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Canan Bayram
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Johanna S. •

Frage an Canan Bayram von Johanna S. bezüglich Verkehr

Liebe Frau Bayram,

Sie haben dankenswerterweise das erfolgreiche Volksbegehren "Unser Wasser" unterstützt. Nun, da endlich die Geheimverträge, Nebenabreden und Änderungsvereinbarungen offengelegt werden müssen, beginnt die eigentliche Arbeit.

Ich hätte in diesem Zusammenhang ein paar Fragen an Sie:

1) Welche Maßnahmen werden Sie ergreifen, um gegen die abgeschlossenen Verträge zur Teilprivatisierung der Berliner Wasserbetriebe vorzugehen?

2) Würden Sie eine Normenkontrollklage beim BVGH wegen Verstoßes gegen das Betriebe-Gesetz unterstützen? Würden Sie sich dafür einsetzen, dass die Verzinsung des betriebsnotwendigen Kapitals nicht per Rechtsverordnung durch den Wirtschaftssenator festgesetzt wird, sondern durch das Abgeordnetenhaus nach einer öffentlichen Aussprache unter Einbeziehung externer Sachverständiger?

3) Harald Wolf hat das Bundeskartellamt eingeschaltet, um die Trinkwasserpreise in Berlin kontrollieren zu lassen. Besonders hoch sind jedoch die Abwasserpreise. Was würden Sie unternehmen, um auch die Abwasserpreise einer Kontrolle unterziehen zu lassen?

Beste Grüße,
Johanna Söhnigen

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrte Frau Söhningen,

vielen Dank für Ihre Frage. Seit den ersten Absichten zur Teilprivatisierung der Berliner Wasserbetriebe haben sich die Fraktion als auch die Partei von Bündnis90/Die Grünen gegen den Verkauf und damit gegen die Privatisierung des Berliner Wassers ausgesprochen.
 
Gemeinsam mit einer anderen Fraktion wurde gegen diese Teilprivatisierung der BWB Klage eingereicht. Wir sind klar gegen Privatisierungen, insbesondere in der Daseinsvorsoge. Wir sind auch gegen Verkäufe von Berliner Eigentum, weil wir meinen, dass die Verkäufe den Landeshaushalt nicht sanieren. Dazu können Sie sich gerne die Aufstellung unseres Haushaltsexperten Jochen Esser ansehen, der die Vermögensverkäufe von Rot-Rot in den letzten 10 Jahren aufgelistet hat. Trotz dieser Verkäufe und auch der Verschlimmerung durch die 5. Änderungsvereinbarung zum Konsortialvertrag hat Rot-Rot die Verschuldung des Landes in den letzten Jahren von 40 Milliarden Euro auf über 60 Milliarden hoch getrieben.
 
Also: Verkäufe von Landesvermögen retten den Berliner Landeshaushalt nicht, auch wenn andere Parteien (rot-rot) ihre Verkaufspolitik damit zu rechtfertigen versuchen.
 
Unsere Fraktion berät, wann Normenkontrollklagen zu welchem spezifischen Ansatz zur Erreichung der Rekommunalisierung sinnvoll sind, um die Teilprivatisierung der BWB rückgängig zu machen und alle Anteile in Landeseigentum zu übertragen. Rein Formal sind für die Einreichung der Normenkontrollklage 25% der Abgeordneten nötig. Dazu reichen die Abgeordneten der derzeitigen grünen Fraktion nicht aus!
 
Fraglich und umstritten ist auch, ob mit der Normenkontrollklage die Dividendenzusage an die Privaten aufgehoben wäre. Diese und ähnliche Fragen werden derzeit geprüft. Für den Fall, dass die Normenkontrollklage als der geeignete und erfolgversprechende Weg angesehen wird, werde ich mich gemeinsam mit Heidi Kosche, der Grünen Abgeordneten und Vertrauensperson vom Berliner Wassertisch, dafür einsetzen und bin mir sicher, dass die Grüne Fraktion dem folgen wird.
Aktivisten des Berliner Wassertisches arbeiten derzeit an verschiedenen Fronten: es gibt das Klärwerk. Dort arbeiten Wassertischler den Privatisierungsweg des Landes Berlin auf in der Hoffnung, einen Ansatz zu Rückabwicklung der Verträge zu finden. Es gibt ein unabhängige Juristengruppe, die mit Prof. Kessler versucht, über EU Recht die Verträge zu Fall zu bringen. Sie sehen also, es wird an ernsthaften Lösungen gearbeitet.
 
