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Beate Müller-Gemmeke
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Michael J. •

Frage an Beate Müller-Gemmeke von Michael J.

Hallo Frau Müller-Gemmeke,

wie schon mehrfach auch von Ihnen ausgeführt halte ich die Ideen des Investitionsschutzes und des Living Agreements für Demokratie und Wirtschaftsfeindlich.

Können Sie uns hier in Reutlingen einen kurzen Überblick dazu geben,
* wo das Verfahren rund um TIPP, TTIPP, CETA et al. steht?
* welche Einflussmöglichekeiten haben wir Bürger noch?
* welche Einflüssmöglichkeiten haben Sie im Parlament?
* welche Aktionen (dafür und dagegen) sind bereits im Gang?

Mit freundlichen Grüßen,
M.Jerger

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Jerger,

herzlichen Dank für Ihre Fragen zu TTIP. Ich versuche gerne, Ihre Fragen zu beantworten, denn das Thema ist mir wirklich wichtig.

Die Verhandlungen über TTIP sollen voraussichtlich 2015 abgeschlossen sein und 2018 soll das Abkommen in Kraft treten. Aber niemand weiß, ob dieser Zeitplan eingehalten werden kann.

Die Europäische Kommission hat bezüglich TTIP immerhin einen weiteren Schritt auf ihre KritikerInnen zugemacht. Die neue Handelskommissarin Cecilia Malmström stellte aktuell einige Papiere online, die bisher als vertraulich galten - http://trade.ec.europa.eu/doclib/press/index.cfm?id=1230 . Es handelt sich dabei um Textvorschläge für einzelne Kapitel des geplanten Abkommens mit den USA. Interessierte können nun auf den Seiten der EU-Kommission nachlesen, wie sich die EU-Verhandler die Vertragsformulierungen zu Bereichen wie Lebensmittelgesundheit oder Zollfragen vorstellen. Diese Transparenz der TTIP-Verhandlungen begrüßen wir. Allerdings muss die Kommission auch während der entscheidenden Verhandlungen Zwischenstände veröffentlichen. Sonst ist die Initiative von Frau Malmström nur ein Beruhigungsmittel ohne langfristige Wirkung.

Die Einflussmöglichkeiten der BürgerInnen werden leider sehr gering gehalten – was absolut skandalös ist, denn dieses Abkommen hat weitreichende Auswirkungen für die Menschen in Europa. Deshalb kritisieren wir auch, dass die europäische Bürgerinitiative „Stop TTIP“ von der EU-Kommission aus formalen Gründen nicht zugelassen wurde. Die Verhandlungen über die Freihandelsabkommen gehen damit hinter verschlossenen Türen weiter – die Lobbyisten aber werden weiter gehört. Das ist ein herber Rückschlag für Europas Demokratie. Es ist völlig inakzeptabel, wenn die BürgerInnen in Europa sich erst dann zu völkerrechtlichen Verträgen wie TTIP äußern dürfen, wenn diese fertig verhandelt sind. Damit wird ein wichtiges Element der partizipatorischen Demokratie in Europa ausgebremst und das führt das Instrument der Bürgerinitiative ad absurdum.

Wir Grünen sprechen uns klar gegen TTIP aus, weil die vorgesehenen Schiedsgerichtsverfahren jeglichem Rechtsstaatsprinzip entbehren. Wenn Staaten von privaten Schiedsgerichten verklagt werden können, weil die demokratisch legitimierten Parlamente Gesetze verabschieden, dann funktioniert Politik zum Wohl von Menschen und Umwelt nicht mehr. Die EU und die USA haben robuste Rechtssysteme. Unternehmen haben ausreichende Möglichkeiten, vor staatlichen Gerichten zu klagen. Deshalb sind zusätzliche Klagemöglichkeiten nicht notwendig und auch nicht akzeptabel. Deshalb geben wir im Bundestag erst auf, wenn gar nichts mehr geht! Noch ist aber nicht klar, ob es ein reines oder ein gemischtes Verfahren geben wird. Wer entscheidet am Ende: nur die europäische Ebene? Oder auch die nationalen Gremien, bei uns also der Bundestag und der Bundesrat? Wenn national abgestimmt werden muss, besteht eine größere Chance, das Abkommen zu stoppen. Dazu muss allerdings der Druck von der Straße seitens der Zivilbevölkerung noch viel stärker werden!

Und damit bin ich auch bei Ihrer letzten Frage nach Aktionen für und gegen TTIP. Zu den Befürwortern von TTIP zählen vor allem die großen Wirtschaftsverbände. Sie machen dafür Werbung, wo sie nur können.

Die KritikerInnen haben sich im Bündnis „Stop TTIP“ zusammen getan. Nach der Ablehnung seitens der EU-Kommission führt das Bündnis von 300 europäischen Organisationen nun eine „selbstorganisierte Europäische Bürgerinitiative“ durch. Mittlerweile haben mit Stand heute 1.257.186 Menschen online auf der Homepage https://stop-ttip.org/de/ unterschrieben. Eine offizielle Europäische Bürgerinitiative muss mindestens eine Million Unterschriften innerhalb eines Jahres sammeln, um erfolgreich zu sein. Gleichzeitig muss eine Mindestanzahl (“Quorum”) von Stimmen in wenigstens sieben EU-Mitgliedsstaaten erreicht werden. Das Bündnis möchte mit der selbstorganisierten Europäischen Bürgerinitiative diese Ziele auch erreichen und sogar weit darüber hinausgehen. Mit einer Unterschrift kann diese europaweite Bewegung gegen TTIP und CETA gestärkt und damit der notwendige öffentliche Druck erhöht werden.

Ich hoffe, dass Ihnen meine Antworten weiterhelfen.

Mit freundlichen Grüßen
Beate Müller-Gemmeke

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