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Daniela Wagner
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Frage von Felix L. •

Frage an Daniela Wagner von Felix L. bezüglich Umwelt

Sehr geehrte Frau Wagner,
mit Bestürzung musste ich feststellen, dass auch Ihr Name über einem Antrag zur Änderung des Grundgesetzes vom 25.09.2018 steht. Im Antrag fordern Sie, dass ein Verbot der Nutzung von Kernenergie ins Grundgesetz aufgenommen wird. Leider wird hier nicht von Kernspaltung, sondern von Kernenergie im allgemeinen gesprochen. Somit wäre auch die sehr klima- und umweltfreundlich Kernfusion schon durch das Grundgesetz verboten, bevor sie überhaupt wirtschaftlich genutzt werden kann. Auch andere Kernspaltungsreaktoren (etwa Flüssigsalzreaktoren) wären vom Verbot betroffen. Wie Sie wissen, wäre ein solches Verbot aus dem Grundgesetz unglaublich schwer wieder zu entfernen.
Sie möchten mit dem Verbot verhindern, dass Klimaschutz und Atomausstieg politisch gegeneinander ausgespielt werden. Leider können Sie mit dem Verbot den existierenden Zusammenhang zwischen der Nutzung der Kernenergie und dem Klimaschutz trotzdem nicht entfernen.
Können Sie darlegen, wieso Sie sich entschlossen haben, ein so umfassendes Verbot zu fordern, das auch Kernfusion oder Thoriumreaktoren verhindern würde?
Da Sie befürchten, dass Atomausstieg und Klimaschutz gegeneinander ausgespielt werden, besteht wohl durchaus bewusstsein für das enorme CO2-Einsparpotential.
Woher nehmen Sie die Sicherheit, dass Kernenergie im Kampf gegen den Klimawandel auch in den nächsten Jahrzehnten verzichtbar bleiben wird?
Der Umweltschützer Michael Shellenberger hat in Berlin einen Vortrag zum Thema Kernenergie und Klimaschutz gehalten, der Ihnen womöglich schon bekannt ist (Falls nicht: https://www.youtube.com/watch?v=ciStnd9Y2ak).
Mich würde insbesondere interessieren, wieso ein International anerkannter Umweltschützer zu so anderen Ergebnissen kommt als Sie.
Vielen Dank!

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr L.,

vielen Dank für ihre Anfrage hinsichtlich Atomkraft und Klimaschutz. Tschernobyl wird ebenso wie das japanische Fukushima für immer mahnendes Beispiel für die Unbeherrschbarkeit und Risiken sein, die mit der Atomkraft einhergehen. Deswegen brauchen wir einen konsequenten Atomausstieg und eine nachhaltige Energiewende!

Deutschland könnte mit seinem Atomausstiegsbeschluss Vorreiter eines weltweiten Atomausstiegs werden. Dazu muss der deutsche Atomausstieg konsequent, glaubwürdig und erfolgreich sein. (https://gruenlink.de/1jyi)

Hierzu gehören für uns auch der Verzicht auf Thoriumreaktoren und der Ausstieg aus der Forschung an der Kernfusion. Nicht umsonst wurde in Deutschland der Thoriumhochtemperaturreaktors (THTR) im nordrhein-westfälichen Hamm-Uentrop bereits 1989 aufgrund der hohen Störanfälligkeit wieder stillgelegt, nach einer Betriebszeit von nur 423 Tagen.

Die Kernfusion steckt noch immer in der Forschungsphase und ist daher aktuell keine Technologie, die uns zur Verfügung steht. Der Fusionsreaktor ITER ist ein Fass ohne Boden. Obwohl die EU einen Kostendeckel in Höhe von 6,6 Milliarden für den Fusionsreaktor ITER beschlossen hatte, sollen nun ab dem Jahr 2021 weitere Kosten in Höhe von mehr als fünf Milliarden Euro auf sie zukommen. Dieses Vorhaben ist von Anfang an ein Rohrkrepierer, das Steuergelder ohne erkennbaren Nutzen verschlingt. Sollte man in der Zukunft mittels Kernfusion überhaupt jemals Energie erzeugen können, müssen wir bis dahin die Energiewende längst geschafft haben. Wind- und Sonnenstrom werden dann unschlagbar günstig sein.

Bereits 2002 hatte die Enquete-Kommission des Deutschen Bundestages zum Thema Nachhaltige Energieversorgung auf Bitten der CDU/CSU-Fraktion wie viele Atomreaktoren notwendig wäre, um alle konventionellen Kraftwerke durch Atomreaktoren zu ersetzen. Die Untersuchung hatte ergeben, dass hierfür 60 Atomreaktoren notwendig wären. Bis 2050 müssten bis zu zwei Atomreaktoren fertig gestellt werden. Aufgrund der Errichtungszeit müsste an bis zu 16 Meilern gleichzeitig gebaut werden.

Auch hat der Sachverständigenrat für Umweltfragen die Atomenergie aufgrund der Gefahren, die auch von der Endlagerung des Atommülls ausgehen, des Störfallrisikos der Atomreaktoren, der Umwelt- und Gesundheitsbelastung durch den Uranabbau, den Verbrauch nicht-erneuerbarer Ressourcen und den hohen Kosten der Technologie, nicht zuletzt auch wegen der hohen Kosten für die Endlagerung des Atommülls, diese als nicht nachhaltig eingestuft. (Siehe https://gruenlink.de/1jyh)

Wir haben uns auf den Weg gemacht und wollen zeigen, dass Atomausstieg, Klimaschutz, Wirtschaftskraft und hoher Lebensstandard zusammengehen. Wir wollen das Ende der Kohleverstromung jetzt verbindlich einleiten. 20 besonders schmutzige Kraftwerksblöcke sollen direkt vom Netz, der Rest wird dann Schritt für Schritt stillgelegt. Die betroffenen Regionen wollen wir über einen neuen Strukturentwicklungsfonds unterstützen, um neue Beschäftigungsmöglichkeiten zu schaffen.

Wir wollen auf 100 Prozent Ökostrom umsteigen. Und wir wollen die Energiewende wieder zu einem gesellschaftlichen Projekt machen, bei dem jeder und jede zum Mitmachen eingeladen wird. Mieter, Hausbesitzer und Unternehmen sollen sich beteiligen und vom kostengünstigen Strom aus Sonne und Wind profitieren können. Die Kosten des EEG wollen wir endlich fair verteilen.

Über die Hälfte des Energieverbrauchs entfällt auf die Wärmeversorgung. Die Fachwelt ist sich einig, dass die Klimaziele ohne den Umbau unserer Wärmeversorgung nicht zu erreichen sind. Wir stehen vor der Aufgabe, den Wärmebedarf deutlich zu senken und die Wärmeversorgung auf Erneuerbare und Abwärmenutzung umzustellen. Das kann aber nur gelingen, wenn die Menschen mit einbezogen werden und Wohnen und Heizen bezahlbar bleiben.

Mit freundlichen Grüßen
Daniela Wagner