Ich habe 1999 im Bundesumweltministerium an dem Ausstiegsgesetz aus der Atomenergie gearbeitet und mich insoweit sehr intensiv mit Artikel 14 des Grundgesetzes beschäftigt. Über den Schutz des Eigentums hinaus ist dort die Sozialpflichtigkeit geregelt. Auch kann das Gemeinwohl eine Enteignung erforderlich machen. Dies sind Fragen, denen näher nachgegangen werden muss, bevor den Privaten zusätzliches öffentliches Geld in Aussicht gestellt wird. Daher habe ich den Antrag meiner Kollegin Heidi Kosche unterstützt, wonach eine Geheimverhandlung des Berliner Senats mit den Privaten zum Thema Rekommunalisierung abgelehnt wird.
 

zu 2.
Ja, ich würde diesen Vorstoß mit unterstützen, obwohl ich befürchte, dass es nicht den gewünschten Effekt bringt. Das Berliner Betriebegesetz muss an vielen Stellen geändert werden, das wollen wir Grünen auch gerne aus der nächsten Regierung heraus anpacken. Zur Aufhebung der Teilprivatisierungsverträge befürchte ich aber - wie meine Kollegin Heidi Kosche auch, die aktiv ist beim Berliner Wassertisch ist - dass eine Normenkontrollklage ggf. das Betriebegesetz verändert, die privatrechtlichen Verträge aber nicht anficht. 
Eine Verzinsung des "betriebsnotwenidigen Kapitals" will ich nicht, weil das ein Instrument des derzeitigen Konstrukts ist, das extra für die Privatisierung der Wasserbetriebe erschaffen wurde. Ich will diese Privatisierung aber beenden und die Wasserbetriebe wieder als landeseigenen Betriebe führen, damit die Wassertarife sich an der Kostendeckung orientieren.  Und deswegen möchte ich mir keine " weniger schlimmen" Verzinsungsformeln und Bewilligungswege für einen Gewinn überlegen. Die Wassertarife sollen die Kosten decken, die für die Herstellung von einwandfreiem Trinkwasser und der Reinigung des Abwassers nötig sind. Überschüsse, die darüber hinaus erwirtschaftet werden, sollten sich im bescheidenen Rahmen halten und ausschließlich für eine Instandhaltung der Wasserrohre und  -werke und sonstigem technischen Dingen verwendet werden. Ich lehne es ab, dass mit Wassertarifen der Haushalt saniert wird. Als Grüne würde ich es noch als vertretbar ansehen, wenn eine stärkere ökologische Ausrichtung der Berliner Wasserwirtschaft zukünftig erfolgen würde. Da wäre ich auch bereit, dafür die Wasserkosten im vertretbaren Masse anzuheben, aber alles noch im bescheidenen Rahmen. Vorbildlich finde ich die neue Pariser Wasserwirtschaft, die die Wasserpreise erstmalig senkt und gleichzeitig soziale Wasserpreise einführt, die die Haushalte bekommen, in denen Menschen leben, die ein geringes Einkommen haben.
Wenn also die Wasserbetriebe rekommunalisiert sind, dann befürworte ich, dass das Abgeordnetenhaus die Wasserpreise festsetzt und bin gerne auch dafür, diese vorher mit externen Sachverstand in den Ausschüssen zu beraten.

Zu 3.
Es wäre sicherlich spannend, mit VertreterInnen des Bundeskartellamtes zu beraten, warum sie eine Senkung der Wasserpreise über eine Vergleichsanalyse großer Städte nur für Trinkwasser erstellt haben und nicht für die Reinigung auch des Abwassers. Jedenfalls würde ich dafür stimmen, wenn dies durch diese Behörde möglich wäre. Ich habe aber den Verdacht, dass so ein Vergleich - also was kostet ein Kubikmeter Abwasser reinigen - in den größten Städten der Bundesrepublik - nicht so einfach wäre. Dies bedarf noch näherer Prüfung.
Das Reinigen von Abwasser ist bundesweit steuerfrei, damit dort nicht von den Kommunen gespart wird und dadurch Gesundheitsgefahren für die Bevölkerung entstehen.
 
Liebe Frau Söhningen, wir Berliner wollen unser Wasser zurück und ich will mich dafür einsetzen. Daher bitte ich Sie um Ihr Vertrauen durch Ihre Erststimme.
 
Mit herzlichen Grüssen
Canan Bayram

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