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Björn Lakenmacher
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Frage von Anja W. •

Frage an Björn Lakenmacher von Anja W. bezüglich Innere Sicherheit

Sehr geehrter Herr Lakenmacher,

die Hundehalterverordnung Brandenburg trat in der derzeitigen Fassung am 01.07.2004, mit dem Ziel, die Öffentlichkeit vor Hundebissen zu schützen, in Kraft. Man hat in der Prävention auf Rasselisten gesetzt, und die Hunde willkürlich in Kategorien eingeteilt: „unwiderlegbar gefährliche Hunde“ (§8 Abs.2), „widerlegbar gefährliche Hunde“ (§8 Abs.3), und sog. 40/20 Hunde. Zu der Zeit, als die Hundehalterverordnung in Kraft trat, stand diese Art der Rasseliste bereits bei Experten für Kynologie, Hundeverhalten, Tierärzten und Hundetrainern stark in der Kritik. Die Landesregierung von Brandenburg hat sich dieser Kritik und den bereits zu dieser Zeit existierenden, wissenschaftlichen Studien entgegen gestellt, und die Verordnung in dieser Form verabschiedet.
Das BVerfG hat bereits im Jahr 2004 entschieden, dass eine rassespezifische Gesetzgebung als erste Maßnahme im Sinne der öffentlichen Sicherheit rechtmäßig sei, jedoch wurde im selben Urteil auch entschieden, dass diese Form der Gesetzgebung überprüft und gegebenenfalls geändert werden müsse ( Az. 1 BvR 1778/01). Diese Überprüfung wird in den Bundesländern in Form von Beißstatistiken durchgeführt. Die Beißstatistik Brandenburgs zeigt seit Jahren, dass in Brandenburg die Rasseliste nicht vor Hundebissen schützt.
In Niedersachsen wurde die Rasseliste bereits im Jahr 2003 abgeschafft und im Jahr 2011 die verpflichtende Sachkunde für alle Hundehalter eingeführt - mit dem Erfolg, dass von ca. 245.000 landesweit gemeldeten Hunden lediglich 108 (aufgeteilt auf 39 Rassen) aufgrund eines Beißvorfalls als gefährlich eingestuft wurden.
In Schleswig-Holstein wurde die Rasseliste zum 01.01.2016 abgeschafft - seitdem wurde kein Vorfall mit einem Hund einer vorher gelisteten Rasse registriert.
Bitte informieren Sie mich bzw. die Bürger Brandenburgs, ob in der kommenden Legislaturperiode eine Änderung der Hundehalterverordnung angedacht ist bzw. ob Sie einer Abschaffung der Rasselisten zustimmen.

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Antwort von
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Sehr geehrte Frau Wolff,

seit dem Jahr 2002 wird im Ministerium des Innern und für Kommunales des Landes Brandenburg eine jährliche, nach bundeseinheitlichen Kriterien zu veröffentlichende Statistik über Beißvorfälle der Hunde geführt.

Diese Zahlen werden durch die örtlichen Ordnungsbehörden erfasst und vom Ministerium des Innern zusammengestellt. Die Statistiken bestimmen nach einzelnen Hunderassen und deren jeweiligen Anzahl sowie als Gesamtergebnis die Beißvorfälle, bei denen zum einen Menschen und zum anderen Hunde verletzt oder getötet wurden.

Im Jahr 2002 gab es noch 977 Beißvorfälle, bei denen 662 Menschen verletzt und ein Mensch getötet worden waren. Diese Zahl ist bis zum Jahr 2017 erheblich auf 500 Beißvorfälle zurückgegangen, bei denen lediglich 257 Menschen verletzt und kein Mensch getötet worden waren. Aus der Statistik lässt sich nicht entnehmen, dass die in § 8 Absatz 3 der Hundeverordnung des Landes Brandenburg aufgeführten Hunderassen gefährlicher sind als andere Hunderassen.

Bei vielen in der Liste aufgeführten Hunderassen zeigen die Statistiken über viele Jahre hinweg keine oder eine sehr geringe Zahl an Beißvorfällen, während beispielsweise die Amerikanische Bulldogge, der Berner Sennenhund, der Boxer, die Deutsche Dogge, der Golden Retriever, Labrador Retriever, der Rhodesian Ridgeback, der Deutsche Schäferhund und die Mischlinge eine Vielzahl von Beißvorfällen zu Buche stehen haben, ohne dass sie in der Liste der Hundeverordnung aufgeführt worden sind.

