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Annalena Baerbock
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Frage von Olaf H. •

Frage an Annalena Baerbock von Olaf H. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen

Sehr geehrte Frau Baerbock,

gestern ist leider wieder eine Vielzahl von Flüchtlingen auf dem Mittelmeer umgekommen!
Wie lange soll diese Asylpolitik so weiter fortgesetzt werden?
Sollte nicht eine strikte Trennung von Einwanderungs- und Asylpolitik stattfinden?

Was würde geschehen,
wenn Asylanten generell eine Einbürgerung verwehrt bleiben würde?
wenn Asylanten ein außerhalb des Asylantrags geltendes Aufenthaltsrecht verwehrt werden würde?
wenn Asylanten kein Geld ausgehändigt werden würde?
wenn Asylanten ein generelles Arbeitsverbot erhalten würden?
wenn Asylanten nach Beruhigung der Situation in ihrem Heimatland wieder zurück geschickt werden würden?

Würde dann nicht sichergestellt sein, dass wirklich nur Flüchtlinge in unser Land kommen die wirklich Angst, um ihre Unversehrtheit oder gar um ihr Leben haben? Würde sich dann nicht auch die Bevölkerung weniger versperren, weil sie so die Gewissheit hätte, dass diejenigen die hier nach Asyl suchen auch wirklich Unterstützung benötigen.

Ist es im Augenblick nicht so, dass durch die jetzige Asylpolitik ein Strom von Wirtschaftsflüchtlingen in Bewegung gesetzt wurde, der von alleine niemals mehr zum Stillstand kommen wird?

Wie schätzen Sie die Situation ein, und wie wollen Sie dieser Herr werden?

Bitte vermischen Sie in Ihrer Antwort nicht die Themen Einwanderung mit Asylanträgen, denn ein Einwanderer kommt auf eigenes wirtschaftliches Risiko und ohne Inanspruchnahme von Sozialleistungen in ein fremdes Land.

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Höch,

der Schutz von Flüchtlingen ist eine der zentralen Herausforderung unserer Zeit. Derzeit sind mehr als 50 Millionen Menschen auf der Flucht. Seit Jahresbeginn sind mehr als 1.800 Menschen im Mittelmeer ums Leben gekommen. Es gibt keine einfachen Antworten auf diese menschlichen Tragödien. Aber das Fehlen legaler Einreisewege macht das Geschäft der Schlepper überhaupt erst lukrativ. Deshalb müssen wir die jetzt schon bestehenden Möglichkeiten zur legalen Einreise für Schutzsuchende, wie etwa die Familienzusammenführung, humanitäre Aufnahmeprogramme oder das Resettlementprogramm der Vereinten Nationen ausschöpfen und ausbauen. Zusätzlich müssen weitere legale und geschützte Einreisemöglichkeiten, wie etwa die Vergabe humanitärer Visa, geschaffen werden. Aus meiner Sicht müssen zudem die ungerechten und technokratischen Regelungen des Dublin-Systems reformiert und damit eine neue Asyl- und Flüchtlingspolitik begonnen werden.

Angesichts Ihrer Fragen gibt es offensichtlich ein Missverständnis über das geltende Asylrecht. Die meisten Asylsuchenden kommen nicht aufgrund von Armut, sondern fliehen vor Krieg und Gewalt. Unser Asylrecht gewährt auch Schutz nur vor politischer oder religiöser Verfolgung oder drohender Gefahr für Leib und Leben. Auch flieht niemand freiwillig aus seiner Heimat. Die große Mehrheit der Flüchtlinge sucht Schutz in den Nachbarstaaten der Krisenregionen oder wird zu Binnenvertriebenen im eigenen Land. Deutschland rechnet in diesem Jahr mit bis zu 400.000 Asylanträgen. Wir sind also weit davon entfernt, Hauptziel der Schutzsuchenden zu sein. Im vergangenen Jahr wurden ca. 200.000 Asylanträge gestellt. Ein Großteil der Schutzsuchenden kam aus Herkunftsländern mit einer sehr hohen Asylanerkennungsquote: 89% der Syrer, 55% der Eritreer wurden als Asylberechtigte anerkannt (Quelle: BAMF). Das wiederum verdeutlicht, dass es sich nicht - wie gerne behauptet – um sogenannte Armutsflüchtlinge handelt.

Diejenigen, die es nach Europa geschafft haben, erwarten oft menschenunwürdige Bedingungen. Die Integration in die Gesellschaft wird verwehrt, so war es den Allermeisten bis vor kurzem nicht erlaubt, sich um eine Arbeit zu kümmern. Auch Sprachkurse sind nicht für alle zugänglich. Sprache und Arbeit sind aber der Schlüssel für ein selbstbestimmtes Leben. Deshalb setzen wir uns für einen frühzeitigen und gleichrangigen Zugang zum Arbeitsmarkt, zu Sprach- und Integrationskursen und für die Anerkennung ausländischer Berufsabschlüsse ein. Wir Grüne fordern zudem, dass sich anerkannte Flüchtlinge in Europa frei bewegen dürfen, insbesondere dann, wenn Familien zusammen geführt werden können. Wir fordern die Abschaffung des diskriminierenden, teuren und bürokratischen Asylbewerberleistungsgesetzes. Unter diesen Voraussetzungen kann Integration gelingen, denn angesichts der politischen Lage in den Krisenregionen müssen wir davon ausgehen, dass ein großer Teil der Flüchtlinge lange oder für immer in Deutschland leben wird.

Mit freundlichen Grüßen
Annalena Baerbock

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