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Axel Schäfer
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Frage von Simon H. •

Frage an Axel Schäfer von Simon H. bezüglich Finanzen

Sehr geehrter Herr Schäfer,

mich wundert es ein wenig, dass so viel über Opel & Arcandor geredet wird, aber so wenig über die Schuldenbremse, die zwar abstrakter ist aber doch sehr viel weitreichendere Konsequenzen hat. (Spätestens ab 2016 wird die Schuldenbremse wohl das Bild der aktuellen Regierung prägen). Generell begrüße ich die Schuldenbremse als wichtigen Beitrag zur Generationengerechtigkeit, habe aber noch ein paar Fragen dazu:
1) Geht der Gesetzgeber davon aus, dass die 0,35% des Bruttoinlandsproduktes an erlaubten Schulden "weginflationiert" werden oder ist eine kurzfristige Rückzahlung vorgesehen?
2) Wie soll der aktuelle Schuldenberg abgetragen werden? Soll er in absehbarer Zeit zurückgezahlt werden oder schleichend "weginflationiert" werden während der Staat weiterhin enorme Summen an Zinsen zahlt?
3) Wer überwacht die Einhaltung der Schuldenbremse und was geschieht wenn jener Wächter einen Gesetzesverstoß feststellt?
4) Wie groß schätzen sie die Wahrscheinlichkeit, dass die Schuldenbremse tatsächlich wirkt und nicht jedes Sommergewitter als Ausrede für ein Umgehen der Schuldenbremse dienen muss?

Mit freundlichen Grüßen,
Simon Hoerder

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Antwort von
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Sehr geehrter Herr Hörder,

vielen Dank für Ihre Anfrage, die ich im Folgenden gerne detailliert beantworte.

Zu Frage 1: Geht der Gesetzgeber davon aus, dass die 0,35 % des Bruttoinlandsprodukts an erlaubten Schulden „weginflationiert“ werden oder ist eine kurzfristige Rückzahlung vorgesehen?

Die Haushalte von Bund und Ländern sind gemäß der neuen verfassungsrechtlichen Verschuldungsregel grundsätzlich ohne Einnahmen aus Krediten auszugleichen. Beim Bund ist diesem Grundsatz Rechnung getragen, wenn die Einnahmen aus Krediten in der konjunkturellen Normallage 0,35 % des Bruttoinlandsprodukts (BIP) nicht überschreiten. Mit Blick auf die Generationengerechtigkeit soll dieser im Vergleich zur bisherigen Regel eng begrenzte strukturelle Verschuldungsspielraum die Flexibilität bzw. die Handlungsfähigkeit des Haushaltsgesetzgebers insbesondere für solche Maßnahmen erweitern, die über eine dauerhafte Stärkung von Wachstum und nachhaltiger Entwicklung auch künftigen Generationen zugute kommen. Kommende Generationen an heutigen öffentlichen „Investitionen“ zu beteiligen, ist intergenerativ gerecht, solange die langfristige Tragfähigkeit der Staatsfinanzen gesichert ist (siehe hierzu auch Antwort zu Frage 2).
Darüber hinaus ist bei der Ermittlung der maximal zulässigen Nettokreditaufnahme eines jeden Haushaltsjahres zu berücksichtigen, dass die Strukturkomponente von 0,35 % des BIP mit dem Saldo der finanziellen Transaktionen und einer die konjunkturelle Situation symmetrisch berücksichtigenden Konjunkturkomponente verrechnet wird. In Jahren mit kräftigen Aufschwungphasen ist daher damit zu rechnen, dass die Schuldenbremse Überschüsse im Bundeshaushalt erzwingt, die unverzüglich zur Tilgung der Bundesschuld eingesetzt werden müssen.

Zu Frage 2: Wie soll der aktuelle Schuldenberg abgetragen werden? Soll er in absehbarer Zeit zurückgezahlt werden oder schleichend „weginflationiert“ werden, während der Staat weiterhin enorme Summen an Zinsen zahlt?

