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Carsten Müller
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Frage von Sina S. •

Frage an Carsten Müller von Sina S. bezüglich Gesundheit

Guten Tag, nachem im letzten Vierteljahr 2018 parteiübergreifende Mehrheiten lautstark die Krankenkassenbeitragshöhe bei Betriebsrenten (seit 2004 doppelte Last) verändern wollten, ist es in 2019 wieder still geworden. Viele Konzepte - keines wurde umgesetzt. Die Betriebsrentnerinnen werden weiter "doppelt" belastet und - wenn es dumm kommt und die hart erarbeitete Rente knapp über dem Freibetrag liegt - dem Rentner bleibt nicht mal eine Rente in Höhe des Freibetrags! Wann geht die Regierung dieses Thema endlich an? Danke für eine Antwort.S.

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Antwort von
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Sehr geehrte Frau S.,

vielen Dank für Ihre Frage zum Thema Direktversicherung und Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung (GKV).

Gestatten Sie mir zunächst folgende Anmerkung zur Begründung der Gesetzgebung im Jahr 2003:
Die Anwendung des vollen allgemeinen Beitragssatzes auf Betriebsrenten und Versorgungsbezüge sowohl für Pflichtversicherte als auch für freiwillig versicherte Rentner ist in den damaligen Verhandlungen zum GKV-Modernisierungsgesetz im Jahr 2003 damit begründet worden, dass die eigenen Beitragszahlungen der Rentner nur noch gut 40 Prozent ihrer Leistungsausgaben in der Krankenversicherung abdeckten. Im Jahr 1973 seien die Leistungsaufwendungen der Krankenkassen für Rentner in den alten Ländern noch zu rund 72 Prozent durch die für sie gezahlten Beiträge gedeckt worden. Um die Belastung der erwerbstätigen Beitragszahler nicht noch stärker ansteigen zu lassen und die Lohnnebenkosten zu senken, sei es erforderlich gewesen, die Rentner wieder verstärkt an der Finanzierung ihrer Leistungsausgaben zu beteiligen.

Ebenso wichtig: Seit jeher sind Krankenversicherungsbeiträge auf Betriebsrenten allein vom Versicherten zu tragen. Damit soll die Bereitschaft des Arbeitgebers erhalten und gefördert werden, sich freiwillig am Aufbau einer Betriebsrente mit eigenen finanziellen Aufwendungen zu beteiligen. Allerdings wurde in der Vergangenheit auf Betriebsrenten für pflichtversicherte Rentner nur ein halber Beitrag (z.B. 2003: 7,15 Prozent statt 14,3 Prozent) an die Krankenkassen abgeführt, während für Betriebsrenten bei freiwillig versicherten Rentnern der volle Beitrag gezahlt wurde. Diese Ungleichbehandlung wurde mit dem GKV-Modernisierungsgesetz mit Wirkung zum 1. Januar 2004 beendet. Seither müssen auch Pflichtversicherte den vollen allgemeinen Beitragssatz ihrer jeweiligen Krankenkasse auf die Versorgungsbezüge entrichten. Der Grundsatz bleibt, dass alle beitragspflichtigen Einnahmen zusammen nur bis zur Beitragsbemessungsgrenze berücksichtigt werden. Versorgungsbezüge – unabhängig davon, ob sie laufend oder einmalig gezahlt werden – sind als Rente vergleichbare Einnahmen beitragspflichtig, wenn sie auf eine frühere Erwerbstätigkeit des Versorgungsempfängers zurückzuführen sind und bei Eintritt des Versicherungsfalles (Erwerbsminderung oder Alter) ausfallendes Erwerbseinkommen ersetzen oder im Fall des Todes der Sicherung von Hinterbliebenen dienen sollen.

Mit dem GMG wurden Veränderungen mit Wirkung für die Zukunft vorgenommen. Da das System der gesetzlichen Krankenversicherung bereits seit langem unter erheblichem Kostendruck steht und daher auch immer wieder Bemühungen des Gesetzgebers erforderlich sind, auf diese Entwicklung durch Regelungen auf der Einnahmen- und Ausgabenseite zu reagieren, konnten und können Versicherte nicht auf den Fortbestand privilegierender Vorschriften vertrauen. So mussten und müssen auch Rentner ihren Beitrag zur Erhaltung der Stabilität der gesetzlichen Krankenversicherung leisten und damit jüngere Krankenversicherte von einem Übermaß einer Finanzierung des höheren Leistungsaufwands für die Rentner entlasten. Daher müssen auch die Rentner entsprechend ihres Einkommens verstärkt zur Finanzierung herangezogen werden. Da der Gesetzgeber bereits mit dem Rentenanpassungsgesetz 1982 die laufenden Versorgungsbezüge in die Beitragspflicht einbezogen hat, konnten die Betroffenen weitere Änderungen bei der Verbeitragung von Renten und Versorgungsbezüge für die Zukunft nicht ausschließen.

