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Bärbel Höhn
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Frage von Thomas R. •

Frage an Bärbel Höhn von Thomas R. bezüglich Umwelt

Sehr geehrte Frau Höhn,

ich möchte Ihnen gern, nachdem ich Ihre Antwort zum Thema Atomreaktoren und dem Ausstieg aus der Atomkraft gelesen habe, eine weitere Frage stellen:

Was halten Sie von den aktuellen Fortschritten in der Energieerzeugung durch Kernfusion? Nach dem, was man im Allgemeinen in Fachzeitschriften liest, ist die Finanzierung relativ schwer, obschon es in letzer Zeit erhebliche Fortschritte gab, welche die ersten wirtschaftlich arbeitenden Reaktoren in greifbare Nähe rücken. ITER soll dabei der erste Reaktor werden, der mehr Energie erzeugt als er verbraucht, und die Zeit zur Fertigstellung könnte verkürzt werden, wenn die Kosten des Baus gedeckt würden. Die politische Unterstützung ist leider quasi nicht vorhanden.

Nach dem, was die Forscher erklären, ist die Gewinnung des einen Brennstoffes, Deuterium, ist durch Filtrierung und Trennung von Meerwasser (Erzeugung von Deuterium und Sauerstoff mithilfe von elektrischem Strom) relativ einfach und Ressourcenschonend. Der zweite Brennstoff fällt beim Zerfall von Lithium an, was ebenfalls keinen großen Aufwand darstellt. Das Material, das bei der Fusion verwandt wird, ist durch die kurze Halbwertszeit leichter zu handhaben als die Abfälle aus den Kernkraftwerken, welche einige Jahrtausende lagern müssen. Das anfallende Helium-4 ist stabil. Bei der Energieerzeugung fällt weiterhin schweres Wasser an - was im Idealfall sogar wieder als Ausgangsmaterial für die Fusion gefiltert und getrennt werden kann.

Ich wüsste gern, wie Ihre Ansieht hierzu ist.

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Robitzsch,

Wie ich bereits auch in meiner Antwort an Herrn Grigoriadis vom 11. Mai geschrieben habe, erwarte ich mir für die nächsten Jahrzehnte keinen Beitrag der Kernfusion zur Deckung unseres Energiebedarfs. Seit 50 Jahren verschlingt die Kernfusionsforschung Unsummen an öffentlichen Fördergeldern ohne bisher von Nutzen gewesen zu sein. Der Bau von ITER soll nun wieder bis zu fünf Milliarden Euro kosten, und mit öffentlichen Geldern gefördert werden, ohne dass mit einem wirklichen Dammbruch dieser Technologie gerechnet werden kann.

Ein Großteil der europäischen Forschungsgelder fließen in die Kernspaltung und die Kernfusion. Die Erneuerbaren hingegen, müssen mit deutlich weniger öffentlichen Geldern auskommen. Dabei steht uns mit den Erneuerbaren bereits heute eine Technik zur Verfügung, die das Potential hat, die gesamte Energieversorgung Deutschlands umweltfreundlich, sicher und kostengünstig zu decken. Laut einer neuen Studie des Sachverständigenrates für Umweltfragen ist eine vollständige Stromversorgung mit erneuerbaren Energien bereits für das Jahr 2050 realisierbar und anderen Energieszenarien überlegen. Auch für den Wärme- und Verkehrsbereich ist langfristig eine 100 Prozent Deckung durch Erneuerbare möglich.

Ich verstehe deshalb nicht, warum große Mengen an öffentlichen Geldern in eine Technik wie die Kernfusion fließen sollen, obwohl der Nutzen dieser Technik für die nächsten 50 Jahre mehr als unsicher ist. Bei den Erneuerbaren Energien wären diese öffentlichen Gelder weitaus sinnvoller und gewinnbringender für den Klimaschutz und die Energieversorgungssicherheit eingesetzt als für die Kernfusion.

Schon heute decken die Erneuerbaren 15 Prozent des Deutschen Strombedarfs. Schon heute stehen in diesem Bereich 280.000 Arbeitsplätze zur Verfügung.

Die Zeit drängt. Wenn wir den Klimawandel begrenzen wollen und eine nachhaltige Energieversorgung aufbauen wollen, müssen wir jetzt handeln. Da können wir nicht auf eine Technologie warten, die erst in einigen Jahrzehnten einsatzfähig ist – wenn überhaupt. Wir Grünen wollen daher jetzt in die Erneuerbaren, die Energieeffizienz und das Energiesparen investieren und somit die Weichen hin zu einer nachhaltigen Energieversorgung stellen.

Wir brauchen den Umstieg auf 100 Prozent Erneuerbare so schnell wie möglich. Erst im Strombereich und dann im Wärme- und Verkehrsbereich. Für das Jahr 2020 streben wir Grünen einen Anteil der Erneuerbaren am Strom von mindestens 40 Prozent an, bei gleichzeitiger Verbesserung der Energieeffizienz und des Energiesparens.

Mit freundlichen Grüßen

Bärbel Höhn