Dr. Carsten Brodesser
Carsten Brodesser
CDU
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Frage von Keanu B. •

Frage an Carsten Brodesser von Keanu B. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Würden Sie für eine Aufhebung des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes stimmen?

Als Abgeordneter vertreten Sie das Grundgesetz – sowohl Meinungsfreiheit als auch Rechtstaatlichkeit müssen geachtet werden. Wie vereinbart man das NetzDG mit diesen Prinzipien, wenn die Meinungsäußerung de facto eingeschränkt wird (siehe @Titanic-Tweets) und gleichzeitig die Rechtsprechung praktisch an private Unternehmen "outgesourced" wird? Laut UN gefährdet das Gesetz die Menschenrechte. Bei einer Anhörung im Bundestag hielten es fast alle Experten für verfassungswidrig. "Reporter ohne Grenzen" kritisiert das Gesetz ebenfalls. Ich möchte nicht, dass mein Land für Zensur steht.

Man fühlt sich entmutigt sich öffentlich zu äußern, wenn man weiß, dass selbst nicht strafbare Inhalte entfernt werden können.

Dr. Carsten Brodesser
Antwort von
CDU

Sehr geehrter Herr B.,

haben Sie Dank für Ihre Zuschrift via abgeordnetenwatch.de. Sie haben darin Ihre Kritik am Netzwerkdurchsetzungsgesetz ausgedrückt und ich möchte Ihnen ein paar Anmerkungen dazu geben:

Mit dem Netzwerkdurchsetzungsgesetz hat der Gesetzgeber darauf reagiert, dass sich große soziale Netzwerke im Internet in der Vergangenheit nur unzureichend an die Vorgaben des deutschen Rechts, strafbare Inhalte grundsätzlich unverzüglich nach Kenntnis zu löschen, gehalten haben. Zuvor waren die Regelungen unklar: Auf der einen Seite wurden Einträge gelöscht, die nach deutschem, aber nicht nach beispielsweise US-amerikanischen Recht zulässig sind. Auf der anderen Seite haben Internetplattformen in der Vergangenheit in zahllosen Fällen bei Inhalten nicht reagiert, die nach unserem deutschen Strafrecht eindeutig verboten sind, beispielsweise die Fälle von Beleidigungsdelikten, Holocaustleugnung oder Kinderpornografie. Die Opfer solcher Taten waren bisher oftmals in einer unklaren Situation – so war für sie weder erkennbar, an welche Stelle man sich wenden kann, um Löschung zu verlangen, noch bestand ein juristisch durchsetzbarer Anspruch auf Herausgabe von vorhandenen Hinweisen auf die Identität des Täters. Auch eine gerichtliche Abhilfe oder Anspruchsdurchsetzung waren praktisch unmöglich.

Global agierende Internetunternehmen wie Facebook, Youtube oder Twitter müssen sich an unsere Rechtsordnung halten, wenn sie ihre Dienstleistungen in Deutschland anbieten. Dabei gilt für Internetprovider schon seit langem die Regel, dass sie rechtswidrige Inhalte entfernen oder sperren müssen, sobald sie Kenntnis davon haben oder erkennen, dass ein rechtswidriger Inhalt öffentlich wird. Mit dem Netzwerkdurchsetzungsgesetz soll dieser Regel stärker Nachdruck verliehen werden. Es trifft dabei aber nicht zu, dass durch das Netzwerkdurchsetzungsgesetz die Verantwortung, die Inhalte Dritter zu entfernen, auf private Unternehmen verlagert werden soll. Es ist vielmehr ein allgemeines Prinzip unserer Rechtsordnung, dass jeder, der eine Art „Marktplatz“ eröffnet, an erster Stelle für die Rechtmäßigkeit der dort stattfindenden Handlungen verantwortlich ist. So ist etwa ein Zeitungsverleger oder -redakteur dafür verantwortlich, wenn in der Leserbriefrubrik der Zeitung strafbare Inhalte veröffentlicht werden und sie ihrer Prüfungspflicht nicht genügt haben.

Es ist wichtig, nochmals hervorzuheben, dass mit dem Netzwerkdurchsetzungsgesetz zulässige Meinungsäußerungen keinesfalls verboten werden. Es handelt sich nicht um Zensur. Es geht vielmehr darum, dass bestimmte Strafgesetze der Bundesrepublik Deutschland auch im Internet durchgesetzt und dadurch die Interessen der Opfer von Straftaten geschützt werden. Denn ihre Rechtsgüter und Interessen werden in unerträglicher Weise beeinträchtigt, wenn strafbare Inhalte wie z.B. eine Verleumdung, eine Bedrohung oder Volksverhetzung trotz Beschwerde gegebenenfalls über einen langen Zeitraum in einem sozialen Netzwerk abrufbar sind. Zu löschen ist dabei immer nur ein bestimmter, konkreter Inhalt, der sich als strafbar erweist, beispielsweise ein Posting oder ein Bild. Dagegen verlangt das Netzwerkdurchsetzungsgesetz nicht die Sperrung eines gesamten Nutzeraccounts.

Selbstverständlich gab es in der öffentlichen Anhörung Kritik am ursprünglichen Gesetzentwurf. Das ist bei vielen Gesetzen in ihrer Erstfassung der Fall und keineswegs problematisch. Alle von den Sachverständigen vorgebrachten Argumente wurden dann im weiteren parlamentarischen Verfahren sehr intensiv geprüft. Daraus ergaben sich 30 Änderungen am ursprünglichen Gesetzentwurf und es konnten wichtige Verbesserungen erreicht werden. Die Notwendigkeit einer Aufhebung des Gesetzes besteht nicht. Jedoch wird dessen künftige Entwicklung in der Praxis sorgfältig beobachtet und es wird geprüft prüfen, ob und wo Nachbesserungen erforderlich sein könnten.

Ich hoffe, dass ich Ihnen mit diesen Informationen das Ziel und den Inhalt des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes näher darstellen und hoffentlich auch Ihre Kritik ausräumen konnte.

Mit freundlichen Grüßen
Dr. Carsten Brodesser MdB

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