Es lässt sich nicht belegen, dass die Beißvorfälle und mithin die Gefährlichkeit der Hunde rassisch bedingt ist.

Brandenburg definiert in § 8 Absatz 3 der Hundeverordnung die widerlegbare Gefährlichkeit eines Hundes insbesondere aufgrund seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten Rasse, Gruppe oder Kreuzung: Alano, Bullmastiff, Cane Corso, Dober-mann, Dogo Argentino, Dogue de Bordeaux, Fila Brasileiro, Mastiff, Mastin Español, Mastino Napoletano, Perro de Presa Canario, Perro de Presa Mallorquin und Rottweiler.

Experten, allen voran Tierärzte und Tierschutzvereine, kritisieren seit Jahren diese Klassifizierung und damit verbundene Rechtsvorschriften in den Hundehalterverordnungen bzw. Hundegesetzen. Dabei ist Aggressivität nicht vererbbar; lediglich bestimmte Anlagen werden genetisch weitergegeben und können durch menschliches Zutun in der Erziehung des Hundes bewusst herausgebildet werden.

Auch die Bundestierärztekammer spricht sich eindeutig gegen eine Stigmatisierung bestimmter Hunderassen und der Schlussfolgerung aus, dass es sich bei diesen Rassen oder deren Kreuzungen per se um gefährliche Hunde handelt. In ihrer Pressemitteilung zum Urteil des Bundesverfassungsgerichtes vom 16. März 2004 schrieb die Bundestierärztekammer: „Die Gefährlichkeit eines Hundes ist vielmehr durch äußere Einflüsse wie Haltung und Erziehung bedingt und deshalb nur individuell zu beurteilen. Die pauschale Maßregelung von Hunden anhand so genannter Rasselisten gaukelt damit eine scheinbare Sicherheit vor, ist aber tatsächlich nicht geeignet, den Schutz des Menschen vor gefährlichen Hunden zu verbessern“.

Für die Abschaffung dieser Rasseliste spricht zudem ein Bundeländervergleich. Von den 16 Bundesländern haben 3 den Alano, 5 den Bullmastiff, 2 den Cane Corso, 1 den Dobermann, 6 den Dogo Argentino, 4 den Dogue de Bordeaux, 6 den Fila Brasileiro, 5 den Mastiff, Mastin Español und Mastino Napoletano, 2 den Perro de Presa Canario und Perro de Presa Mallorquin sowie 5 den Rottweiler auf der Rasseliste stehen.

Die Berliner Gefährliche-Hunde-Verordnung vom 22. August 2016 listet als gefährlich geltende Hunde nur noch Pitbull-Terrier, American-Staffordshire-Terrier, Bullterrier sowie Kreuzungen dieser untereinander oder mit anderen Hunden. Zum 1. Januar 2006 wurde die Rasseliste im Bundesland Mecklenburg-Vorpommern um sieben Rassen gekürzt.

Die Rasselisten in Niedersachsen wurden nach der Landtagswahl 2003 wieder aus dem Hundegesetz gestrichen und dieses ohne Rasselisten neu gefasst. In Sachsen-Anhalt wird lediglich auf die Rasseliste in § 2 Absatz 1 Satz 1 des Hundeverbringungs- und -einfuhrbeschränkungsgesetzes verwiesen.

Am 1. Januar 2016 wurden in Schleswig-Holstein durch das Gesetz über das Halten von Hunden die Rasselisten abgeschafft. Im Februar 2018 wurde durch das Erste Gesetz zur Änderung des Thüringer Gesetzes zum Schutz der Bevölkerung vor Tiergefahren die Rasseliste abgeschafft.

Daher scheint es aus meiner Sicht sinnvoll, die Brandenburger Rechtlage an die Regelungen in Berlin anzugleichen. Voraussetzung dafür ist jedoch, dass rasseneutrale Schutzvorschriften eingeführt werden, die neben einer höheren Sicherheit auch den Ansprüchen an einer art- und verhaltensgerechten Hundehaltung gerecht werden. Regelungen in anderen Bundesländern sehen beispielsweise einen Sachkundenachweis einschließlich Sachkundeannahmen, Microchip-, Versicherungs- und Registrierungspflicht sowie eine Erlaubnispflicht und einen Wesenstest bei als gefährlich eingestuften Hunden vor.

Mit freundlichen Grüßen
Ihr Björn Lakenmacher

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