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Bettina Hagedorn
SPD
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Frage von Johanna L. •

Frage an Bettina Hagedorn von Johanna L.

Sehr geehrte Frau Hagedorn,

ist es wahr, dass Sie für den Einsatz der Bundeswehr in Syrien gestimmt haben?
Was hat Sie dazu geführt?
Ich habe bisher große Stücke auf Sie gehalten, habe Sie als sehr sozial und menschlich eingestuft.
Und Jetzt? Ein Krieg gegen Syrien? Noch mehr Blutvergießen, gewiss auch vieler Menschen, die mit den Attentaten des IS gar nichts zu tun haben?
Wo bleibt die Menschlichkeit? Wo Ihr Rechtsempfinden? Nicht Syrien hat den Anschlag in Paris vorgenommen, sondern der IS. Das war kein Krieg. Das war ein Terroranschlag.
Sie befinden sich mit Ihrer Entscheidung außerhalb des Rechts.
Ich bin froh, dass dagegen von mehreren Schriftstellern Strafanzeige beim Generalbundesanwalt in Karlsruhe gestellt wurde.
Sind wir noch ein Rechtsstaat? Ich gehe davon aus und davon, dass der Generalbundesanwalt für Recht entscheidet.
War Ihnen nicht bewusst, dass diese Entscheidung gegen das Grundgesetzt verstößt?
Es ist ein Angriffskrieg!

Liebe Frau Hagedorn, ich bitte Sie, sich zu korrigieren und sich mit allen Kräften für das deutsche Recht einzusetzen.

Von Herzen
Johanna Leichtfuß

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Antwort von
SPD

Sehr geehrte Frau Leichtfuß,

ja, ich habe am Freitag, 4. Dezember, mit JA zum militärischen Eingriff in Syrien gestimmt und das aus folgenden gut überlegten Gründen:

- Ich bin – im Gegensatz zu Ihnen – fest davon überzeugt, dass dieser Einsatz völkerrechtskonform ist, da er u.a. auf allein drei UN-Resolutionen aus dem Jahr 2015 fußt, und die EU-Beistandsklausel nach Art. 42 Abs. 7 von Frankreich zu Recht zur Grundlage seiner Bitte um Unterstützung gemacht wurde.

- Klar für mich ist: Die Terrorgruppe IS und ihr Kalifat bedrohen – nach UN-Resolution – ausdrücklich den Weltfrieden. Militärische Einsätze werden ganz sicher allein nicht geeignet sein, diese Bedrohung abzuwenden – aber allein diplomatische Friedensinitiativen, unterstützt von humanitärer und wirtschaftlicher Hilfe, werden OHNE militärische Einsätze leider eben auch zum Scheitern verurteilt sein.

- Darum ist mir sehr wichtig: Dieser Einsatz ist eingebettet in die diplomatische Friedensstrategie von Außenminister Steinmeier – den so genannten „Wiener Prozess“, der alle einflussreichen Staaten an „einen Tisch“ holt – auch „Erzfeinde“ wie USA und Russland, Iran und Saudi-Arabien – und durch das abgestimmte, gemeinsame militärische Vorgehen ausdrücklich gestützt wird.

- Parallel zum Einsatz stocken wir humanitäre Gelder und Mittel zur Krisenprä- vention massiv auf (Erhöhung im letzten Monat allein um 475 Mio. Euro) und Frank Walter Steinmeier wirbt international dafür, dass auch andere (reiche) Staaten ihren Anteil beitragen, um u.a. in den Flüchtlingslagern in den NahostNachbarstaaten wirksam zu helfen.

- Mit dem Einsatz stärken wir die deutsch-französische Achse in Europa, ohne die der aktuell existentiell gefährdete Zusammenhalt Europas kaum eine reelle Zukunft hätte.

- Die Französische Regierung hat jetzt unsere Unterstützung erbeten; im Januar 2003 haben uns die Franzosen (als einzige in Europa) unterstützt, als sie gegen massiven internationalen Druck entschieden, mit uns „Nein“ zum Irak-Einsatz zu sagen. Ich bin heute noch stolz auf diese damalige Entscheidung der Schröder-Regierung und das „Tandem“ mit Frankreich (verhöhnt als „altes Europa“), denn der Druck auf uns Abgeordnete – nicht nur aus Amerika, sondern auch aus Europa – war damals gewaltig. Auch die damalige CDU-FDP-Opposition geißelte unser damaliges „Nein“ als falsch und feige. Heute weiß man: dieser Irak-Krieg war damals tatsächlich NICHT völkerrechtskonform und er bildete letztlich maßgeblich die Grundlage für das entstaatlichte Gewaltchaos der Region, das den IS-Terroristen die Chance gab, ein Kalifat zu gründen mit Staatsgebiet, Hauptstadt und Armee. Darum: es gibt keinen Krieg gegen Syrien, Frau Leichtfuß, sondern gegen den IS-Terror und deren Kalifat, das Weltherrschaft zum Ziel hat.

