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Axel Schäfer
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Frage von Thomas G. •

Frage an Axel Schäfer von Thomas G. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen

Sehr geehrter Herr Schäfer,

in Ihrem Beitrag vom heutigen Tage zur ersten Lesung der Begleitgesetze zum Vertrag von Lissabon führen Sie aus: "Wir sind Europa (...)" und konkretisieren im weiteren Verlauf Ihrer Rede, dass die nationalen Parlamentarierer aller europäischen Länder Europa wären, weil sie für Frieden und Gerechtigkeit kämpfen würden.

Wenn die parlamentarischen Vertreter der Völker Europa sind, wer oder was sind wir in Europa, - wir, die Völker die ihre Volksvertreter legitimierten?

Diese Frage ist durchaus nicht polemisch gemeint. Mir scheint in vielen Beiträgen vom heutigen Tage ein Demokratieverständnis unserer Volksvertreter offenbart, das das Volk als Souverän am liebsten ausschließen möchte. Hierauf lässt auch die Vorgeschichte zum Lissabon-Vertrag schließen: Als die Völker über die EU-Verfassung befragt, eine unbequeme Anwort gaben und die Verfassung ablehnten, beschlossen die Volksvertreter, das Volk in Zukunft nicht mehr zu befragen.

Welche Haltung vertreten Sie in diesem Zusammenhang?

Vielen Dank für Ihre Antwort.

Mit freundlichen Grüßen
Thomas Görlitz

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Antwort von
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Sehr geehrter Herr Görlitz,

vielen Dank für Ihre Anfrage.

Die Passage meiner Rede vom 26. August 2009 im Plenum des Deutschen Bundestages, die Ihre Anfrage betrifft, ist meines Erachtens folgende:

„ (…) Deutschland gestaltet Europa mit. Deutschland – der Bundestag und ebenso der Bundesrat – wird, wie es bereits viele andere Parlamente getan haben, diesen Vertrag ratifizieren. Wir sind für Europa ohne Vorbehalt – egal in welcher Weise. Denn wir als Parlament sind genau wie unsere Regierung und unsere Kolleginnen und Kollegen in Brüssel ein Teil von Europa. Das sind nicht unsere Gegner. Diese wirken ein Stück weit auf uns, und wir wirken gemeinsam im Sinne von Frieden, Solidarität und Gerechtigkeit.“

Ich denke, dass dieser Auszug Ihre Frage eigentlich schon beantwortet. Denn ich habe ausdrücklich „Wir sind ein Teil von Europa“ gesagt, und nicht „Wir sind Europa“, wie Sie schreiben. Natürlich sind die Bürgerinnen und Bürger Europa. An anderer Stelle meiner Rede finden Sie auch eine Äußerung zum Element der direkten Demokratie, die Ihre zweite Frage beantwortet:

„ (…) Solange Sie (gemeint ist die LINKE) hier über die Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger reden, aber das, was wir in Europa durchgesetzt haben, einfach negieren, geht das erst recht nicht.
(…)
Der Lissabon-Vertrag, gegen den Sie geklagt haben und den das Bundesverfassungsgericht einstimmig unterstützt hat – es war ein einstimmiges Urteil –, enthält genau dieses Element, dass wir über Europa direkte Demokratie, nämlich Bürgerbegehren, einführen. Dieser Vertrag ist nicht entstanden, weil irgendwelche Regierungsbeamte oder unbekannte Bürokraten hinter verschlossenen Türen etwas ausgehandelt haben, sondern weil wir in einem langen Prozess, von der Grundrechte-Charta – Gerhard Schröder und anderen sei es gedankt – bis zu dem, was Lissabon anbelangt – mit zwei Konventen und mit über zehn Jahre meist öffentlich geführten Debatten hier in diesem Hause und an vielen anderen Stellen –, ein Vertragswerk entwickelt haben, das tatsächlich auf eine Stärkung der europäischen Demokratie, des Europäischen Parlaments und auch des Deutschen Bundestages ausgerichtet ist. Das haben wir mit dem Lissabon-Vertrag durchgesetzt. (…)“ Sie finden die ganze Rede auch auf meiner Homepage unter folgendem Link: http://www.axelschaefermdb.de/start_und_aktuelles.html?id=2210

Wie Sie sehen, ich teile durchaus ihr Demokratieverständnis. Sie können meinen Standpunkt auch auf der Internetseite http://www.volksentscheid.de nachlesen:

http://www.volksentscheid.de/kandidat/axel-schaefer/

Was die „Vorgeschichte“ des Vertrags von Lissabon betrifft, so muss ich Sie korrigieren: Die Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger Europas hatte sich seinerzeit für den Vertrag über eine Verfassung für Europa ausgesprochen. Die beiden positiven Referenden in Luxemburg und Spanien werden in dieser Diskussion oft ausgeblendet. Nur in Frankreich und den Niederlanden haben die Bürgerinnen und Bürger 2005 gegen den Verfassungsvertrag votiert. Auch vor Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon wird es am 2. Oktober 2009 ein Referendum in Irland geben, da dies verfassungsrechtlich dort so vorgegeben ist.

Mit freundlichen Grüßen

Axel Schäfer

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