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Claudia Roth
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Frage von Hans-Günter G. •

Frage an Claudia Roth von Hans-Günter G. bezüglich Umwelt

Sehr geehrte Frau Roth,

Umweltminister Peter Altmeier entwickelt beim Stichwort "Endlagersuche" einen Aktionismus, der stellenweise schon peinlichist ( http://www.tagesschau.de/inland/endlagersuche136.html )
Seit über 30 Jahren sucht man ein solches "sichere Endlager", und jeder des logischen Denkens fähige Mensch weiß, dass es ein solches Endlager nicht gibt und geben kann.
Die Baugenehmigung des ersten Atommeilers war ein Zusammenspiel von Dummheit, Korruption und krimineller Energie. Denn die Produktion von tödlich strahlendem Müll, ohne zu wissen wohin damit, hätte niemals genehmigt werden dürfen und war kriminell.
( http://www.tagesschau.de/kommentar/endlager-kommentar100~_origin-2c43a838-f627-4a18-8f3b-79f2de97eee7.html )
Nun werden die ersten Atommeiler abgebaut und es müssen auch hochgradig verstrahlte Elemente "entsorgt" werden.

Meine Fragen an Sie:

Glauben Sie an das Finden eines sicheren Endlagers?

Da man bis heute noch keines gefunden hat, müsste da nicht die konsequente Schlussfolgerung sein, sofort jede weitere Produktion von Atommüll zu stoppen, also das sofortige Abschalten aller Atomreaktoren?

Haben Sie als Grünenpolitikerin kein schlechtes Gewissen, wenn weiter das Auffinden eines sicheren Endlagers der Bevölkerung vorgegaukelt wird und Ihre Partei macht dieses Schmierentheater mit?

Haben Sie schon Kenntnis, wie die Finanzierung des gesamten Atomausstiegs geregelt wird?

Sollten die Bürger an den Kosten beteiligt werden, dürfen sie dann auch einen angemessenen Teil des Gewinns einklagen?

Werden Sie und Ihre Partei dafür sorgen, dass nach dem Ursachenprinzip verfahren wird, nämlich, wer gefährlichen Dreck produziert, muss ihn auch sicher Entsorgen.

Für Ihre zeitnahe Antwort bedanke ich mich.

Hans-Günter Glaser

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Glaser,

wir haben als Partei lange und ausführlich debattiert und dann beschlossen, den Atomausstieg bis 2022 gemeinsam mit den anderen Partei mitzutragen. Es wäre politisch auch nicht zu vermitteln gewesen, die Chance zu versäumen, sich ausgerechnet als Atomausstiegspartei des Atomausstiegsbeschlusses zu verweigern. Allerdings sagen wir auch, dass die Atomkraftwerke den höchsten Anforderungen an Sicherheit genügen müssen. Sonst werden sie vorher abgeschaltet, denn ein Ausstieg vor 2022 ist prinzipiell möglich.

Wir wollen die Rahmenbedingungen so setzen, dass die Nutzung der Atomkraft sicher, schnell und endgültig beendet wird. Wir werden die Sicherheitsanforderungen - anders als Schwarz-Gelb - erhöhen und wieder auf den Stand von Wissenschaft und Technik bringen. Falls diese Standards nicht eingehalten werden können, müssen die betreffenden AKW vom Netz genommen werden. Das kann den Atomausstieg beschleunigen. Wir werden dafür sorgen, dass bei allen AKW noch mindestens eine Periodische Sicherheitsüberprüfung durchgeführt wird und Vorsorge gegen Flugzeugabsturz verlangen. Die Atomwirtschaft hat bisher die Profite eingesteckt und die Risiken sozialisiert. Wir wollen dagegen die Versicherungspflicht entsprechend ausweiten. Außerdem sollen die Rückstellungen für Stilllegung und Rückbau in einen öffentlich-rechtlichen Fonds überführt werden.

Ein sicheres Endlager ist keine Glaubensfrage, sondern hängt vom politischen Willen unserer Generation ab. Auf der Grundlage des neuen Standortauswahlgesetzes soll ein ehrlicher Neuanfang für die Suche nach dem bestmöglichen Endlager für hochradioaktive Abfälle zügig angeschoben werden. Aus dem Parteienkonsens muss aber auch ein gesellschaftlicher Konsens werden, um die Akzeptanz für das ergebnisoffene Suchverfahren auf eine breite Basis zu stellen. Wenn wir jetzt über die Möglichkeit eines Endlagers generell reden, öffnet das Tür und Tor für diejenigen Stimmen, welche den Atommüll gerne exportieren würden. Das lehnen wir Grüne kategorisch ab. Wer Atommüll produziert, muss dafür auch geradestehen.

Für die Endlagerung des Atommülls setzen wir auf das Konzept der "Bergbarkeit". Dabei wird das Bergwerk verschlossen und von der Biosphäre so gut wie möglich getrennt. „Bergbarkeit“ heißt vor allem optimale Behälter zu entwickeln, die eine Haltbarkeit gewährleisten wie wir sie heute noch nicht kennen. Mindestens 500 Jahre müssten die Behälter unter Tage definitiv stabil bleiben. Nach dieser Zeitspanne sollte eine Bergung der Atommüllbehälter wegen der damit verbundenen Risiken nicht mehr angestrebt werden. Das Konzept der Bergbarkeit gibt damit mindestens 15 Generationen die Möglichkeit, den Müll rückzuholen und ein eigenes Konzept umzusetzen. Anders als ein offen gehaltenes Endlager trifft dieses Konzept aber auch Vorsorge für den Fall, dass sich im Lauf der Jahrhunderte niemand mehr um den Atommüll kümmert.

Natürlich wird noch weiterer hochradioaktiver Atommüll anfallen, bis das letzte AKW abgeschaltet ist. Doch bereits die heute angefallene Menge stellt uns vor eine enorme Herausforderung. Statt einer Debatte über die Sofortabschaltung, müssen wir jetzt auf o.g. Sicherheitsauflagen drängen. Damit können wir am effektivsten die anfallende Menge Atommüll noch reduzieren.

Wir Grüne wollen, dass die AKW-Betreiber alle Kosten für die Entsorgung des Atommülls tragen und die Rücklagen dafür in einen öffentlich-rechtlichen Fonds überführt werden. Die von Ihnen geforderte Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger an den Gewinnen der Atomkonzerne wäre faktisch eine Verstaatlichung. Dafür fehlen derzeit die politischen Mehrheiten. Der größte Gewinn für die Menschen wäre, die Macht über die Energieversorgung von den großen Energiekonzernen auf die breite Masse zu übertragen. Mit unserem Konzept für eine faire Energiewende in BürgerInnenhand wollen wir genau das erreichen.

Mit freundlichen Grüßen

Das Mitarbeiter-Team im Bundestagsbüro

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