Deshalb brauchen Sie aus meiner Sicht auch nicht zu betonen, dass der jüngste Anschlag in Paris natürlich nicht von Syrien, sondern von Kämpfern des IS vorgenommen wurde und kein Krieg, sondern ein Terroranschlag war. Sie folgern daraus, dass der jetzige militärische Einsatz „ein Angriffskrieg“ … „gegen Syrien“ sei. Mit Verlaub: diese Argumentation halte ich für realitätsfern und absurd. Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen hat mit der Resolution 2199 vom 12. Februar 2015, mit der Resolution 2170 vom 15. August 2014 sowie mit der Resolution 2249 vom 20. November 2015 wiederholt festgestellt, dass von der Terrororganisation IS eine Bedrohung für den Weltfrieden und die internationale Sicherheit ausgeht.

Ich empfehle Ihnen in diesem Zusammenhang den Artikel „Wie Gewalt zu bezwingen ist“ (Süddeutsche v. 16.12.2015) von Erhard Eppler, unserem heute 89-jährigen Vordenker und Mitglied der Grundwertekommission der SPD (Zitat): „Bis vor wenigen Jahren gab es eine eindeutige Definition des Krieges: Die bewaffnete Auseinandersetzung zwischen (mindestens) zwei souveränen Staaten. Einen solchen Krieg gibt es heute auf dem ganzen Erdball keinen. Gewalt entsteht nicht durch den Zusammenprall, sondern durch den Zerfall von Staaten. Und bedroht sind wir durch eine entstaatlichte und gänzlich gesetzlose Gewalt … Wo das nationale Gewaltmonopol ganz außer Kraft ist, muss ein internationales an seine Stelle treten … Syrien wird die erste, erschreckend schwierige Aufgabe sein. Die Berichte von Wien lassen einen Schimmer von Hoffnung aufkommen.“ Frau Leichtfuß, es lohnt sich wirklich, den ganzen Artikel zu lesen.

Sie fragen, ob „wir noch ein Rechtsstaat“ sind und schreiben, mein JA zum Einsatz (und das von 444 Kollegen im Bundestag) verstoße „gegen das Grundgesetz“ – so, als würden Bundestagsabgeordnete eine Grundgesetzverletzung quasi billigend und leichtfertig in Kauf nehmen. Ich weiß nicht, wie Sie diese sehr absolute Unterstellung fundiert beurteilen wollen… allein die Strafanzeige von drei Schriftstellern dürfte da kaum ausreichend sein. Fakt ist in jedem Fall, dass ich – wie alle meine Bundestagskollegen – mich sehr ausführlich und unter Hinzuziehung von unterschiedlicher juristischer Expertise exakt mit dieser Frage beschäftigt habe. Wenn ich der Auffassung gewesen wäre, dieses Mandat sei nicht verfassungskonform, so hätte ich ganz sicher nicht mit „Ja“ gestimmt. Im Antrag der Bundesregierung zur Erteilung eines Mandates zum „Einsatz bewaffneter deutscher Streitkräfte zur Verhütung und Unterbindung terroristischer Handlungen durch die Terrororganisation ISIS“ wird festgestellt:

- „Die Entsendung bewaffneter deutscher Streitkräfte erfolgt im Rahmen und nach den Regeln eines Systems gegenseitiger kollektiver Sicherheit nach Art. 24 Abs. 2 des Grundgesetzes. Der Einsatz erfolgt in Übereinstimmung mit den verfassungsrechtlichen und völkerrechtlichen Vorgaben für Auslandseinsätze der Bundeswehr.“

- Durch den Einsatz „unterstützt die Bundesrepublik … die internationale Allianz … auf der Grundlage des Rechts auf kollektive Selbstverteidigung gemäß Art. 51 der Charta der Vereinten Nationen.“ (Der internationalen Allianz gehören übrigens mittlerweile 64 Staaten an, die sich zur Bekämpfung der IS 2014 formiert haben!)

- Zusätzlich erfüllt der Einsatz, der zur kollektiven Selbstverteidigung zu Gunsten von Frankreich geleistet wird, die EU-Beistandsklausel nach Art. 42 Abs. 7 des Vertrages über die Europäische Union.

Diesen Ausführungen stimme ich zu. Ich stimme allerdings vor allem deshalb dem Einsatz zu – wie ich eingangs erläutert habe – weil dieser international abgestimmt und in der Sache erforderlich ist. Ich möchte Sie auch auf meine persönliche Erläuterung zum Syrien-Einsatz hinweisen, die ich auf meiner Website www.bettina-hagedorn.de unter „Aktuelles“ veröffentlicht habe.

Mit freundlichen Grüßen
Bettina Hagedorn

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