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Bettina Hagedorn
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Frage von Kai D. •

Frage an Bettina Hagedorn von Kai D. bezüglich Gesundheit

Sehr geehrte Frau Hagedorn,

meine Frage bezieht sich auf die Legalisierung von Cannabis und die Entkriminalisierung von Cannabiskonsumenten. Da am morgigen Tag die Abstimmung zu den Cannabis Social Clubs, sowie zum Drugchecking stattfindet, würde ich gerne erfahren, wie Sie zu den Themen stehen.

Meiner bescheidenen Meinung nach wird Cannabis in den Medien oft falsch oder nur sehr einseitig dargestellt. Als bestes Beispiel dient hier die Studie, die voriges Jahr belegt hat, dass Cannabis den IQ senkt, denn aus eben dieser Studie wurden falsche Schlussfolgerungen gezogen, wie ein Wissenschaftler aus Norwegen kürzlich entdeckte. Die genauen Ausführungen gehen an dieser Stelle zu weit ( http://www.wissenschaft.de/wissenschaft/news/316642.html ), aber Fakt ist, dass die negative These in den Medien verbreitet worden ist, ich zur Entkräftung selbiger bisher jedoch noch nicht einen einzigen Bericht habe genießen dürfen. Sicherlich ist diese Einseitigkeit der Medien nicht nur Cannabis betreffend, sondern viel mehr ein sehr weit vebreitetes Problem, aber hier kann man es doch besonders deutlich (und häufig) erkennen.

Auch seitens der Politik erhält der Bürger oft falsche Informationen. Ich denke dabei speziell an den Bürgerdialog Merkels der 2011 über das Internet lief. Auf die Frage nach einer Cannabislegalisierung (übrigens die Frage mit der meisten Zustimmung) argumentierte unsere Kanzlerin mit längst widerlegten Theorien (Stichwort: Suchtgefahr).

Wie wertvoll Hanf als Rohstsoff ist, zeigt das Beispiel Thermo-Hanf. Dieser erhielt jüngst den Energiesparpreis 2012. Dies ist jedoch nicht das einzige Produkt. Cannabis ist vielseitig und oft eine umweltschonende Alternative zu herkömmlichen Produkten. Wäre Cannabis legalisiert und Bauern dürften THC-haltigen Hanf statt des jetzt gebräuchlichen Nutzhanfes anbauen, kämen sie gar ohne Schädlingsbekämpfungsmittel und mit nur sehr wenig Dünger aus.

