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Christine Buchholz
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Frage von Alfons S. •

Frage an Christine Buchholz von Alfons S. bezüglich Kultur

Sehr geehrte Frau Buchholz,

dem Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Beschneidung von Knaben haben Sie zugestimmt. Was sind Ihre Argumente? Wenn Eltern aus religiösen Gründen eine Bluttransfusion oder eine andere ärztliche Behandlung verweigern und dadurch das Kind stirbt, gehört das nach Ihrer Meinung auch zur Religionsfreiheit oder wo würden Sie die Grenze ziehen? Wenn in einer heiligen Schrift steht, dass eine widerspenstige Ehefrau und ein widerspenstiger Sohn gezüchtigt werden sollen, dass eine Ehebrechering und ein Götzendiener gesteinigt werden sollen, ist das nach Ihrer Ansicht Inhalt der Religionsfreiheit oder gar Ausübung der Rechtspflege?

Freundliche Grüße
Alfons Schwarzenböck

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Antwort von
DIE LINKE

Sehr geehrter Herr Schwarzenböck,

ich halte Ihre Beispiele von Steinigung oder Verweigerung einer ärztlichen Behandlung für nicht mit der Beschneidung von Knaben vergleichbar. Die Beschneidung von Jungen hat eine sehr niedrige Komplikationsrate. Todesfälle sind nicht bekannt.
Ich habe für die Möglichkeit der Beschneidung in Deutschland gestimmt, weil der Gesetzentwurf die Beschneidung minderjähriger Jungen, wie bisher üblich, durch ausgebildete Beschneider und Ärzte erlaubt.
Das Gesetz ist nötig geworden, weil das Kölner Urteil die für Juden und Muslime identitätsstiftende Praxis nicht nur in Frage, sondern auch potentiell unter Strafe stellt. Der alternative Gesetzentwurf aus den Reihen der Opposition, der Beschneidung erst ab 14 Jahren erlauben will, gibt keine Antwort auf die Frage, wie eine Strafe durchgesetzt werden soll. Er ignoriert die Folgen für das Zusammenleben in einer multikulturellen, multireligiösen Gesellschaft. Ich befürchte, hätte er eine Mehrheit bekommen, würde er ein Klima der Denunziation und der Verunsicherung schaffen. Das Kindeswohl von jüdischen und muslimischen Jungen wird durch ein Verbot nicht verbessert. Im Gegenteil: Sie würden in einem Klima der Diskriminierung und Strafverfolgung aufwachsen.
Ein Verbot würde die Situation von Juden und Muslimen in Deutschland verschlechtern, die bereits vor dem Kölner Urteil in ihrem Alltag mit Antisemitismus und wachsendem antimuslimischen Rassismus konfrontiert waren. Ich möchte eine offene, vielfältige und solidarische Gesellschaft. Der Kampf gegen Rassismus und das Eintreten für Minderheitenrechte und Religionsfreiheit ist für mich Kern eines linken Selbstverständnisses.
Nicht zuletzt läuft ein Verbot innerjüdischen und innermuslimischen Reformprozessen zuwider. Ich teile die Einschätzung des Generalsekretärs des Zentralrats der Juden, Stephan Kramer: „Ja wir müssen über vieles reden. (..) Aber wir kommen ja gar nicht dazu, darüber in Ruhe miteinander zu diskutieren, auch in der jüdischen Gemeinde, weil ständig Leute mit dem Finger auf uns zeigen und uns schulmeisterlich als Kinderschänder beschimpfen, oder die Beschneidung mit Folter und Verstümmelung gleichsetzen und von blutigen Ritualen schwadronieren, was mit der geübten Beschneidungspraxis nichts zu tun hat.“

MdB Christine Buchholz