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Bernd Scheelen
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Frage von Jochen B. •

Frage an Bernd Scheelen von Jochen B. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Guten Tag Herr Scheelen,
wie ich gesehn habe haben sie bei der gestrigen Einführung Zensurinfratruktur mit "JA" gestimmt.
ich habe eine Einzige Frage an Sie:

Waren sie vor der namentlichen Abstimmung im Plenarsaal zur Lesung?

( ich habe die Live übertragung gesehn während der Debatte , sie wären einer von ca 40 Politikern die sich die Mühe gemacht hätten )

Ich bitte um eine ehrliche Antwort , und wennsie nicht da waren , weswegen nicht?

mit heute noch schockierten Grüßen über das Abstimmungsergebnis
J.Becker

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Becker,

ich habe dem Gesetzentwurf zur Bekämpfung der Kinderpornografie in Kommunikationsnetzen am 18. Juni zugestimmt. Meine inhaltlichen Gründe dafür habe ich in meiner Antwort an Herrn Wiek in diesem Forum dargestellt. Auf Ihre Frage ob ich bei der Lesung im Plenarsaal war möchte ich gern antworten.

Ich bin kurz vor der Abstimmung aus meinem Büro in den Plenarsaal gegangen. Bis dahin habe ich die Debatte am Fernseher von meinem Schreibtisch aus verfolgt. Parallel habe ich gearbeitet. Ich weiß, dass es von außen betrachtet eigenartig wirkt, wenn das Plenum zunächst nahezu leer ist und sich zur Abstimmung schlagartig füllt. Aber glauben Sie mir, die Beschlüsse des Bundestages werden trotzdem ausgiebig diskutiert, Folgen werden abgeschätzt und vernünftige Kompromisse werden gesucht.

Vier Punkte möchte ich kurz benennen - sie erlauben es mir, mit zu entscheiden, auch wenn ich den so genannten Lesungen nicht persönlich gefolgt bin:

1. Die 2./3. Lesung ist das Ende eines langen Verfahrens. Die Debatten werden für die Öffentlichkeit gehalten. Alle direkt am Gesetzgebungsprozess beteiligten kennen alle Argumente bereits - aus Ausschuss-Sitzungen, Fraktionssitzungen, zahlreichen Informationsblättern und Briefen. Es wird im Plenum nur äußerst selten etwas neues und überraschendes gesagt. Die Plätze im Plenarsaal sind im eigentlich Sinne Sitzplätze aber keine Arbeitsplätze.

2. Gearbeitet wird hingegen in zahlreichen Gesprächsrunden (Ausschüssen, Facharbeitsgruppen, Anhörungen) und „ganz klassisch“ am Schreibtisch im Büro.

3. Zeitlich ist es uns Abgeordneten im Bundestag unmöglich, an allen Plenardebatten persönlich teilzunehmen. Das müssen wir aber auch nicht. Durch die vertrauensvolle Zusammenarbeit in der Fraktion können wir uns Schwerpunkte setzen. In den meisten Fragen können wir uns auf Empfehlungen und Urteile unserer Kollegen verlassen. Erst diese Arbeitsteilung macht die Arbeit im Bundestag überhaupt leistbar. Da unterscheidet sich der Bundestag nicht von anderen Unternehmen.

4. Unsere Meinungsbildung findet lange vor der Abstimmung im Bundestag statt. Abgeschlossen wird sie in der Fraktionssitzung. Dort wird über die gemeinsame Position, das Abstimmungsverhalten, der Fraktion ausgiebig gestritten. Das Ergebnis kann dabei nicht immer der Meinung jedes einzelnen Fraktionsmitglieds entsprechen. Es ist ein Kompromiss. Dieses Verfahren wird gern als „Fraktionszwang“ missverstanden. Der Zwang dabei besteht lediglich darin, dass wir uns einigen müssen.
Es gibt selbstverständlich Themen, bei denen einige die Mehrheitsposition nicht mit ihrem Gewissen vereinbaren können. In solchen Fällen einigen wir uns darauf, die Fraktionsdisziplin aufzuheben. Echte Gewissensfragen stellen sich im Bundestag aber doch eher selten.

Mit freundlichen Grüßen

Bernd Scheelen