Wegen fehlender Zeichen wünsche ich Ihnen schon hier alles Gute
K. Dittmer

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Dittmer,

vielen Dank für Ihre Frage vom 16.01.2013 via abgeordnetenwatch.de zu meiner Auffassung zur Legalisierung von Cannabis und zur Entkriminalisierung von Cannabiskonsumenten. Wie Sie sicherlich festgestellt haben, wurde der Antrag der Linkspartei mit den Stimmen der Koalition und der SPD bei Enthaltung der Grünen abgelehnt. Die Rede der Drogenbeauftragten der SPD-Bundestagsfraktion Angelika Graf vom 17. Januar 2013 in der Debatte ist dazu im Internet unter http://www.bundestag.de „Mediathek“ nachzulesen. Maßgeblich bei ihrer Argumentation ist unter Bezug auf die entsprechende Expertenanhörung im Bundestag im Januar 2012 die Aussage, dass die Cannabis-Legalisierung „kein Allheilmittel“ darstellt und sich die SPD-Bundestagsfraktion dafür einsetzt, dass die Straffreiheit bei Eigenbedarf bundeseinheitlich geregelt werden sollte anstatt wie in einem „Flickenteppich“ von Bundesland zu Bundesland verschieden. In dieser Anhörung waren sich die geladenen Sachverständigen einig, dass Cannabis keine harmlose Substanz ist und regelmäßiger und intensiver Cannabiskonsum vor allem bei Kindern und Jugendlichen zu körperlichen und psychischen Erkrankungen führen kann – ich kenne persönlich einige solcher Fälle. Insbesondere die Weitergabe von Cannabis an Minderjährige ließe sich – würde man dem Antrag der Linkspartei folgen - nicht wirklich verhindern, da eine wirksame Kontrolle der Social Clubs schwierig wäre, wie man beispielsweise bei der Kontrolle der Weitergabe von Alkohol an Jugendlichen sehen kann. Es gilt hier zu unterscheiden zwischen der Entkriminalisierung von Süchtigen, für die sich die SPD-Bundestagsfraktion seit Jahren einsetzt, und der generellen Legalisierung von Cannabis. Ich stimme Ihnen zu, dass Alkohol und Zigaretten mindestens ebenso schädliche – wenn nicht schädlichere – Suchtmittel darstellen und dass ihre Legalität im Verhältnis zu Cannabis wissenschaftlich nicht begründbar ist. Allerdings streben wir genau deshalb – auch auf EU-Ebene – ein entschlosseneres Vorgehen gegen Alkoholmissbrauch und Zigarettenkonsum an und bemühen uns, vor allem Jugendliche präventiv über die Folgen aufzuklären und die Verfügbarkeit dieser „legalen“ Suchtmittel durch höhere Preise einzuschränken. Cannabis grundsätzlich zu legalisieren, würde diesen Weg konterkarieren.
Allerdings ist die SPD eine Volkspartei mit einem breiten Spektrum an Meinungen und ich gestehe freimütig, dass ich als SPD-Abgeordnete aus Schleswig-Holstein einen differenzierten Blick auf diese Problematik habe. Als stellvertretende SPD-Landesvorsitzende in Schleswig-Holstein habe ich im Mai 2012 den Koalitionsvertrag von SPD, Grünen und SSW verantwortlich mit verhandelt, in dem es wörtlich heißt:
„Wir wollen zielgruppenorientierte, sekundärpräventive Maßnahmen wie das „Drug-checking“ erproben und Drogenkonsumräume rechtlich absichern. Wir werden eine bundeseinheitliche Regelung im Umgang mit Drogenkonsumenten anstreben, die diese vor der Kriminalisierung schützt. Bis eine bundesweite Regelung gefunden ist, werden wir die „geringen Mengen“ zum Eigenverbrauch weicher Drogen im Sinne des § 31a BtMG in Schleswig-Holstein überprüfen, anheben und uns dabei an einer fortschrittlichen Drogenpolitik orientieren, um den Strafverfolgungsbehörden die Möglichkeit zu geben, flexibel auf den Einzelfall zu reagieren.“
Es war eine SPD-Gesundheits- und Sozialministerin namens Heide Moser aus Schleswig-Holstein in der Regierung von Heide Simonis, die leider viel zu früh verstorben ist, die mit einem engagierten Vorstoß zur kontrollierten Abgabe von Cannabis als Modellprojekt mit dem Ziel der Austrocknung der illegalen Märkte und der Trennung von „weichen“ und „harten“ Drogen zwischen 1996 und 2001 einen langen, mutigen Kampf mit der Unterstützung der SPD in Schleswig-Holstein in der bundesweiten Drogendebatte geführt hat – und ich war persönlich inhaltlich immer an ihrer Seite. Sie ist zwar mit diesem Vorstoß letztendlich an „Betonköpfen“ auf Bundesebene gescheitert. Aber ihr Engagement fand damals Beachtung in allen großen progressiven Leitmedien der Republik – wie beispielsweise der „Zeit“ – und hat die ehrliche Debatte um eine fortschrittliche Drogenpolitik in Deutschland maßgeblich und nachhaltig bestimmt. Dafür hat sie bis heute meinen tiefen Respekt.

Ich hoffe, dass Sie meine Argumente nachvollziehen können und verbleibe

Mit freundlichen Grüßen

Bettina Hagedorn

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