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Frage von Kersten M. •

Frage an Bernd Christiansen von Kersten M. bezüglich Arbeit und Beschäftigung

Sehr geehrter Herr Christainsen,

Warum halten Sie, bzw. die Linke, die Hartz IV - Gesetze für ungerecht?

Grüße

Kersten maaß

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DIE LINKE

Sehr geehrter Herr Maaß,

zunächst einmal vielen Dank für Ihre an mich gerichtete Frage.

Die sogenannte Hartz VI Gesetzgebung, also die Einführung des SGB II zum 01.01.2005 wurde bereits im Vorfeld von Fachjuristen und namhaften Rechtswissenschaftlern als sehr verfassungsbedenklich bezeichnet.

Die erste Entscheidung zum SGB II wurde bereits hinsichtlich der sogenannten Argen durch das Bundesverfassungsgericht gefällt. Die Arbeitsgemeinschaften Argen sind mit dem Grundgesetzt nicht vereinbar und daher verfassungswidrig. Um einst von diesen verfassungsrechtlichen Bedenken der Fachleute abzulenken, wurde von dem Superminister Wolfgang Clement SPD eine Neidkampagne in das Volk getragen. Ziel dieser Aussage war es augenscheinlich, der breiten Masse den beabsichtigten Paradigmenwechsel über diese Neidkampagne schmackhaft zu machen. Herr Clement behauptete, das die Arbeitslosenhilfe Alhi und nur um diese geht es im Kern, eine steuerfinanzierte Sozialleistung sei. So wurde weitgehend Missmut und Neid in der Bevölkerung gegen die Arbeitslosen verbreitet Herr Clement, als auch einige andere politischen Größen der SPD, der Grünen, der CDU/CSU und der FDP hätten sich einmal das Dritte Sozialgesetzbuch SGB III in einer stillen Stunde zur Hand nehmen müssen. Hier hätten diese unter dem § 340 SGB III - Finanzierung der BA - i.V.m. (u.a.) § 3 Abs. 1 Nr. 8 SGB III - Aufgaben der BA - zweifelsfrei feststellen könne, dass sie schlicht Unwahrheiten mit dieser Aussage unter das Volk streuen.

Wie das Dritte Sozialgesetzbuch SGB III unter den dort aufgeführten und vorstehend benannten Paragraphen eindrücklich ausweist, wird die Bundesagentur für Arbeit BA vornehmlich aus Beiträgen der Erwerbstätigen und deren Arbeitgeber als Entgeltanteil gemeinsam finanziert.

Wer also jahrelang oder gar jahrzehntelang seine Beiträge an die Arbeitslosenversicherung entrichtete, wurde durch das SGB II per 01.01.2005 quasi enteignet. Die über die eingezahlten Versicherungsbeitrage erworbenen persönlichen Anwartschaften wurden mit einem Federstreich vom Tisch gewischt. Erbrachte Lebensleistung im Erwerbsleben durch geleistete Versicherungsbeiträge wurde schlagartig zur Makulatur. Nur stehen diese über Beiträge erworbene Anwartschaft durch Eigenleistung ebenso, wie bspw. die Rentenanwartschaften der Versicherten, unter dem Schutz des Grundgesetz. Ergänzend auch hierzu die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgericht bezüglich der Lebensstandardgarantie. Der Sturz in das soziale Abseits beträgt heute zwischen 12 und 24 Monaten, je nach erreichten Lebensalter.

Nur beiläufig sei hier ergänzend erwähnt, dass der eine Prozentpunkt der seit 01.01.2007 greifenden Mehrwertsteuererhöhung nicht wie ursprünglich geplant an die BA fließt, sondern im allgemeinen Steuersumpf versickert. Auch sei in diesem Zusammenhang darauf zu verweisen, dass die BA seit Einführung der Hartz - Reform erhebliche Überschüsse in Milliardenhöhe erwirtschaftet und diese ebenfalls dem allgemeinen Staatssäckel zum Opfer fallen.

So brilliert die amtierenden Kanzlerin Frau Angela Merkel CDU, dass man die Versicherungsbeiträge zur Arbeitslosenversicherung von 6,5 v. H auf nunmehr 3,3 v.H senken konnte. Hier stellt sich zwangsläufig die Frage, wie im Falle eines wirtschaftlichen Abschwung die dann wieder ansteigende Arbeitslosigkeit finanziell bewältigt werden soll. Wie jeder weiß verläuft die Weltwirtschaft zyklisch, das heißt, dass nach jedem Aufschwung ein Abschwung folgt. Hier wird dann wohl der Einsatz von erheblichen Steuermitteln notwendig sein. Wie sagte noch einst der Bundesminister Clement zum Thema steuernfinanzierte Arbeitslosenhilfe, als er den Paradigmenwechsel als unumgänglich beschwor und die Enteignung der ehemaligen Beitragszahler verteidigte?

Spricht man mit den älteren Bürgern dieses Landes, also mit Bürgern, die die Währungsreform 1949 noch bewusst miterlebt haben, so hört man, dass sie nach dieser "REFORM" nahezu alles verloren hatten. Ebenso verhält es sich bei den durch die rot/grüne Bundesregierung unter der Federführung des Basta-Kanzler Schröder nach seiner Rücktrittsandrohung durchgedrückte Sozialgesetzreform des SGB III und des bis dato geltenden Bundessozialhilfegesetz (BSHG) und deren Zusammenlegung auf Sozialhilfeniveau.

Erst durch die Einführung des SGB II, wie unter Ziffer 538 des Jahresgutachten 2005/06 des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung zu lesen ist, wurde das Arbeitslosengeld II SGB II nach dem vollzogenen Paradigmenwechsel zu einer echten steuerfinanzierten Sozialleistung! Leider ist das Thema Hartz IV zu umfassend und komplex. Daher möchte ich zunächst hier auch enden, obgleich es noch sehr viel mehr bezüglich der verfassungsrechtlichen Bedenken zu sagen gäbe.

Mit freundlichen Grüßen
Bernd Christiansen