Wir bekennen uns nachdrücklich zu einer stabilitätsorientierten Finanzpolitik gemäß den Prinzipien und Verfahren des Europäischen Stabilitäts- und Wachstumspakts. Darüber hinaus stehen wir uneingeschränkt zu einer unabhängigen Geldpolitik mit dem übergeordneten Ziel der Preisstabilität. Die ab dem Haushaltsjahr 2011 zur Anwendung kommende Schuldenbremse leistet mit Blick auf die krisenbedingt sprunghaft steigende Defizit- und Schuldenquote einen wichtigen Beitrag, nach Überwindung der Krise zu einer soliden Haushaltsposition zurückzukehren und somit das Vertrauen in eine nachhaltige Finanzpolitik zu stärken. Da die Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen nicht nur von der Entwicklung der (nominalen) Staatsverschuldung abhängt, sondern auch entscheidend von der Leistungsfähigkeit einer Volkswirtschaft, verspricht eine Doppelstrategie aus konsequenter Begrenzung der Neuverschuldung und wirkungsvoller Unterstützung der Wachstumsdynamik den größten Erfolg. Die Einhaltung der strukturellen Defizitobergrenze von 0,35 % des BIP wird selbst bei vorsichtigen Wachstumsannahmen langfristig zu einer deutlichen Reduktion des Schul¬denstands im Verhältnis zum BIP führen. Zugleich kann auf diese Weise die relative Zinsbelastung der öffentlichen Haushalte gesenkt werden.

Zu Frage 3: Wer überwacht die Einhaltung der Schuldenbremse und was geschieht, wenn jener Wächter einen Gesetzesverstoß feststellt?

Die Einhaltung der Schuldenbremse wird ein Verfassungsziel und unterliegt der Kontrolle durch das Bundesverfassungsgericht, das mit breiter Öffentlichkeitswirkung einen Verstoß des Haushaltsgesetzgebers gegen die Vorgaben des neuen Art. 115 GG feststellen kann. Darüber hinaus wird die Einhaltung der Verschuldungsregel des Bundes im Haushaltsvollzug über ein Kontrollkonto sichergestellt. Auf diesem werden Über- oder Unterschreitungen der zulässigen strukturellen Verschuldungsspielräume in den einzelnen Haushaltsjahren saldiert. Überschreitet ein möglicher negativer Kontostand eine Schwelle von 1,5 % des BIP, setzt nach den Vorgaben des Grundgesetzes eine Verpflichtung zum konjunkturgerechten Ausgleich des Kontrollkontos ein.

Zu Frage 4: Wie groß schätzen Sie die Wahrscheinlichkeit, dass die Schuldenbremse tatsächlich wirkt und nicht jedes Sommergewitter als Ausrede für ein Umgehen der Schuldenbremse dienen muss?

Die Schuldenbremse wird in Zukunft verhindern, dass in konjunkturell guten Zeiten vorübergehende konjunkturelle Überschüsse für langfristig defizitsteigernde Maßnahmen wie nicht gegenfinanzierte Steuersenkungen bzw. Mehrausgaben verwendet werden können. Somit wird das Erfordernis grundsätzlich ausgeglichener Haushalte in der konjunkturellen Normallage langfristig abgesichert. Der Ausnahmetatbestand für Sondersituationen wird im Vergleich zur bisherigen Regel deutlich enger gefasst. Die verfassungsrechtlichen Kreditgrenzen dürfen künftig nur noch im Fall von Naturkatastrophen oder außergewöhnlichen Notsituationen, die sich der Kontrolle des Staates entziehen und die staatliche Finanzlage erheblich beeinträchtigen, überschritten werden. Normale zyklische Abschwünge stellen keine Situation dar, die eine Ausnahme von der Schuldenregel rechtfertigt. Eine Inanspruchnahme der Ausnahmeregelung kann der Bundestag zudem nur beschließen, wenn mindestens die Mehrheit seiner Mitglieder zustimmt („Kanzlermehrheit“). Schließlich muss der Bundestag bei Inanspruchnahme der Ausnahmeregelung einen Tilgungsplan verabschieden, der die Rückführung der oberhalb der Regelgrenze liegenden Kreditaufnahme vorsieht und so ein weiteres Anwachsen der Staatsschulden verhindert.

Ich hoffe, ich konnte Ihnen mit diesen Informationen behilflich sein.

Mit freundlichen Grüßen

Axel Schäfer

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