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Bernd Posselt
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Frage von Gerhard R. •

Frage an Bernd Posselt von Gerhard R. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen

Das Kosovo wurde mit EU-Druck den Albanern zugeordnet,weil dort mehr Albaner als Serben leben.
Serbien wurde dazu nicht bei der Entscheidung befragt.
Die Krim wird am heutigen Sonntag wohl den Russen zu geordnet, weil dort die russische Bevölkerung die klare Mehrheit bildet.
Warum wird hier mit unterschiedlichen Bewertungen gearbeitet?
Demokratische Abstimmungen können nicht gegen das Völkerecht verstossen und die Behauptung, Russland würde die Krise verursachen, zeigt den Interessierten Mecnschen, dass die EU und besonders die Amerikaner ein falsches Spiel treiben.
Die Menschen jenseits der 60ger haben nur die üblichen Medien zur Informationen
und glauben diese Falschmeldungen. Die Jüngeren haben andere Möglichkeiten.

Sehr geehrter Hr.Posselt, sehen Sie das ähnlich?

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Antwort von
CSU

Sehr geehrter Herr Ritter,

die Gleichsetzung zwischen der russischen Annexion der Krim und der Errichtung eines freien kosovarischen Staates nach der NATO-Intervention vor 15 Jahren ist völlig irreführend.

Die Krim war ebenso wie das einst tscherkessische Gebiet um Sotschi eine koloniale Eroberung des zaristischen Rußland. Dessen Truppen zerstörten das 350 Jahre alte Khanat der Tataren und russifizierten die Halbinsel unter jenem Gouverneur Potemkin, der dort seine sprichwörtlichen propagandistischen Dörfer errichtete. Dies geschah nur ein paar Jahrzehnte, bevor Algier französisch wurde. Die teils gewaltsame, teils schleichende Vertreibung der tatarischen Bauern, die 1784 begann, fand unter Stalin eine besonders grausame Fortsetzung, der die Reste dieses Turkvolkes nach Zentralasien deportieren ließ. Die nunmehr klare russische Mehrheit in diesem Gebiet veranlaßte den russisch gesinnten Ukrainer Chruschtschow, die Halbinsel 1954 der zur Sowjetunion gehörenden Ukraine zu "schenken", womit der Moskauer Einfluß dort gefestigt werden sollte.

Im Sowjetimperium hatte die ukrainische Teilrepublik eine interessante Sonderrolle gespielt. Einerseits war sie nach bester sowjetkommunistischer Manier völlig gleichgeschaltet, andererseits sollte sie den Anschein großer Eigenständigkeit erwecken, indem sie einen eigenen Sitz in der UNO hatte, wobei das Stimmverhalten ausschließlich vom Kreml kontrolliert wurde. Nach dem Zerfall der Sowjetunion nahmen Moskau und Kiew diplomatische Beziehungen auf und garantierten einander mehrfach die bestehenden Grenzen. Die Krim verfügte seitdem bis heute innerhalb der Ukraine über eine durch deren Verfassung garantierte Autonomie mit breit ausgebautem russischsprachigen Schulwesen, russischen Medien, russischer Amtssprache und einem Regionalparlament, in dem der heutige, selbsternannte Ministerpräsident der Halbinsel bei freien Wahlen nur drei von hundert Sitzen errungen hatte, weshalb er alles andere als der legitime Sprecher der Krim-Russen ist. Die Tataren, die unter Gorbatschow in ihre angestammte Heimat zurückkehren durften, wurden hingegen von der krimrussischen Mehrheit schon vor der jüngsten Umwälzung unterdrückt, obwohl sie wieder 17 Prozent der Bevölkerung ausmachen; und jetzt sind sie physisch gefährdet.

Ganz anders die Lage im Kosovo. Dort litt in den neunziger Jahren die zu 90 Prozent albanischsprachige Bevölkerung unter einem von Belgrad errichteten brutalen Apartheidsystem, bis der Völkermörder Milošević nach "ethnischer Säuberung" strebte und nahezu alle Kosovo-Albaner über die Landesgrenzen zu treiben versuchte. Da erst schritt die NATO ein, um eine humanitäre Katastrophe zu verhindern. Den Weg in die Unabhängigkeit gingen die Kosovaren dann unter internationaler Kontrolle und auf der Grundlage des vom UN-Generalsekretär akzeptierten Ahtisaari-Planes, der den besten in einer europäischen Verfassung gewährleisteten Minderheitenschutz beinhaltet.
Deshalb ist es logisch, daß inzwischen 108 Mitgliedstaaten der UNO die junge Republik Kosovo völkerrechtlich anerkannt haben, zumal der internationale Gerichtshof in Den Haag aufgrund einer Anfrage der UN-Vollversammlung in einem Grundsatzurteil die kosovarische Unabhängigkeit für völkerrechtskonform erklärt hat - was man von Putins Überfall auf die Krim keinesfalls sagen kann.

Mit freundlichen Grüßen
Bernd Posselt MdEP