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Christian Lindner
FDP
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Frage von Ferdinand K. •

Frage an Christian Lindner von Ferdinand K. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Lindner,

Es ist zwar schon eine Weile her, aber könnten Sie bitte genauer erklären, was Sie mit einer im Folgenden genauer beschriebenen Äußerung im Rahmen der Koalitionsverhandlungen 2017 genau meinten?
Sie brachen die Verhandlungen mit den Grünen ab und meinten sinngemäß, einige der Forderungen der Grünen hielten Sie für "sogar schädlich".

Welche Positionen der Grünen meinen Sie damit im Detail?
Inwiefern halten Sie diese jeweils für schädlich, bzw gegen welche eigenen Prinzipien verstoßen diese?

Vielen Dank dafür, dass Sie ihren eigenen Vorstellungen treu blieben, anstatt sie für ein Stückchen Macht zu verkaufen.

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Antwort von
FDP

Sehr geehrter Herr K.,

vielen Dank für Ihre Nachfrage zur Sondierung 2017.

Seien Sie versichert, wir haben die Entscheidung, die Sondierungsgespräche zu beenden, nicht leichtfertig getroffen. In der gegebenen Konstellation war eine Koalition der Erneuerung des Landes nicht erreichbar - die Programme der vier beteiligten Parteien waren widersprüchlich. Der letzte Verhandlungsstand enthielt noch insgesamt 237 eckige Klammertexte, sprich nicht konsentierte Positionen. Ich nenne Ihnen exemplarisch einige Punkte, in denen wir den Dissens aufgrund starrer Positionierung der Grünen nicht überwinden konnten:

In der Energiepolitik wollen wir Freien Demokraten das planwirtschaftliche Dauersubventionssystem nach dem Erneuerbaren-Energie-Gesetz (EEG) für Neuanlagen beenden. Die Grünen waren hierzu jedoch nicht bereit. Zudem bot die FDP ein weitreichendes Kompromissangebot zur CO2-Reduktion im Bereich Kohle an, nämlich Kraftwerkskapazitäten im Volumen von 5 GW schnellstmöglich und 2 weitere GW in den kommenden Jahren abzubauen, sofern die Versorgungssicherheit es erlaubt (5+2). Die Grünen kämpften für einen Kapazitätsabbau von 9 - 10 GW. Die FDP konnte dem nicht zustimmen, da ansonsten eine teilweise Deindustrialisierung Deutschlands gedroht hätte, die Versorgungssicherheit gefährdet wäre und die Energiepreise steigen würden. Kraftwerke in Deutschland abzuschalten und dafür Kohlestrom aus Polen oder Atomstrom aus Frankreich zu importieren, ist keine vernünftige Politik.

Beim Verkehr setzen wir Freie Demokraten auf technologieoffene Forschung, Innovationen und Anreize des Marktes statt auf Quoten und Verbote. Die Grünen wollten eine Einschränkung der individuellen Mobilität (Fahrverbote, Tempolimit, blaue Plakette) jedoch nicht eindeutig ausschließen (sondern nur „über alle Verkehrsträger“).

Bei der Migration stehen wir mit unserem Entwurf für ein Einwanderungsgesetz für faire, konsequent angewandte Regeln, die klar zwischen individuell politisch Verfolgten, Kriegsflüchtlingen und dauerhafter Einwanderung in den Arbeitsmarkt unterscheiden. In den Sondierungsgesprächen hat die FDP aus der Position der Mitte argumentiert und eine vermittelnde Rolle eingenommen, die humanitäre Verantwortung mit der Wiedererlangung der Zuwanderungskontrolle verbindet. Während der Gespräche öffnete sich die CDU für ein System der qualifizierten Zuwanderung nach kanadischem Modell. Und auch die Grünen haben Verständnis für mehr Kontrolle bei der Zuwanderung gezeigt. Dennoch gab es am letzten Verhandlungstag keine Einigung und die Grünen lehnten einen Kompromiss ab, bei dem die Schaffung eines Einwanderungsgesetzes mit Punktesystem, wenn auch ohne umfassenden Spurwechsel von der Flüchtlings- in die Arbeitsmigration, festgelegt werden sollte.

Des Weiteren waren eine große Steuerreform und Entlastungen im Umfang von 30 bis 40 Mrd. Euro mit Union und Grünen nicht möglich. Bereits zu Beginn der Sondierungen unterbreitete die FDP den Vorschlag, den Soli in drei Schritten abzubauen und dabei bei den Beziehern geringerer und mittlerer Einkommen zu beginnen. Die vollständige Abschaffung des Solis bis zum Ende der Legislaturperiode war für die FDP immer ein zentrales steuerpolitisches Anliegen der Fairness gegenüber Bürgern und Bürgerinnen. Am letzten Verhandlungstag lag als „Kompromissangebot“ vor, den Soli im Jahr 2020 um 4 Mrd. und im Jahr 2021 um 6 Mrd. Euro zu reduzieren. Der Soli wäre damit lediglich zu einem kleinen Teil schrittweise reduziert, aber der größte Teil bis in die nächste Legislaturperiode fortgeschrieben worden.

Ich hoffe, ich konnte Ihnen einige Punkte deutlich machen, bei denen wir keinen Kompromiss mit den Grünen eingehen konnten, ohne unsere eigenen Anliegen aufzugeben.

Mit freundlichen Grüßen
Christian Lindner

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