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Beate Müller-Gemmeke
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Matthias J. •

Frage an Beate Müller-Gemmeke von Matthias J. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrte Frau Müller-Gemmeke,

Neulich las ich einen Wahl-Slogan der AfD "Unser Land - unsere Regeln".
Obwohl ich der AfD in keiner Weise zugeneigt bin, stimme ich dieser These zu. Sie auch?
(Wobei ich unter "Regeln" den gesellschaftlichen Konsens und die daraus erwachsenen demokratisch legitimierten Gesetze verstehe, die AfD mag damit möglicherweise ihre eigenen Regeln meinen).
Kann es sein, dass so manches, was so selbstverständlich erscheint oder auch manches, was nur entfernt an nationale Gefühle erinnert, von den meisten im Bundestag vertretenen Parteien gemieden wird, weil man Angst hat, damit Wasser auf die Mühlen der Rechtspopulisten und Rechtsextremen zu leiten?
Wäre es nicht viel sinnvoller, diese Themen selbst zu besetzen und zwar mit positiven Inhalten?
Beispielsweise das Thema Patriotismus. Ich erinnere mich noch gut an die Stimmung 2006 unter dem Slogan "Die Welt zu Gast bei Freunden". Sich als Deutscher und als Europäer zu fühlen, ohne dies mit Angst und Hass auf Andere zu verbinden, sondern gleichzeitig offen zu sein für Menschen aus anderen Nationen, das war ein gutes Gefühl.
Im Bewusstsein aller Unvollkommenheiten in Deutschland und der EU - ich bin durchaus kein Vertreter eines "Weiter so!" - schürt es nicht eher die Ressentiments, wenn in erster Linie die Probleme die Schlagzeilen dominieren?
Im Ausland schauen viele mit Respekt und auch ein bischen Neid auf Deutschland. Und weltweit gilt die EU trotz aller Mängel als ein Hort von Frieden, Freiheit und Rechtsstaatlichkeit.
Was wollen Sie in diesem Wahlkampf und - sofern Sie gewählt werden, später im Amt - dazu beitragen, dass Deutschland und die EU von den eigenen Bürgern genauso positiv wahrgenommen werden?

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr J.,

vielen Dank für Ihre Frage.

Ich kann diesem Slogan der AfD keine Wahrheiten abgewinnen. Und ich störe mich an der Wortwahl. Denn ich möchte nicht nach den Regeln der AfD leben, und die sind mit „unseren Regeln“ gemeint. Ich spreche vielmehr von unseren Werten. Wer bei uns lebt, lebt in einer freiheitlich demokratischen Wertegemeinschaft und die basiert auf unserem Grundgesetz.
Wir Grünen haben ein positives Bild von Deutschland. Und ich bin froh, dass ich in einem offenen, freien und vielfältigen Land lebe. In unseren Dörfern und Städten, am Arbeitsplatz, in Schulen und Sportvereinen begegnen sich Menschen mit und ohne Glauben, da begegnen sich Frauen und Männer, Menschen unterschiedlichster sozialer Herkunft, Menschen mit und ohne Zuwanderungsgeschichten. Diese Vielfalt bereichert unser Land. Deutschland ist ein Rechtsstaat. Wir haben Pressefreiheit, eine unabhängige Justiz und Religionsfreiheit. Und all dies gilt es zu verteidigen.
Natürlich ist klar: Ein friedliches Zusammenleben funktioniert nur mit Rechten und Pflichten, die für alle gleichermaßen gelten. Und es funktioniert nur, wenn wir uns alle ganz klar gegen jede Form von Diskriminierung und Menschenfeindlichkeit stellen. Das ist eine gemeinsame Aufgabe, die uns allen etwas abverlangt und von der wir alle profitieren.
Ich setze mich dafür ein, dass das alles so bleibt. Bei uns soll es keine Entwicklung geben, wie in der Türkei oder wie in den USA. Ich stehe für eine lebendige Demokratie auf Augenhöhe mit den Menschen. Und ich werde alles daran setzen, dass es bei uns nie zu einer so europafeindlichen Stimmung kommt, wie in Großbritannien. Denn wir brauchen ein gemeinsames starkes Europa. Gerade weil ich zu Europa stehe, müssen Fehlentwicklungen und Probleme benannt und auch Reformen auf den Weg gebracht werden. Deshalb setzen wir Grünen uns dafür ein, dass die EU weiterentwickelt wird. Wir wollen Europa besser machen, sozialer und ökologischer. Nur so können wir das Vertrauen in Europa stärken.
Das gleiche gilt für Deutschland. Ich möchte den Zusammenhalt in unserem Land erhalten und stärken. Dazu gehört es auch, Probleme anzusprechen. Denn Probleme gilt es zu lösen, um das Leben für alle besser zu machen. Deshalb müssen wir die Klimakrise zum Thema machen, denn da geht es um unsere Lebensgrundlagen und die wollen wir erhalten. Und natürlich müssen wir daher die immer größer werdende Schere zwischen Arm und Reich ansprechen. Wir müssen beispielsweise über die steigende Kinderarmut reden und konkret etwas dagegen tun, indem wir Familien mit geringeren Einkommen mit einer Kindergrundsicherung stärker fördern.
Es hilft niemandem, solche Probleme unter den Tisch zu kehren. Im Gegenteil, das spaltet eher die Gesellschaft. Ich setze aber auf mehr Zusammenhalt.

Mit freundlichen Grüßen
Beate Müller-Gemmeke

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