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Cornelia Möhring
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Frage von Marc E. •

Frage an Cornelia Möhring von Marc E. bezüglich Recht

Sehr geehrte Frau Möhring,

Sie haben in der letzten Sitzung über Sexismus in Deutschland gesprochen und für angebliche Straflücken den Fall Gina-Lisa Lohfink angeführt. Ich möchte wissen, ob Sie folgenden Artikel des Spiegels kennen: http://www.spiegel.de/politik/deutschland/gina-lisa-lohfink-affekt-justiz-kolumne-a-1098597.html

Hiernach konnte weder nachgewiesen werden, dass Frau Lohfink K.O.-Tropfen zugefügt wurden. Stattdessen hat ihr eigener Anwalt laut Artikel von "einvernehmlichen sexuellen Handlungen" gesprochen. Weiterhin zitiere ich den Artikel: "Im Zuge einer Hausdurchsuchung bei den der Vergewaltigung bezichtigten Männern wurden insgesamt elf Videodateien sichergestellt. Auf den Filmen, die nicht im Netz stehen, sieht man, wie das Model tanzt, singt, einen der Männer küsst und zwischendurch immer wieder das Zimmer verlässt." Zudem wurde nicht bewiesen, ob sich das "nein" auf die sexuelle Handlung oder auf das Filmen bezog.

Ich möchte Sie daher fragen, wie Sie es mit dem in-dubio-pro-reo-Grundsatz halten. Die Indizien haben nicht für eine Vergewaltigung gesprochen. Es war nicht nachweisbar, dass sich das "nein" auf die sexuelle Handlung bezog. Man konnte auf nicht veröffentlichten Videoabschnitten sehen, dass Frau Lohfink immer wieder den Raum verlässt. Es wurden keine K.O.-Tropfen nachgewiesen, die Frau Lohfink angeblich aber zugeführt wurden nach ihrer Behauptung.

Wenn Sie anhand dieser Umstände eine Verurteilung und eine Anzeige wegen falscher Verdächtigung ablehnen, heißt das doch, dass Sie lieber zwei nach den Beweisen Unschuldige Personen im Gefängnis sehen wollen. Daher meine Frage: will die LINKE im Sexualstrafrecht den in-dubio-pro-reo-Grundsatz abschaffen? denn nix anderes wird mit dem Fall Gina-Lisa Lohfink gefordert. Oder aber sind Sie der Meinung, dass der Spiegel lügt? Dann bitte ich Sie, dies näher auszuführen anhand der Erkenntnisse, die Ihnen vorliegen und vom Spiegel zurückgehalten werden darzulegen.

mit freundlichen Grüßen

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Antwort von
DIE LINKE

Sehr geehrter Herr Eichhardt,

es geht mir und meiner Fraktion in keinster Weise darum, den Grundsatz des „im Zweifel für den Angeklagten“ abzuschaffen. Das ist und bleibt ein zentraler Kern unseres Rechtssystems. Und dieser wird auch nicht mit dem inzwischen einstimmig von allen Fraktionen verabschiedeten Prinzip des „Nein heißt Nein“ angetastet. Genau deshalb wird, so wurde bereits an verschiedenen Stellen und auch von mir gesagt, dass vermutlich die Zahl der Verurteilungen durch das „Nein heißt Nein“ nicht markant ansteigen wird. Denn die meisten Fälle geschehen in Zweierkonstellationen und sind schwer zu beweisen.

Bei Gina-Lisa Lohfink allerdings existiert ein Video, das der Öffentlichkeit zugänglich war, auf dem die Betroffene immer wieder hörbar „Hör auf“ und „Nein“ sagt. Meine Frage an dieser Stelle ist nicht, ob die Angeklagten im Zweifel freigesprochen werden sollte. Das sollten sie auf jeden Fall. Meine Frage ist vielmehr, weshalb ausgerechnet in Fällen wie diesem immer weiterhin und immer noch größere Zweifel bestehen. Warum verbleiben sie trotz der starken Indizien genau im Moment, wenn eine Frau eine Vergewaltigung anzeigt, von der auch in der öffentlichen Berichterstattung hauptsächlich im Zusammenhang mit ihrem Beruf oder ihrem Aussehen gesprochen wird?

Meine Fraktion und ich fordern deshalb auch Maßnahmen über das Strafrecht hinaus, so etwa Fortbildungen und Sensibilisierungen bei Justiz und Polizei im Umgang mit Betroffenen sexualisierter Gewalt. Es geht auch darum, bewusste und unbewusste sexistische Vorstellungen aus den Köpfen herauszubekommen.

Mit freundlichen Grüßen,
Cornelia Möhring

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