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Annette Widmann-Mauz
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Frage von Achim L. •

Frage an Annette Widmann-Mauz von Achim L. bezüglich Arbeit und Beschäftigung

Sehr geehrte Frau Widmann-Mauz,

in der namentlichen Abstimmung vom 23.06.2017 zur Abschaffung sachgrundloser Befristungen haben Sie mit "Nein" gestimmt und sich somit für die Aufrechterhaltung sachgrundloser Befristungen ausgesprochen. Ich wäre sehr an Ihrer Begründung interessiert, wieso Sie sich für eine Maßnahme aussprechen, die zu erhöhter Unsicherheit für Arbeitnehmer und zu einer schwächeren Verhandlungsposition gegenüber dem Arbeitgeber führt, und die letzterem eine Drohung in die Hand gibt, die den Arbeitnehmer von gewerkschaftlichem Engagement oder Vorgehen gegen rechtswidrige Arbeitsbedingungen abhalten kann. Vor allem wäre mir wichtig zu wissen, wieso Sie die Möglichkeit einer Befristung aus Sachgründen als für den Arbeitgeber nicht ausreichend erachten.

Mit freundlichen Grüßen,
Achim Lorenz

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Antwort von
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Sehr geehrter Herr Lorenz,

vielen Dank für Ihre Nachfrage zur Problematik der sachgrundlosen Befristung. Gerne lege ich Ihnen meinen Standpunkt zu diesem wichtigen Thema dar.

Für mich gilt der bewährte Leitsatz „Sozial ist, was Arbeit schafft.“ Dabei ist ganz klar, dass ich darunter in erster Linie ein unbefristetes Arbeitsverhältnis und eine faire Bezahlung verstehe. Die unbefristete Beschäftigung muss daher das Ziel aller arbeitspolitischen Maßnahmen sein, da sie den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern Planungssicherheit geben. Aus diesem Grund ist Befristung mit Sachgrund oder ohne Sachgrund auch nicht die Regel auf dem deutschen Arbeitsmarkt. Im Gegenteil: Die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten steigt erfreulicherweise weiter an. Das liegt vor allem an der hervorragenden Beschäftigungslage und dem damit verbundenen Fachkräftebedarf der Unternehmen.

Wie Sie vermutlich wissen, wurde die sachgrundlose Befristung unter der rot-grünen Bundesregierung 2001 eingeführt. Daran anknüpfend wurden die Sozial- und Arbeitsmarktreformen im Rahmen der Agenda 2010 mit Unterstützung der Union umgesetzt und unter den nachfolgenden unionsgeführten Bundesregierungen krisenfest fortentwickelt. Mit 43,7 Millionen Beschäftigten, weniger als 2,7 Millionen Arbeitslosen, wachsenden Netto- und Reallöhnen bewegt sich Deutschland heute auf einem konjunkturellen Rekordniveau. Zugleich wurden Fehlentwicklungen und auch Ungerechtigkeiten korrigiert. So hat die Union die verlängerte Zahlung des Arbeitslosengeldes I für Ältere, die Förderung von Branchenmindestlöhnen und Verbesserungen bei der Zeitarbeit sowie den Mini-Jobs verwirklicht. Auch bei Hartz IV erfolgt der Rückgriff auf das ersparte Vermögen längst nicht mehr in dem Umfang, in dem es von Rot-Grün ursprünglich umgesetzt wurde.

Die sachgrundlose Befristung bildet jedoch noch immer eine wichtige Brücke für Langzeitarbeitslose auf dem Weg zurück in den Arbeitsmarkt. Zudem ist sie ein wichtiges Instrument für Unternehmen, um konjunktur- und auftragsbedingte Unsicherheiten abzufedern und damit die eigene Belegschaft vor betriebsbedingten Entlassungen zu bewahren. Mir ist dabei völlig klar, dass die sachgrundlose Befristung für die Betroffenen ein unangenehmer Schwebezustand ist. Gerade für junge Menschen, die auch eine Familie planen, ist diese Art der Anstellung besonders unbefriedigend.

Dass die sachgrundlose Befristung bei Produktionsspitzen oder Auftragsflauten von Unternehmen durchaus sinnvoll sein kann, zeigt auch die große Akzeptanz des Flexibilisierungsinstruments unter Betriebsräten und Gewerkschaften im Rahmen der tariflichen Mitbestimmung. Insofern ist die sachgrundlose Befristung, wenn sie im ursprünglichen Sinne des Gesetzgebers angewandt wird, keine Umgehung des Kündigungsschutzes oder der betrieblichen Mitbestimmung, sondern eine Reaktion auf mittelfristige Nachfrage- und Marktentwicklungen. Das gilt natürlich auch im kleineren Maßstab für mittlere Handwerks- und Familienbetriebe, zumal die Befristung aus Sachgründen laut gerichtlicher Definition eben nicht für allgemeine konjunkturelle Entwicklungen, sinkende Nachfragen oder ausbleibende Aufträge angewandt werden darf.

Abschließend möchte ich nochmals klar stellen, dass das entfristete Beschäftigungsverhältnis ohne Zweifel der angestrebte Zielzustand jeglicher arbeitsmarktpolitischer Maßnahmen der Union ist. Um dies für eine breite stabile Mehrheit der Beschäftigten dauerhaft zu erreichen, ist die sachgrundlose Befristung noch immer ein wirksames Instrument für den Sprung in den ersten Arbeitsmarkt. Zugleich tritt es immer mehr in den Hintergrund, je positiver sich die allgemeine Beschäftigungssituation entwickelt. Unabhängig davon ist es genauso wichtig, für eine regelgerechte Einhaltung zu sorgen und möglichen Missbrauch einzudämmen. Insofern ist es Aufgabe des Gesetzgebers, die Anwendung und Handhabung der sachgrundlosen Befristung kontinuierlich zu überwachen und ggf. auf den Prüfstand zu stellen.

Mit freundlichen Grüßen
Ihre

Annette Widmann-Mauz MdB

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