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Britta Haßelmann
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Walter R. •

Frage an Britta Haßelmann von Walter R. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Hallo Fr.Haßelmann,

Ihnen ist sicherlich der Fall Julian Assange bekannt, den ich seit Jahren intensiv verfolge, da es hier auch um die Pressefreiheit in Deutschland geht.
Gestern hat dazu der Europarat Ausschuss PACE debattiert und Entschlüsse gefasst:
Die Vertreter des PACE-Ausschusses für Kultur, Wissenschaft, Bildung und Medien wendeten sich dagegen, "dass Julian Assange an die Vereinigten Staaten ausgeliefert wird", um de facto eine lebenslange Haftstrafe zu verbüßen. Die nun einstimmig verabschiedete Resolution fordert die Mitgliedsstaaten auf, den Fall medial bekannt zu machen. Zudem soll die Behandlung des WikiLeaks-Gründers als Bedrohung der Pressefreiheit verurteilt werden.
Bitte schauen Sie sich dazu auch die folgenden Artikel an:
https://www.heise.de/tp/features/Mitglieder-des-Europarates-rufen-zu-Hilfe-fuer-Julian-Assange-auf-4647779.html

https://www.nachdenkseiten.de/?p=57964

Wie stehen Sie persönlich zum Umgang mit Julian Assange? Ist es nicht eine Schande, wie der Gründer von WikiLeaks als einem sehr wichtigen Informationmedium gegen Intransparenz und Demokratie-Abbau durch Massenmanipulation seit vielen Monaten durch englische Behörden behandelt wird?
Werden Sie sich hinter den PACE Beschluss stellen und sich für eine Freilassung von Julian Assange einsetzen?

Mit freundlichen Grüßen,

W. R.
66130 Saarbrücken

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Reinhard,

vielen Dank für ihre Nachricht. Die Pressefreiheit in Deutschland ist ein sehr hohes Gut. Es gilt Angriffe auf diese Freiheit mit allen rechtsstaatlichen Mitteln abzuwehren und bestehende Missstände zu beseitigen und aufzuklären.
Transparenz, Mitwirkung der Bürgerinnen und Bürger an der Willensbildung, sowie unabhängige Medien und Quellenschutz sind zum Erhalt der Pressefreiheit unabdingbar. Nach Einschätzung der Organisation Reporter ohne Grenzen ist Deutschland dabei sehr erfolgreich. So befinden wir uns im Press Freedom Index auf Platz 11 von 180 Staaten (https://www.reporter-ohne-grenzen.de/nahaufnahme/2020/). Das zeigt, dass in Deutschland ein überaus hohes Maß an Pressefreiheit herrscht, es aber weiterhin, gerade vor dem Hintergrund des Erstarkens rechtsradikaler und nationalistischer Strömungen, noch viel zu tun gibt. Dies betrifft auch den Schutz von Whistleblowerinnen und Whistleblowern.
Nach den neuen Vorwürfen des UN-Sonderberichterstatters für Folter Nils Melzer (https://www.republik.ch/2020/01/31/nils-melzer-spricht-ueber-wikileaks-gruender-julian-assange) gegen Schweden, die USA, Großbritannien und Ecuador, zeigt sich, dass das Verhalten der Bundesregierung gegenüber dem Whistleblower Julian Assange enttäuschend und mutlos wirkt. Das Auswärtige Amt betont immer wieder, dass sie Berichte von UN-Sonderberichterstattern sehr ernst nehmen. Es hat sich jedoch herausgestellt, dass das im Fall von Nils Melzer nicht der Fall ist. Melzer hat das Auswärtige Amt bereits vor mehreren Monaten darüber informiert, dass Assange Anzeichen psychologischer Folter aufweist. Dabei stützt er sich auf eigene Beobachtungen und die Einschätzung von renommierten Ärzten.
Assange hat von westlichen Staaten geheim gehaltene Informationen über Korruption und Kriegsverbrechen veröffentlicht. Anstatt ihm dankbar zu sein, um an einer rechtlichen und zivilgesellschaftlichen Aufklärung zu arbeiten, fühlen sich diese Staaten von Wikileaks angegriffen und schlagen mit allen Mitteln gegen den Wikileaks-Gründer zu. Viele dieser Praktiken lassen Zweifel aufkommen, ob die betreffenden Staaten nicht eigene rechtsstaatliche Prinzipien über Bord werfen und dabei ihre eigenen Machtinteressen über das öffentliche Interesse nach Transparenz, Aufklärung und Wahrung der Pressefreiheit stellen. Hier macht die Bundesregierung mit ihrem Schweigen und Nichthandeln eine wirklich schlechte Figur.
Folgt man den Erkenntnissen des UN-Sonderberichterstatters, müssten alle Anklagen fallen gelassen und Julian Assange freigelassen werden. Das ist leider unwahrscheinlich und wohl nicht zu erwarten. Es muss jedoch eine Selbstverständlichkeit sein, dass Assange die notwendige medizinische Behandlung erfährt und ein faires rechtsstaatliches Verfahren bekommt. Wenn wir uns anschauen, wie er bis zum heutigen Tag behandelt wird, ist auch davon leider nicht auszugehen. Es ist unsere Pflicht, den Druck auf die Bundesregierung gemeinsam mit unseren Partnerinnen und Partnern aus Politik und Zivilgesellschaft weiter zu erhöhen. Daher haben die Vertreterinnen und Vertreter des PACE-Ausschusses, sowie viele Abgeordnete des EU-Parlaments dazu aufgerufen Julian Assange freizulassen.
Die EU und insbesondere Deutschland müssen Großbritannien jetzt endlich deutlich machen, dass sie eine Auslieferung Assanges an die USA ablehnen. Europa muss jetzt Verantwortung übernehmen.

Mit freundlichen Grüßen
Britta Haßelmann

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