Das Bundesverfassungsgericht hat am 28. September 2010 entschieden, dass die genannten Regelungen des Paragrafen 229 SGB V nicht gegen den Artikel 2 Abs. 1 des Grundgesetzes in Verbindung mit dem rechtsstaatlichen Grundsatz des Vertrauensschutzes verstoßen. Somit können Kapitalleistungen aus betrieblichen Direktversicherungen Versorgungsbezügen nach Paragrafen 229 SGB V gleichgestellt und damit der Beitragspflicht unterworfen werden. Dieses sei mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit vereinbar, weil der Gesetzgeber berechtigt ist, jüngere Krankenversicherte von der Finanzierung des höheren Aufwands für die Rentner zu entlasten und die Rentner entsprechend ihrem Einkommen verstärkt zur Finanzierung heranzuziehen. Der Vertrauensschutz der betroffenen Versicherten wird dabei nicht unzumutbar beeinträchtigt.

Das Bundesverfassungsgericht hat allerdings auch entschieden: Der Teil einer Direktversicherung, der nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses und nach Einrücken des Arbeitnehmers in die Stellung des Versicherungsnehmers und von ihm allein gezahlte Beiträge unterliegen nicht der Beitragspflicht. Daraus folgt auch, dass zu Unrecht entrichtete Beiträge im Rahmen des Paragrafen 256 Abs. 2 SGB V zu erstatten sind.

Die regelmäßig vorgetragene Kritik, dass es zu einer Doppelverbeitragung komme, verkennt folgendes: Der Grundsatz der Einmalveranlagung, wie er im Steuerrecht besteht, findet im Sozialversicherungssystem der gesetzlichen Krankenversicherung keine Anwendung. Dies liegt am Solidarprinzip. Ein Bestandteil dieses Prinzip ist, dass die Beiträge der Mitglieder entsprechend ihrer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit erhoben werden. Ich betone erneut: Die Beitragserhebung in der gesetzlichen Krankenversicherung ist für die pflichtversicherten Arbeitnehmer auf die berufsbezogenen Einkünfte maximal bis zur Beitragsbemessungsgrenze beschränkt. Das Mitglied hat aufgrund der Zahlung des Beitrags ab dem ersten Tag einen vollumfänglichen Versicherungsschutz durch die GKV. Dieser Versicherungsschutz besteht nicht nur während der Erwerbstätigkeit, sondern wird auch im Ruhestand weiter gewährt.

Sehr geehrte Frau S., das Gesetz wird regelmäßig diskutiert, auch im Deutschen Bundestag. Eine Expertenanhörung des Ausschusses für Gesundheit im Deutschen Bundestag am 27. Januar 2016 hat gezeigt, dass ein Beibehalten der jetzigen gesetzlichen Regelung weiterhin notwendig ist. Die Beitragseinnahmen der GKV aus den Versorgungsbezügen belaufen sich derzeit auf etwa fünf Milliarden Euro, wobei ein Großteil auf den Bereich der betrieblichen Altersvorsorge entfällt. Bei einer Abschaffung oder Minderung der Beitragspflicht für diesen Bereich müssten die damit verbundenen Mindereinahmen durch einen noch größeren Solidarbeitrag der übrigen Beitragszahler aufgefangen werden. Mit Blick auf das Gebot der Solidarität und die Generationengerechtigkeit ist dies nicht zu rechtfertigen.

Der Bundesparteitag der CDU Deutschlands hat im Dezember 2018 gefordert, eine Reform der Sozialabgaben die auf Beträge zur privaten Altersvorsorge erhoben werden, zu überprüfen. Es soll künftig sichergestellt werden, dass Arbeitnehmer oder Selbständige, die Entgeltumwandlung zur privaten Altersvorsorge nutzen, nicht doppelt belastet werden. Diese Bewertung muss jedoch in einen umfassenden Vorschlag eingebettet werden, der rechtskonform, zukunftsgerichtet und finanzierbar ist. Leider waren in den letzten Monaten diskutierte und präsentierte Vorschläge finanziell nicht überzeugend. Ein erkennbar kostenintensives Projekt bedarf der Gegenfinanzierbarkeit, um den nächsten Generationen keine weiteren Kosten aufzubürden.

Ich hoffe, Ihnen mit diesen Informationen geholfen zu haben.

Mit freundlichen Grüßen
Carsten Müller

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