerechte Lösung finden?

2. Gehört zu Solidarität nicht auch, dass derjenige der Wasser predigt keinen Wein trinken darf? Wo also ist in Ihrem Entwurf die Beschneidung der Politiker und Beamten? Wo finde ich also den Passus dass steuerfinanzierte Pensionen nun in die gesetzliche Rente überführt werden?

3. Wie wollen sie garantieren dass jemand der sein ganzes Leben lang gearbeitet hat in der Rente nicht unter das Existenzminimum fällt und auf Staatsleistungen angewiesen ist? (Stichwort : Zug von Düren nach Köln- schon mal erlebt wie in den letzen Jahren immer mehr Rentner Flaschen und Dosen sammeln?)

4. Finden Sie nicht dass die Schweiz ein in weiten Teilen deutlich gerechteres Rentensystem hat?

Für mich ist das bis dato vorgestellte Programm zur Bundestagswahl in keinster Weise sozial gerecht, so dass ich als langjähriger SPD Wähler ein massives glaubwürdigkeitsproblem habe. Der große Titel : "Soziale Gerechtigkeit" passt mit dem Inhalt für mich nicht überein.

Ich hoffe auf Erläuterungen.

Mit freundlichen Grüßen
Janek Richter

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Richter,

haben sie Dank für Ihre Fragen, auf die ich gerne etwas ausführlicher eingehen möchte.

Zu 1.) Wir haben in Deutschland zahlreiche Selbstständige, die für das Alter keinerlei Absicherung haben und später auf Sozialleistungen angewiesen sein werden. Es ist auch keine neue Forderung der SPD, Selbstständige besser abzusichern und in das gesetzliche Rentensystem einzubeziehen. Daher ist dies auch ein wichtiger Punkt im Rentenkonzept von Martin Schulz und Andrea Nahles. Ich halte die Einbeziehung von Selbstständigen auch für richtig.

Natürlich muss aber ein solcher Plan auch zur Situation der Selbstständigen passen und darf nicht in „Zwangsbeglückung“ ausarten. Uns ist bewusst, wie schwierig es für viele Selbstständige ist, zusätzlich zu Steuern, Krankenversicherung und ggf. neben den Gehältern von Angestellten noch Rentenbeiträge aufzubringen. Uns ist bewusst, dass die Einführung einer Pflicht zur Mitgliedschaft in der gesetzlichen Rentenversicherung für Selbständige bei vielen Selbstständigen erst einmal für Skepsis sorgt. Ihre Argumente werden wir in unsere Überlegungen selbstverständlich einbeziehen, damit es nicht zu Härten kommt. Für Ihre Hinweise an dieser Stelle daher besten Dank! Ihre Bedenken werde ich gerne auch an meine zuständigen Fachkollegen in der SPD-Fraktion weitertragen.

Im Gesamtkonzept zur Alterssicherung vom November 2016 geht Arbeitsministerin Nahles detaillierter auf die Pläne der SPD ein. Dort ist folgendes festgehalten:

Wer bereits in ein für seine Berufsgruppe obligatorisches Absicherungssystem einzahlt, muss nicht auch noch in die gesetzliche Rentenversicherung einzahlen. Geringfügig selbstständig Tätige sind - weiterhin - kraft Gesetzes versicherungsfrei in der gesetzlichen Rentenversicherung. Die wirtschaftlich häufig schwierige Phase der Existenzgründung wird durch ein Befreiungsrecht für den Beginn einer Tätigkeit berücksichtigt. Besonders wichtig aus meiner Sicht: Selbstständige brauchen die Möglichkeit, Rentenversicherungsbeiträge an ihre wirtschaftliche Leistungsfähigkeit anzupassen. Dazu gehören Erleichterungen am Anfang einer versicherungspflichtigen Selbstständigkeit, aber auch eine Abminderung der Beiträge, wenn es wirtschaftlich mal nicht rund läuft. Die Gesamtbelastung mit Sozialversicherungsbeiträgen insbesondere für gering verdienende Selbstständige muss sich in Grenzen zu halten. Beiträge zur gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung müssen einer Gesamtbetrachtung unterliegen.

