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Dietmar Nietan
SPD
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Frage von Alfred S. •

Frage an Dietmar Nietan von Alfred S. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Nietan

Ich möchte gerne von Ihnen als, Sozial Demokrat, wissen, ob Sie für die vorgesehene Grundgesetzänderung, in der auch die Privatisierung der Autobahnen beschlossen werden soll, stimmen werden oder nicht. Bei der Maut haben Sie ja schon den Standpunkt der CSU unterstützt.

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Schischke,

vielen Dank für Ihre Anfrage über Abgeordnetenwatch.

Ich habe den gestern beschlossenen Grundgesetzänderungen zugestimmt. Dabei ging es auch um die Gründung einer Infrastrukturgesellschaft, die sich in Zukunft um die deutschen Autobahnen kümmern wird.

Entgegen vieler Befürchtungen: Die Privatisierung von Autobahnen ist vom Tisch. Viele haben sich Sorgen gemacht, dass mit den nun verabschiedeten Grundgesetz-Änderungen zur Neuregelung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen Hintertüren für eine Privatisierung deutscher Autobahnen öffnen würden. Doch das Gegenteil ist richtig: Wir schließen die Türen, die bislang offen standen. Alle Hürden und Schranken, die nun Privatisierungen verhindern, sind von der SPD eingebaut worden!

Der neutrale Bundesrechnungshof hat zum Gesetzgebungsverfahren in seinem jüngsten Bericht vom 24.05. 2017 Stellung genommen. Darin heißt es klipp und klar:

"Der Änderungsantrag berücksichtigt in weiten Teilen die Anregungen des Bundesrechnungshofes zur Organisation der Infrastrukturgesellschaft. Danach muss das Parlament einem möglichen Rechtsformwechsel der Infrastrukturgesellschaft zustimmen. Darüber hinaus ist jegliche Privatisierung der Bundesautobahnen ausgeschlossen."

Die wichtigsten Punkte:

1. Die Bundesfernstraßen bleiben zu 100 Prozent im unveräußerlichen Eigentum des Bundes, ebenso die Infrastrukturgesellschaft, die für Planung, Bau und Betrieb der Autobahnen zuständig sein wird. CDU-Finanzminister Schäuble und CSU-Verkehrsminister Dobrindt wären bereit gewesen, 49 Prozent dieser Gesellschaft an private Investoren zu verkaufen. Das hat die SPD wir verhindert, bevor das Gesetzgebungsverfahren den Bundestag erreicht hat.

2. Eine unmittelbare oder mittelbare Beteiligung Dritter an der Infrastrukturgesellschaft und deren Tochtergesellschaften wird in Artikel 90 Absatz 2 des Grundgesetzes ausgeschlossen. Damit ist klar: Die Gesellschaft bleibt zu 100 Prozent staatlich, zu null Prozent privat!

3. Ausgeschlossen wird auch eine funktionale Privatisierung durch die Übertragung eigener Aufgaben der Gesellschaft auf Dritte, z.B. durch sogenannte Teilnetz-ÖPP. Einfachgesetzlich wird geregelt, dass Öffentlich-Private Partnerschaften (ÖPP) nur auf der Ebene von Einzelprojekten bis maximal 100 Kilometer Länge erfolgen, die nicht räumlich miteinander verbunden sein dürfen. Im Übrigen: ÖPP sind nicht automatisch gleichbedeutend mit Privatisierung!

4. Zu guter Letzt war den SPD-Abgeordneten wichtig, dass die Reform nicht zu weniger demokratischer Kontrolle und Einflussnahme führt, sondern dass die Informations- und Steuerungsrechte des Bundestages gewahrt bleiben und ausgebaut werden. So bedürfen zum Beispiel der Gesellschaftervertrag und wesentliche Änderungen der vorherigen Zustimmung durch den Haushaltsausschuss und den Verkehrsausschuss des Deutschen Bundestages. Abgeordnete des Bundestages werden im Aufsichtsrat der Gesellschaft vertreten sein.

Die SPD hat also nicht der Privatisierung Vorschub geleistet, sondern alles getan, was unter den derzeitigen politischen Mehrheitsverhältnissen möglich ist, um Privatisierungen zu verhindern. Machen wir uns doch nichts vor: Wäre alles nach dem Plan der Union gelaufen, hätte einer Privatisierung deutscher Autobahnen nichts mehr im Weg gestanden. Das neoliberale Glaubensbekenntnis „Privat vor Staat“ beten wir nicht mit, denn wir sehen die negativen Auswüchse des Privatisierungsrauschs der schwarz-gelben Jahre. Wer auch in Zukunft weniger Privatisierung will, muss bei der kommenden Bundestagswahl für Mehrheiten links von schwarz-gelb sorgen!

Zum Thema PkW-Maut möchte ich noch hinzufügen: Niemand in der SPD hat den Standpunkt der CSU unterstützt, im Gegenteil. Wir befinden uns aber in einer Regierungskoalition und nehmen unsere Verantwortung als zuverlässiger Koalitionspartner ernst. Gleichermaßen musste die CDU/CSU zentralen sozialdemokratischen Vorhaben wie der Einführung eines Mindestlohns zustimmen, obwohl dies für viele Unionsabgeordnete eine bittere Pille war.

Mit freundlichen Grüßen

Dietmar Nietan, MdB

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