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Christoph de Vries
CDU
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Frage von Svea M. •

Frage an Christoph de Vries von Svea M. bezüglich Staat und Verwaltung

Bundestagspräsident Schäuble ist im Plenum damit gescheitert, die Anzahl der Bundestagsmandate für die Zukunft zu reduzieren. Dazu wollte er die Anzahl der Wahlkreise von 299 auf 27o verringern und zusätzlich die Anzahl der Überhangmandate deckeln. Dafür hat er im Bundestag keine Mehrheit bekommen.
Wir leisten uns jetzt schon das zweitgrößte Parlament der ganzen Welt. Mit welcher Begründung sträuben sich die derzeitigen Abgeordneten? Sie alle und auch sie haben sich verpflichtet, zum Wohle des Volkes zu handeln. Wie ist das in diesem Falle noch zu rechtfertigen?

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Antwort von
CDU

Sehr geehrte Frau Missfeldt,

herzlichen Dank für Ihre Anfrage auf www.abgeordnetenwatch.de.
Bitte entschuldigen Sie die Verzögerung, ich hatte die Antwort versehentlich nicht abgesendet.

Ich kann Ihren Unmut darüber, dass in dieser Frage keine Einigung erzielt werden konnte, sehr gut nachvollziehen.
Leider hat sich dies Ergebnis bereits angedeutet, nachdem Anfang des Monats die Gespräche der Arbeitsgruppe "Wahlrechtsreform"
mit Vertretern aller Fraktionen unter Leitung des Bundestagspräsidenten zu Ende gingen, ohne dass ein Konsens vorlag.

Die Arbeitsgruppe sollte eruieren, wie man unter Beibehaltung des bisherigen so genannten "personalisierten Verhältniswahlrechts" eine Verkleinerung des Bundestages erreichen könnte. Unser geltendes Wahlrecht zeichnet sich einerseits durch Abgeordnete aus, die in den Wahlkreisen jeweils mit relativer Mehrheit gewählt werden = personales Element.
Die Mehrheitsverhältnisse im Deutschen Bundestag sind im Wesentlichen proportional zu den auf die Parteien entfallenden Zweitstimmen = Verhältniswahl.
Die Verteilung der Mandate erfolgt im Wesentlichen gleichgewichtig nach Einwohnerzahlen auf die Länder und Landeslisten der Parteien = föderatives Element.

Das geltende Wahlrecht geht von einer Anzahl von 598 Mandaten aus, von denen die Hälfte über die 299 Wahlkreise bestimmt werden sollen.
Derzeit verfügt der Bundestag aber über 709 Abgeordnete, von denen 410 über die Liste bestimmt wurden. Dies ist der Umsetzung des Urteils des Bundesverfassungsgerichts geschuldet, die den vollumfänglichen Ausgleich von Mandaten vorsieht, um Verzerrungen zu begegnen.

Um eine Verkleinerung des Bundestages zu erreichen, fokussierten sich Grüne, FDP und Linke auf eine Reduzierung der Wahlkreise.
Dieser Vorschlag bringt jedoch nur durch eine sehr deutliche Reduzierung der Wahlkreise und die Aufhebung des regionalen Proporzes etwas für die Gesamtgröße des Parlaments.
So haben sich diese Parteien für die Reduzierung von 299 auf 250 Wahlkreise ausgesprochen und wollen gleichzeitig den regionalen Proporz durch die Oberverteilung auf die Länder abschaffen. Dieser Idee konnten wir als Unionsfraktion nicht zustimmen. Einerseits wären damit die Wahlkreise in ihrer Größe gerade im ländlichen Raum deutlich angewachsen. Dies hätte dazu geführt, dass in vielen Regionen praktisch keine regionalen Abgeordneten mehr präsent gewesen wären, dass die Wahlkreise im ländlichen Raum eine Größe erreicht hätten, die ein dort direkt gewählter Abgeordneter nicht mehr sinnvoll betreuen könnte. Aus unserer Sicht hat sich die Anzahl und die Größe der Wahlkreise bewährt.
Auch einen Proporz nach Ländern halten wir für sinnvoll, so dass sich die Regionen angemessen im Parlament vertreten fühlen und nicht bestimmte Regionen außen vor bleiben.
Ein Wegfall der länderbezogenen Mandatsvermittlung wäre zudem mit starken verfassungsrechtlichen Bedenken einhergegangen.

Unsere Vorschläge, entweder einen Teil der Überhangmandate nicht auszugleichen oder das mathematische Verfahren zur Mandatszuteilung zu verändern und zu einer Dämpfung des Aufwuchses des Bundestages zu kommen, wurden von den anderen Fraktionen rundheraus abgelehnt.

Daraufhin hat der Bundestagspräsident einen Vorschlag unterbreitet der beide Elemente beinhaltet, eine Reduzierung der Wahlkreise, einen Verzicht auf den Ausgleich von bis zu 15 Überhangmandaten und die Beibehaltung des Regionalproporzes. Nach diesem Modell hätte der Bundestag nach dem Wahlergebnis von 2017 641 statt 709 Mandate gehabt. Auch dieser Vorschlag wurde durch die Vertreter der anderen Parteien vehement kritisiert, insbesondere für die Beibehaltung des regionalen Proporzes, so dass hier letztendlich leider kein Kompromiss erzielt werden konnte.

Bitte entschuldigen Sie, dass ich Ihnen so ausführlich zu dieser Thematik geschrieben habe. Ich wollte damit nur illustrieren, wie komplex das Thema ist und dass das Bundesverfassungsgericht den Justiziaren der Fraktionen keine leichte Aufgabe aufgegeben hat. Auch ich trete für eine Verkleinerung des Parlaments ein, dies darf jedoch nicht um jeden Preis geschehen. Ich bin jedoch der Meinung, dass die Überlegungen dringend fortgeführt werden müssen.

Aus Sicht unserer Fraktion ließe sich eine dauerhafte Lösung am besten durch einen vollständigen Systemwechsel realisieren: Ein Teil der Abgeordneten wird mit der Erststimme direkt gewählt, ein Teil mit einer Zweitstimme über Landeslisten, auf die die mit Erststimme direkt gewählten Abgeordneten nicht angerechnet werden würden. Dies würde aus unserer Sicht allen Bedenken Rechnung tragen und die Bundestagsgröße dauerhaft auf 598 Mandate festlegen.

Mit freundlichen Grüßen

Christoph de Vries

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