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Christa P. Meist
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Frage von Daniel R. •

Frage an Christa P. Meist von Daniel R. bezüglich Arbeit und Beschäftigung

Sehr geehrte Frau Meist,

da ich ein politisch interessierter Mensch bin, habe ich mir das Grundsatzprogramm der Linken durchgelesen und dazu einige Fragen.

Die Linke schreibt:

Grundlage des Handelns der neuen Partei ist der Kampf gegen Sozialabbau und Armut, gegen die Verschlechterung der Arbeitsbedingungen und die Massenarbeitslosigkeit, gegen die Privatisierung öffentlicher Unternehmen und Einrichtungen, gegen patriarchale Strukturen, gegen die Unterordnung ökologischer Fragen unter Profitinteressen…. DIE LINKE prägt ihr Profil aus als Partei des Widerstands, des Protests und der grundsätzlichen Kapitalismuskritik.

Meine Frage hierzu.

Wie soll es finanziell zu stemmen sein diese Ziele um zu setzten?,
-Ohne den Wohlstand den es bei uns gibt zu gefährden (auch wenn das viele anders sehen, die sollen mal in ein anderes Land gehen, da werden Sie merken wie gut es uns geht)?
-Ohne die vorhandene Wirtschaft zu vergraulen und neue Betriebe davon abzuschrecken in unser Land zu investieren?

Dem letzen Satz entnehme ich das die Linke unter anderem aus Protest gewählt werden soll. Meiner Meinung nach sollte man eine Partei nicht aus Protest wählen sonder aus politischer Überzeugung.

Ich bin auf Ihre Antwort gespannt.

Freundlicher Gruß

Daniel Richter

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Antwort von
DIE LINKE

Sehr geehrter Herr Richter,

sicher haben Sie Recht mit der Feststellung, dass es z.B. Menschen in Mali, Argentinien oder Nepal schlechter geht als Hartz-IV-Betroffenen bei uns. Dies ist m.E. jedoch nicht die Frage um die es geht: Nicht irgendwelche linken Spinner schüren Unzufriedenheit, sondern der Reichtums- und Armutsbericht der Bundesregierung stellt fest, dass die Schere zwischen Arm und Reich sich bei uns immer schneller vergrößert (übrigens auch international trotz aller Verlautbarungen der G8-Staaten und der Weltbank oder des Internationalen Währungsfonds).
Diese Kluft gefährdet den inneren Zusammenhalt jeder Gesellschaft und zwingt oder veranlasst Bürgerinnen und Bürger, sich aus demokratischen Entscheidungsprozessen herauszuhalten (`Politikverdrossenheit´). Schon aus diesem Grund sollte jede Gesellschaft bemüht sein, Einkommensunterschiede in sozial verträglichen Grenzen zu halten.
Diese Kluft gefährdet auch den allgemeinen Wohlstand: Allgemeiner Wohlstand ist etwas anderes als die statistische Aussage: „Wenn ich mit einem Bein auf der Herdplatte stehe und mit dem anderen in der Tiefkühltruhe, geht es mir durchschnittlich gut.“
Der sog. allgemeine Wohlstand geht an einigen Bevölkerungsgruppen völlig vorbei: an kleinen Gewerbetreibenden und Handwerkern ebenso wie an kleinen und mittelgroßen Landwirten und an der Masse der abhängig Beschäftigten. Deshalb ist die Annahme, eine an sozialer Gerechtigkeit orientierte Politik könne „die Wirtschaft“ vergraulen schlichtweg undifferenziert und dadurch falsch. Mein Bäcker und mein Metzger konkurrieren weder global noch profitieren sie von den enormen Gewinnsteigerungen der großen Konzerne. Im Gegenteil: Ihre Betriebe können nur dann rentierlich arbeiten, wenn es vor Ort zahlungsfähige Kundschaft gibt, die Betriebskosten nicht durch die ungebremste Profitsucht der Energiekonzerne in die Höhe getrieben werden … .
Deshalb wollen wir z.B. dem Grenzen setzen, wie internationale Hedgefonds bei uns `investieren´. Sie investieren nicht in Arbeitsplätze und eine Produktionssteigerung, die allen zugute kommt, sondern sie kaufen Firmen auf, vernichten Arbeitsplätze und schicken die ausgeweideten Betriebe in die Insolvenz. (Siehe auch der aktuelle STERN).
Deshalb verlangen wir Mindestlöhne, die dafür sorgen, dass die Masse wieder beim Metzger, Bäcker … Qualität kaufen kann, statt – wie es ein paar ganz Schlaue vorgeschlagen haben – sich mit 132 € im Monat bei Discountern, Schnäppchenläden und in Second-Hand-Shops mit dem Notwendigsten zu versorgen.
Deshalb verlangen wir, dass Leistungsfähige wieder mehr Steuern zahlen, damit durch öffentliche Investitionen in Schulen, Krankenhäuser und andere öffentliche Einrichtungen neue Arbeitsplätze entstehen, von denen man leben kann.
Ich selbst bin in einer Zeit aufgewachsen, in der es noch einen Spitzensteuerstaz von 56% in der Einkommensteuer gab. Meiner Erinnerung nach hat damals niemand angenommen, die Bundesrepublik sei sozialistisch. Auch meinen Eltern, die übrigens einen kleinen Handwerksbetrieb hatten, ging es bei 56 % Spitzensteuersatz persönlich deutlich besser als meinem Bruder, der ihn später unter angeblich wesentlich „wirtschaftsfreundlicheren“ Bedingungen weitergeführt hat.
Es macht Sinn einmal darüber nachzudenken, wer oder was eigentlich „die Wirtschaft“ ist: sicher nicht nur Siemens, BASF, e.on und die Deutsche Bank. Zu viele Menschen haben sich bisher einreden lassen, dass betriebswirtschaftliche Profitmaximierung automatisch zu einer gut funktionierenden Volkswirtschaft führt, die allgemeinen Wohlstand (gegen den ich gar nichts habe!) sichert. Das ist nachweislich! nicht der Fall.