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Bernd Siebert
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Frage von Hans-Hermann M. •

Frage an Bernd Siebert von Hans-Hermann M. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen

Sehr geehrter Hr Abgeordneter,

ich habe mittlerweile schon über 47 Lebensjahre auf dem Buckel und war früher politisch sehr interessiert. Ich wundere mich nun schon seit Jahren was in Deutschland für eine Aussenpolitik aus dem Ärmel gezaubert wird, seit der abgewählte Gasmann aus Hannover unser Kanzler war.
Ich hatte gehofft nachdem ein grosse Koalition sich zur Bundesregierung formiert hat, es würde sich irgendwas ändern. Meine Hoffnung war ursprünglich dahin gehend, dass das Grundgesetz für unsere vielfältigen Einsätze im Ausland angepasst wird. Aber es scheint sich nichts diebezüglich zu tun, man verbringt seine Zeit mit Beschlüssen über Kindergelderhöhung, und überlässt das Grundgesetz in jeder Einzelentscheidung dem Bundesverfassungsgericht.
Das Grundgesetz gibt nun mal nur den einsatz im Verteidigungsfall auf dem Gebiet der BRD her. Was wollen Sie also in Afghanistan, dem Kosovo, oder sonst wo in der Welt ohne rechtliche Grundlage.

Nach meinen Erfahrungen wird sich bis zur nächsten Bundestagswahl wohl nichts mehr tun, etwas Wahlkampf, eine Diätenerhöhung und Aussitzen der Probleme durch die Regierung und die Abgeordneten...

Meine Frage: Wird es eine Initiative bezüglich einer GG-Änderung geben??

mfG

HH Metz

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Antwort von
CDU

Sehr geehrter Herr Metz,

haben Sie vielen Dank für Ihre Frage. Ihre Beteiligung an der sicherheitspolitischen Diskussion begrüße ich ausdrücklich.

Grundlage für die Auslandseinsätze der Bundeswehr ist das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 12. Juli 1994 (BVerfGE 90, 286). Die Urteilsbegründung stützt sich maßgeblich auf den Artikel 24 des Grundgesetzes. Gemäß Art. 24 II GG kann sich der Bund zur Wahrung des Friedens in einem System gegenseitiger kollektiver Sicherheit einordnen. Insbesondere gilt dieses für die Vereinten Nationen, aber auch für die NATO als einem Sicherheitssystem, dessen Mitglieder sich für gemeinsame Verteidigung und den Erhalt von Frieden und Sicherheit verbunden haben. Dieses entspricht ebenfalls der Zielrichtung des Grundgesetzes. Aus diesen Mitgliedschaften können für die Bundesrepublik Verpflichtungen erwachsen, etwa bei der Umsetzung einer Resolution des VN-Sicherheitsrates. Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts stellt klar, dass hierin auch Kampfeinsätze eingeschlossen sein können. Automatismen ergeben sich hieraus allerdings nicht. Jeder bewaffnete Einsatz der Bundeswehr unterliegt dem Parlamentsvorbehalt und ist eine Einzelfallentscheidung des Deutschen Bundestages.

Entsprechend engagiert sich die Bundesrepublik Deutschland zurückgehend auf eine Initiative der damaligen Rot/Grünen Regierung beispielsweise auf folgende Weise in Afghanistan:

Die International Security Assistance Force (ISAF) ist eine durch den UN-Sicherheitsrat mandatierte Mission unter Führung der NATO aufgrund der Ursprungsresolution 1386. Ziel der Mission ist die Unterstützung der afghanischen Regierung bei der Schaffung eines sicheren Umfeldes und leistungsfähiger Sicherheitsorgane für den Wiederaufbau Afghanistans. Die Bundeswehr ist durch einen Beschluss des Parlaments seit dem 22. Dezember 2001 (BT-Drucksache: 14/7930 und Verlängerungen) am ISAF-Einsatz in Afghanistan beteiligt. Aktuell wurde das ISAF-Mandat im Deutschen Bundestag verlängert und in seinem Umfang von 3500 auf 4500 Soldatinnen und Soldaten erhöht (BT-Drucksache 16/10473).

Auch den weiteren Auslandseinsätzen der Bundeswehr liegen entsprechende VN-Resolution zugrunde. Eine grundgesetzliche Zulässigkeit der Auslandeinsätze der Bundeswehr ist insofern also gegeben.

Allerdings ist Ihnen zuzustimmen, dass vor dem Hintergrund der geänderten Bedrohungslage auch über eine Anpassung des grundgesetzlichen Rahmens nachgedacht werden muss. Seit dem Ende des Kalten Krieges ist es unwahrscheinlich geworden, dass die Grenzen Deutschlands durch einen zwischenstaatlichen Konflikt bedroht werden. Stattdessen sind der internationale Terrorismus, globale Weiterverbreitung von Massenvernichtungswaffen und ihrer Trägermittel, regionale und innerstaatliche Konflikte, Folgen von Staatenzerfall sowie die Entstaatlichung von Gewalt die Faktoren, mit denen sich Deutschland auseinandersetzen muss. Außerdem haben die veränderten Kommunikations- und Transportmöglichkeiten des Globalisierungszeitalters dazu geführt, dass auch kleine substaatliche Gruppen über weitreichende Möglichkeiten der Gewaltprojektion verfügen. Moderne Gesellschaften sind darüber hinaus in hohem Maße von dem Funktionieren Ihrer informations- und versorgungstechnischen Infrastrukturen abhängig, gleichzeitig jedoch aufgrund ihres freiheitlichen und durchlässigen Gefüges sehr verwundbar. In diesem Spannungsfeld die richtigen Antworten zu finden, ist die sicherheitspolitische Herausforderung der Zukunft. Die Trennung zwischen innerer und äußerer Sicherheit im traditionellen Sinne bedarf vor diesem Hintergrund einer Überprüfung. Dieses belegt die Diskussion über denkbare Szenarien, in denen die Bundeswehr innerhalb Deutschlands Fähigkeiten zur Verfügung stellen könnte, über die die Polizei nicht verfügt. Andererseits über Fälle bei denen sich die Bundeswehr im Auslandseinsatz in quasi-polizeilichen Bereichen betätigen muss, wie beim Einsatz gegen Piraten vor dem Horn von Afrika.

Für solche Fälle praxisorientierte Voraussetzungen zu schaffen, ist seit langem ein Anliegen der CDU/CSU-Bundestagfraktion. In diesem Zusammenhang auch über eine Anpassung des Grundgesetzes zu sprechen, sollte kein Tabuthema sein.

Mit freundlichen Grüßen
Bernd Siebert MdB