Zu 2.) Wenn Politiker oder Beamte weniger Altersbezüge erhielten, bedeutet das nicht automatisch, dass alle anderen automatisch mehr Geld erhielten. Doch ich gebe Ihnen Recht, dass auch die Beamtenpensionen stärker an die Gegebenheiten des Rentensystems angepasst werden müssen. Das Grundsatzprogramm der SPD fordert, die gesetzliche Rentenversicherung langfristig auf alle Erwerbstätigen auszudehnen, also auch Beamte einzubeziehen. Kurzfristig kann dieses Ziel jedoch nicht verwirklicht werden, weil wesentliche Elemente der Beamtenversorgung durch Artikel 33 des Grundgesetzes geschützt sind. Zudem ist der Bund nur für die Versorgung der Bundesbeamten zuständig; die Regelungen für die viel größere Zahl der Landesbeamten werden von den jeweiligen Bundesländern getroffen. Mit dem Versorgungsänderungsgesetz hat 2001 die damalige rot-grüne Bundesregierung ja bereits Anpassungen vorgenommen, so wurde z.B. der sog. Riester-Faktor in die damals noch bundeseinheitliche Beamtenversorgung übernommen. Auch die Anhebung der Regelaltersgrenze in der Rentenversicherung wurde in die Versorgung der Bundesbeamten übernommen.

Die SPD hat sich auch im Bereich der Krankenversicherung für eine Bürgerversicherung stark gemacht, also ein System, in das alle gemeinsam einzahlen – auch die Beamten! Derartige Ziele sind aber mit der Union als Koalitionspartner nicht zu erreichen.

Zu 3.) Ja, in der Tat kann man beobachten, dass immer mehr Rentner Flaschen sammeln oder auf Grundsicherung im Alter angewiesen sind. Dies ist eine für Deutschland beschämende Entwicklung. Gute Renten zukunftsfest zu machen ist Ziel der SPD. Wir haben in letzter Zeit auch bereits viel durchsetzen können: Rentenausgleich zwischen Ost und West, Betriebsrenten für mehr Beschäftigte, die abschlagsfreie Rente mit 63 nach 45 Beitragsjahren. Mit dem neuen Rentenkonzept sollen nun weitere Verbesserungen beschlossen werden.

Für gute Rente braucht es zunächst aber auch einmal gute Arbeit. Mit der Einführung des Mindestlohns, mehr Lohngerechtigkeit für Frauen, der BaföG-Reform, massiven Bildungsinvestitionen, Hilfen zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf oder der Bekämpfung des Missbrauchs von Leiharbeit und Werkverträgen haben wir Maßnahmen durchgesetzt, die mehr Menschen in gute Arbeit bringen, was schließlich auch deren Chance auf eine gute Altersrente erhöht.

Zu 4.) Sicherlich können wir beim Blick in andere Länder noch dazulernen! Das Drei-Säulen-Modell in der Schweiz hat neben den Unterschieden durchaus auch Gemeinsamkeiten mit dem deutschen System (beispielsweise ist die dritte Säule ähnlich wie die Riester-Renten aufgebaut). Im Schweizer System zahlen im Übrigen auch die Selbstständigen verpflichtend in die erste Säule der Rentenversicherung ein.

Sehr geehrter Herr Richter, ich hoffe, dass ich Ihnen meine Haltung deutlich machen konnte. Gerne bin ich auch bereit, mit Ihnen persönlich über die Lage in unserem Land zu sprechen. Vielleicht kennen Sie meine Aktion „Sie machen den Kaffee, ich bringe den Kuchen mit“. Ich komme zu Bürgern nach Hause, die Freunde oder Bekannte in ihr Wohnzimmer eingeladen haben und wir sprechen eine Stunde über Politik. Nähere Informationen hierzu finden Sie auf meiner Homepage: http://www.dietmar-nietan.de/html/44817/welcome/Kaffee--Kuchen.html

Mit freundlichen Grüßen
Dietmar Nietan, MdB

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